So wirkt der Kohleausstieg auf die Immobilienpreise

Vor knapp einem Jahr schloss das Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop als letzte aktive Steinkohlezeche im Ruhrgebiet. Damit ging eine Ära zu Ende, die das Leben in den sogenannten Kohle-Städten stark geprägt hat. Die Bundesregierung hatte Ende Januar beschlossen, bis 2038 endgültig aus der Stromerzeugung mit Stein- und Braunkohle auszusteigen. Wie wirkt sich die Schließung der Tagebaue und Zechen sowie die der Fördergebiete in Nordrhein-Westfalen auf die umliegenden Stadtteile aus? Immoscout24 gibt die Antwort.

Neubausiedlungen, Gewerbeflächen, Kulturangebote – die Möglichkeiten der Nachnutzung eines alten Zechengeländes sind vielfältig. Dabei ist ihre Umwandlung alles andere als einfach. „Denkmalschutz und der schwierige Zugang zu manchen Flächen stehen Nachnutzungsprojekten oft im Weg“, weiß Ralf Weitz, Geschäftsführer von ImmoScout24. „Aber auch wenn die Planung teils sehr lange dauert, beleben die Bauvorhaben den Immobilienmarkt.“

Mieter und Immobilienkäufer reizen nicht nur die neuen, modernen Siedlungen. Für einige hat es einen besonderen Charme, Teil einer Nachbarschaft mit einem Stück Kulturgeschichte zu sein. Hinzu kommen oftmals vielseitige Freizeitangebote und neue Jobs in geplanten Gewerbegebieten. Mit dem Interesse steigen die Mietpreise. Laut einer Datenerfassung von ImmoScout24 zwischen 2007 und Mitte 2019 sind die Mieten in vielen bisherigen Kohle-Städten stetig gestiegen. Beispielsweise in Marl um 15 und in Voerde um 17 Prozent. In Haltern am See haben die Mieten um 23 Prozent angezogen.

„Den Trend moderner Nachnutzungskonzepte haben viele Städte erkannt. Durch das Schaffen von Wohnraum, Gewerbe, Arbeitsplätzen und Kultur an ehemaligen Kohlestandorten werden die Bereiche Arbeiten und Leben optimal vereint“, erläutert Ralf Weitz. Die sinnvolle Nutzung der Gelände sorge auch dafür, dass die Grundstücke und Immobilien immer begehrter werden. „Deshalb steigen auch die Miet- und Kaufpreise. Größere Städte wie Recklinghausen sind schon gut aufgestellt. Kleinere Standorte, die von der Schließung der Zechen und Tagebaue betroffen sind, haben hingegen noch Nachholbedarf.“

Neue Projekte mit vielseitigen Möglichkeiten

Ein Beispiel ist Kamp-Lintfort. Laut der Analyse von ImmoScout24 haben sich die Kaufpreise in der Stadt seit 2007 deutlich erhöht, bei Einfamilienhäusern um rund 40 Prozent und bei Wohnungen um 49 Prozent. Auch die Wohnungsmieten sind mit 40 Prozent deutlich gestiegen. Ein starker Preistrend, der die Belebung des ehemaligen Kohlestandorts belegt. Die Zeche Friedrich Heinrich in Kamp-Lintfort wurde 2012 stillgelegt. Im östlichen Teil des Geländes ist ein Grünbereich geplant, während der westliche Teil für Wohnen und Gewerbe vorgesehen ist. 2015 erhielt die Stadt den Zuschlag für die Landesgartenschau 2020. Die Teilnahme gilt auch als Zugpferd für die weiteren Vorhaben: Der Bauplan für das Wohn- und Gewerbegebiet soll zügig umgesetzt werden. Auf acht Hektar Fläche entsteht dann ein neues Stadtquartier mit Geschosswohnungen und Reihenhäusern. Büros und Gastronomen sollen sich auf einem Quartiersplatz ansivedeln. Der Denkmalschutz wird dabei berücksichtigt.

Auch in Neukirchen-Vluyn tut sich einiges. Der letzte offene Entwicklungsbaustein des ehemaligen Zechengeländes Niederberg ist ein klimafreundliches Kreativrevier. In der Planung sind Wohngebiete, Gastronomie, Nahversorgung, besonderer Einzelhandel und auch ein Bürgerpark mit Minihäusern, sogenannten Tiny Houses. Die 2001 geschlossene Halde Norddeutschland dient zudem als Naturschutzgebiet der Erholung. Klimaschutz und das alltägliche Leben werden so vereint. Die Folge: Auch in Neukirchen-Vluyn konnte ImmobilienScout24 eine Belebung des Immobilienmarkts feststellen: Die Mietpreise stiegen in zwölf Jahren um 27 Prozent, die Kaufpreise für Wohnungen und Häuser haben ein Wachstum von 32 Prozent erlebt.

Diese Entwicklung zeigt: Wenn die Nachnutzungskonzepte stimmen, ist die Nachfrage da. Mieter wie auch Käufer legen viel Wert auf die Umgebung einer Immobilie. Gebiete für Wohnen, Gewerbe und Freizeit, die gleichzeitig Kulturgeschichte und Natur bieten, sind besonders beliebt. Ralf Weitz geht davon aus, dass der positive Entwicklungstrend um die ehemaligen Zechengelände in den kommenden Jahren bestehen bleibt. „Mit der Ansiedlung von Wohn- und Gewerbeimmobilien haben die ehemaligen Kohlestandorte die große Chance, die Schließung von Tagebauen und Zechen zu kompensieren. Auch für die lokale Immobilienwirtschaft besitzen sie damit ein großes Potenzial“, erklärt der Geschäftsführer von ImmoScout24.

Foto: Shutterstock

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments