„Die Politik sollte klare Verhältnisse schaffen“

Ulf Kesting, Vorstand der DGbAV – Deutsche Gesellschaft für betriebliche Altersversorgung, spricht im Interview mit Cash.-Online über gesetzliche und betriebliche Hemmnisse in der bAV und seine Ideen, wie die Betriebsrente im Mittelstand eine größere Verbreitung finden kann.

„Die Entgeltumwandlung wird bei niedrigen Einkommen zu selten genutzt, da die Arbeitnehmer sich eine bAV schlicht und einfach nicht leisten können oder wollen.“

Cash.: Es gibt viele Überlegungen, wie die Verbreitung der bAV gefördert werden kann – allerdings kein Patentrezept. Welchen Ansatz halten Sie für besonders sinnvoll?

Kesting: Wenn die Politik ihr Bekenntnis zur betrieblichen Altersversorgung als wichtige Säule der finanziellen Altersabsicherung ernst meint, sollte sie generelle rechtliche Rahmenbedingungen für die Entgeltumwandlung von Mindestlohn, auch über Tarifverträge, schaffen.

Bei tarifvertraglichen Regelungen sollte das Angebot nicht nur auf einen Versorgungsträger begrenzt sein, um durch Nutzung der Marktwirtschaft bestmögliche Angebote für die Arbeitnehmer herausarbeiten zu können.

Im Bereich des Opting-Out sind nach führenden Arbeitsrechtlern noch einige wichtige Details zu regeln, insbesondere bei Tarifverträgen. Auch hier ist der Gesetzgeber gefragt.

Vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen kommt die bAV nicht recht voran. Mit welchen vorrangigen Problemen und Fragen wenden sich die Arbeitgeber an Ihr Haus und wie begegnen Sie diesen?

Die Entgeltumwandlung wird bei niedrigen Einkommen zu selten genutzt, da die Arbeitnehmer sich eine bAV schlicht und einfach nicht leisten können oder wollen. Wir gestalten mit den Arbeitgebern gemeinsam attraktive Matching- oder Zuschusssysteme. Falls gewünscht, optimieren wir auch die Vergütungsstruktur über die Entgeltoptimierung zusammen mit unserer Schwestergesellschaft DGEO.

Viele Geringverdiener fragen sich, ob sich eine bAV überhaupt lohnt, wenn diese auf die Grundsicherung angerechnet wird. Wie bewerten Sie das?

Dass eine Betriebsrente oder auch eine Riester-Rente auf die Grundsicherung angerechnet werden, ist insbesondere bei Entgeltumwandlung unrecht, da das Ansparen für die bAV Konsumverzicht bedeutet und entsprechend losgelöst von den übrigen Bezügen betrachtet werden muss. Die Politik sollte klare Verhältnisse schaffen, dass diese Aufrechnungen wegfallen.

Viele Unternehmen entscheiden sich für eine externe Finanzierung, etwa über eine Direktversicherung. Wie nachhaltig ist dieser Trend?

Dieser Trend ist sehr nachhaltig. Innenfinanzierte Systeme machen bei den derzeit niedrigen Zinsen für Anlagen und Finanzierungen für viele Unternehmen immer weniger Sinn und werden von Wirtschaftsprüfern immer kritischer beurteilt. Externe Systeme der bAV sind bewertungsneutral und wirken außerdem haftungsminimierend für den Arbeitgeber, weshalb sich der Trend durchaus noch verstärken könnte.

Interview: Lorenz Klein

Foto: Inga Sommer

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