Kapitalanlage: „Mut ohne Weisheit führt ins Verderben“

Der Kapitalmarktexperte Lutz Morjan, Head of Insurance Solutions bei NN Investment Partners, sagt im Interview mit Cash., welche Optionen, die Versicherer in der Niedrigzinsphase haben und erklärt, warum die Kapitalanlage stärker in den Mittelpunkt von Unternehmensentscheidungen treten wird.

„Durch Marktwertorientierung haben Versicherungsvorstände mit einem hohen Maß an Unsicherheit zu kämpfen. Die Herausforderung ist nun, die Kapitalanlage besser an die neuen Bewertungsmethoden der Verpflichtungen auszurichten.“

Eine Studie der Bundesbank sorgte kürzlich für Wirbel, weil sie zu dem Schluss kommt, dass nicht nur die Niedrigzinsphase eine Gefahr für die Lebensversicherer darstellt, sondern auch ein plötzlicher Zinsanstieg. Für wie realistisch schätzen Sie dieses Risiko ein?

Morjan: Das ist kein unrealistisches Szenario. Nach meinem Eindruck sind sich die deutschen Versicherer aber über ein solches Risiko durchaus im Klaren. Die finanzielle Situation eines Versicherers ist von einer Vielzahl von Aspekten abhängig, die häufig nicht vom Unternehmen beeinflussbar sind.

An welche Aspekte denken Sie dabei?

Wie entwickelt sich die Demographie und Sterblichkeit meines Versicherungsbestandes? Wieviel Rendite werde ich in Zukunft auf meine Kapitalanlage erzielen können? Wie werden meine Kunden auf diese Renditeentwicklungen reagieren? Das entscheidet darüber, ob die Kunden dem Unternehmen treu bleiben oder Verträge kündigen. In der Summe spiegeln sich all diese Aspekte in der zukünftigen Cash Flow-Entwicklung der Versicherer wider, die sich nicht immer genau abschätzen lässt. Versicherer sind spezialisiert darauf, diese Unsicherheiten abzuwägen und das Unternehmen strategisch so auszurichten, dass es auf stabilen Füßen steht.

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In einem Interview merkten Sie jüngst kritisch an, dass viele Lebensversicherer sehr hohe Geldsummen mit sehr wenigen Leuten verwalten. Welche Verbesserungen sollte die Assekuranz im Kapitalanlagemanagement anstreben?

Die Kapitalanlage wird stärker in den Mittelpunkt von Unternehmensentscheidungen treten, weil sie ganz wesentlich die finanzielle Sicherheit des Unternehmens beeinflusst. Im Fachjargon sprechen wir von Solvabilität. Historisch – also vor Solvency II – haben wir eine hohe Konzentration der Kapitalanlage auf wenige Assetklassen wie Staatsanleihen und Schuldscheindarlehen gesehen, die kostenoptimiert bis zur Endfälligkeit gehalten wurden. Die Bilanz einer Versicherung war sehr stabil und gut planbar. Mit der Einführung von Solvency II ändern sich die Bewertungsparameter fundamental.

Wie wirkt sich dies auf die Unternehmen aus?

Durch Marktwertorientierung haben Versicherungsvorstände mit einem hohen Maß an Unsicherheit zu kämpfen. Die Herausforderung ist nun, die Kapitalanlage besser an die neuen Bewertungsmethoden der Verpflichtungen auszurichten. Ein Thema dabei ist die Duration der Anlagen, also welche Lücke ich akzeptiere zwischen Vermögen und Verbindlichkeiten.

Andere Aspekte sind Wiederanlagerisiken und Performancerisiken. Diese Aspekte werden zwangsläufig zu einer stärkeren zeitlichen Diversifikation von Kapitalanlage-Cash Flows führen, also zu weniger zeitlicher Konzentration der Endfälligkeiten in der Kapitalanlage.

Seite zwei: „Mut ohne unternehmerische Weisheit wird ins Verderben führen“

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