MS-Erkrankter erhält keine BU: Urteil überzeugt nicht

Das LG Heidelberg entschied, dass eine BU nicht zahlen muss, wenn der Versicherungsnehmer eine MS-Erkrankung verschwiegen hat, ohne dass die Versicherung danach gefragt hat. Die Versicherung hatte in dem Versicherungsantrag zwar nicht explizit nach einer MS-Erkrankung gefragt, doch sei es für den Kläger – nach Ansicht des LG Heidelberg – offensichtlich gewesen, dass durch seine Krankheit eine Berufsunfähigkeit eintreten würde.

Das Gericht ließ dabei sogar offen, ob eine arglistige Täuschung darin liegt, dass der Kläger durch Ankreuzen der vorgedruckten Erklärung zu seinem Gesundheitszustand in dem Versicherungsantrag die Angabe machte, dass er bei Antragstellung fähig gewesen sei, in vollem Umfang seiner Berufstätigkeit nachzugehen. Die erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sei jedenfalls deswegen begründet, weil der Kläger arglistig gefahrerhebliche Umstände, zu deren Offenbarung er nach Treu und Glauben verpflichtet war, verschwiegen hat.

Auswirkungen für die Praxis

Das Urteil überzeugt nicht, denn das Gericht nimmt an, dass dem Versicherungsnehmer bereits 2002 bekannt gewesen sei, dass er berufsunfähig sei oder auf jeden Fall werden würde. Das Gericht spricht jedoch selbst von einer Krankheit „mit in der Regel fortschreitendem Verlauf“, nicht von einem definitiv fortschreitenden Verlauf.

Vorliegend stand auch noch fest, dass der Kläger – zum Zeitpunkt der Beantragung der Berufsunfähigkeitsversicherung – normal gearbeitet hatte.

Gerade Versicherer vertreten in BU-Leistungsfällen die Argumentation, es handele sich bei MS um eine Schubkrankheit, so dass nie feststehen könne, ob die Schübe die Arbeitskraft überhaupt in einem bedingungsgemäßen Maße beeinträchtigen können. Mit dieser Ansicht lehnen Versicherer oft Leistungen ab.

Das Gericht nimmt vorliegend eine spontane Anzeigepflicht für einen Umstand an, für welchen dem Versicherungsnehmer nicht einmal annähernd Umstände vorlagen, die auf eine Berufsunfähigkeit deuteten. Zumindest in diesem vorliegenden Einzelfall hätte eine andere gerichtliche Wertung mehr überzeugt. Mithin wird dieses Urteil angezweifelt.

Die Kanzlei Jöhnke & Reichow wird zu dem Bereich Berufsunfähigkeit auf dem Vermittlerkongress am 22. Februar 2017 in Hamburg informieren.

Der Autor Björn Thorben M. Jöhnke ist Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB.

Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

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