Versicherer: „Der Druck wächst mit jeder guten Insurtech-Idee“

Droht der Versicherungsbranche ein „Uber- oder Airbnb-Szenario“? Derartige disruptive Veränderungen durch Insurtechs sollte man für die Zukunft nicht leichtfertig ausschließen, sagt Oliver-Wyman-Partner Markus Zimmermann im zweiten Teil des Interviews mit Cash. Zudem äußert er sich zu den Aussichten der Versicherer auf ein neues „Geschenk“ durch die Rentenpolitiker.

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„‚Disruptiv‘ bedeutet für mich, bisherige Verkaufs- oder Operationsprozesse grundsätzlich anders zu machen. Insofern sind einige Insurtechs heute sicher als disruptiv einzustufen.“

Eine These in Ihrer aktuellen Studie besagt, dass sich den Kunden aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung „ganz neue Interaktionsmöglichkeiten, flexiblere Produkte sowie mehr Service und Transparenz“ eröffnen. Werden die Versicherer den digitalen Wandel aus eigener Kraft bewerkstelligen oder auf das Know-how von Insurtechs angewiesen sein?

Zimmermann: Da sind zwei Ansätze zu beobachten: Zum einen werden Versicherer selbst innovative Lösungen entwickeln und alle Register zur digitalen Interaktion und Servicierung des Kunden im Sinne „erlebter Sicherheit“ ziehen. Hierzu gibt es in vielen Versicherungsunternehmen bereits Innovationsteams oder Future Labs, die mit großer unternehmerischer Freiheit an neuen Lösungen arbeiten. Zum anderen wird es immer wieder neue Geschäftsmodelle oder Interaktionsformate geben, die von externen Playern wie Start-ups, Insurtechs oder Kundenplattformen lanciert werden. Versicherer sollten sich bei attraktiven Anbietern auf geeignete Kooperationsmodelle einlassen – wobei über die Zeit die Frage zu beantworten ist, ob man den Anbieter kaufen möchte oder die Grundzüge des Geschäftsmodells auch selbst aufbauen kann.

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Das Geschäftsmodell von Insurtechs wird häufig als „disruptiv“ beschrieben. Teilen Sie diese Sicht?

„Disruptiv“ bedeutet für mich, bisherige Verkaufs- oder Operationsprozesse grundsätzlich anders zu machen. Insofern sind einige Insurtechs heute sicher als disruptiv einzustufen. Dies gilt sowohl für die Neudefinition der Kundenschnittstelle und teilweise die Aufgabe der strategischen Kontrolle über den Kunden als auch für technische Innovationen oder völlig neue Formen der Servicierung. Der Druck auf die Versicherer, selbst in diese Richtung zu investieren, wächst mit jeder guten Insurtech-Idee. Andererseits zeichnen sich aus den bisherigen Insurtechs aus unserer Sicht noch keine disruptiven Veränderungen für die Branche insgesamt ab. Wenn man sich Beispiele aus anderen Industrien wie Uber oder Airbnb anschaut, gab es dort durchaus radikale Effekte für die Taxibranche oder Hotellerie. Derartige disruptive Veränderungen durch Insurtechs sind zwar derzeit nicht auszumachen, zugleich aber kann man sie für die Zukunft nicht leichtfertig ausschließen.

Seite zwei: Zimmermann über die „Zeidler-These“ und mögliche „Wahl-Geschenke“ der Politik

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