Deutschlandrente: Schwarz-grüner Vorstoß aus Hessen

Für die einen ist es ein „neues marktfernes und gemeinwohlorientiertes Modell“, streng marktwirtschaftlich orientierte Kritiker versteigen sich zum Vorwurf einer beabsichtigten „Zwangsrente“. Was so unterschiedliche Reaktionen auslöst, ist ein aus der schwarz-grünen Koalition in Hessen von den drei Staatsministern Al Wazir, Schäfer und Grüttner kommender Vorschlag, eine „Deutschlandrente“ ins Leben zu rufen.

Die Weirich-Kolumne

Professor Dieter Weirich: „Auch wenn der Vorschlag der Deutschlandrente bis 2017 nicht verwirklicht wird, so sollte man die Initiative aus Hessen ernst nehmen und als eine Richtungsanzeige für die Rentenpolitik einer eventuellen künftigen schwarz-grünen Verbindung auf Bundesebene sehen.”

Das erstaunlich gut harmonierende Bündnis der Ökopartei mit der als konservativ geltenden Hessen-Union profiliert sich damit erstmals auch auf dem bundespolitischen Parkett. Die wachsende Gefahr von Altersarmut und die abnehmende Attraktivität bestehender Produkte wie der Riester- oder auch Rürup-Rente veranlasste das Trio aus dem Kabinett Bouffier, eine neue kapitalgedeckte Deutschlandrente als Ergänzung zur privaten und betrieblichen Vorsorge anzuregen.

Im Mittelpunkt steht ein neues, gesetzlich geregeltes Standardprodukt

Im Mittelpunkt steht ein neues, gesetzlich geregeltes Standardprodukt. Arbeitnehmer sollen neben der gesetzlichen Rente künftig automatisch eine ergänzende Vorsorge aufbauen. So soll der Arbeitgeber im Normalfall direkt Beiträge an einen „Deutschlandfonds“ überweisen, in den nach gesetzlich definierten Anlagekriterien das für Millionen von Arbeitnehmern angesammelte Vorsorgekapital verwaltet wird. Nur Arbeitnehmer, die ausdrücklich beantragen, nicht mit von der Partie sein zu wollen, könnten aussteigen (Opt out).

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Der Fonds könnte dann von der gesetzlichen Rentenversicherung zum Selbstkostenpreis verwaltet werden. Schon bei der Etablierung der Riester-Rente gab es freilich diese Diskussion. Die gesetzliche Rentenversicherung forderte damals zunächst, das Management der neuen Anlageform zu übernehmen, um später unter Hinweis auf ihre Überforderung abzuwinken. Der damalige Arbeitsminister hätte nichts dagegen gehabt. Ein Grund für die immer mehr schwindende Anziehungskraft der Riester-Rente sehen allerdings viele Betrachter in der bisweilen schwer überschaubaren und oft nicht einfach genug erklärten Vielfalt der Riester-Produkte, die mit hohen Vertriebskosten verbunden seien.

„Vaterländisch und teuer“

Mit dem anspruchsvollen Titel Deutschlandrente haben die Verfasser semantische Offensivkraft bewiesen. Zwar gibt es den Begriff längst für ein Rentenprodukt, das – so die Werbung – den Vorsorgegedanken mit einem Bonusprogramm verknüpft. Mit einem frei wählbaren Betrag ab mindestens 30 Euro kann man an einem Bonusprogramm mit über 380 Partnern teilnehmen und bei jedem Einkauf so über die Online-Shopwelt zusätzlich seine Rente verbessern. Wen kümmern aber so kleingestrickte urheberrechtliche Bedenken der Namensgebung, wenn es um weitschauende Lösungsmodelle für ein sorgenfreies Leben im Alter geht.

Roland Tichy, Präsident der Ludwig-Erhard-Stiftung und stets streitbarer Publizist, klingt der Titel zu „vaterländisch und da wird’s in der Regel sehr teuer“, so der XING-Herausgeber. Er sieht in dem neuen Modell nichts anderes als eine auf „dem Lohnzettel versteckte Zwangsrente“ und fragt, warum eine neue Rente funktionieren soll, „wenn schon Riester und Rürup verbockt“ wurden. Andere Kritiker sehen schwarz-grünen Paternalismus am Werke.Arbeitnehmer sollten mit sanftem Zwang zu ihrem staatlich verordneten Glück gezwungen werden.

Seite zwei: Glückliches Norwegen

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