Managerhaftpflicht: Vor großen Herausforderungen

Foto: Hiscox
Mario Hartmann, Unterwriting Manager Professional Indemnity and D&O bei Hiscox Deutschland

Die Managerhaftpflichtversicherung, auch D&O genannt (Directors and Officers Liability Insurance) wird aktuell viel diskutiert. Ihre Komplexität, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie ebenso wie die Zunahme von Cyber-Risiken stellen Versicherungsnehmer, Vertrieb und Versicherer vor große Herausforderungen. Eine Beitrag von Mario Hartmann, Hiscox Deutschland.

Als spezielle Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung schützt die D&O insbesondere Führungskräfte mit sogenannter Organstellung. Dazu zählen Mitglieder des Vorstands oder der Geschäftsführung und Mitglieder von Kontrollorganen, wie Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglieder.

Anders als bei Arbeitnehmern haften beispielsweise Geschäftsführer einer GmbH unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen, wenn sie schuldhaft und kausal einen Vermögenschaden verursachen. Hier schafft eine D&O-Versicherung Abhilfe.

Denn neben Ansprüchen Dritter deckt sie auch sogenannte Innenansprüche von Gesellschaften bzw. Gesellschaftern gegen versicherte Personen ab. Diese machen einen Großteil der regulierten Schäden aus.

D&O in zwei Ausprägungen

Die Versicherung existiert in zwei Ausprägungen: Die klassische Managerhaftpflicht ist eine sogenannte Unternehmens-D&O, bei der das Unternehmen Versicherungsnehmer und die versicherten Personen Begünstigte der Deckung sind.

Neben Unternehmen in der Rechtsform der AG oder GmbH bietet sich diese Form auch für Vereine, Verbände und Stiftungen zum Schutz ihrer Organe an. Alternativ können Manager einen persönlichen D&O-Schutz abschließen, bei dem sie selbst Versicherungsnehmer sind.

Vorstände und Geschäftsführer sind hohen Haftungsrisiken ausgesetzt. Per Gesetz vertreten sie die Unternehmen und tragen die Gesamtverantwortung dafür, dass dort sämtliche anwendbaren Gesetze eingehalten werden (Compliance-Pflichten) sowie effiziente, reibungslose und gewinnorientierte Betriebsabläufe sichergestellt sind.

Besteht das Organ oder Gremium aus mehreren Mitgliedern, wird auch bei einem Fehlverhalten anderer Mitglieder gesamtschuldnerisch gehaftet. Eine Ressortzuständigkeit ist nur unter komplexen Voraussetzungen haftungsminimierend.

Auch Überwachungs- und Informationspflichten bleiben unabhängig davon bestehen. Erschwerend kommt hinzu, dass für die genannten Führungskräfte im Schadenfall eine Beweislastumkehr gilt: Das Unternehmen kann sich auf die Behauptung einer Pflichtverletzung beschränken, die Führungskraft muss dann ihrerseits einen Entlastungsbeweis führen und haftet zudem bereits für einfache Fahrlässigkeit.

Folgende Trends erhöhen das Haftungspotenzial von Organmitgliedern enorm: Die Globalisierung von Business und Regularien, die Knappheit von Ressouren sowie ein steigender Kostendruck, eine stetige Zunahme von branchenspezifischen Regeln oder einzuhaltenden Gesetzen wie der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und eine sich verschärfende Rechtssprechung. Hinzu kommt, dass Gesellschafter immer stärker geneigt sind, im Zweifelsfall zu klagen.

„Vorstand und Geschäftsleitung müssen frühzeitig Risiken erkennen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden könnten“

Als Verantwortliche für das Risikomanagement sind Vorstand und Geschäftsleitung gesetzlich dazu verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen und ein Überwachungssystem einzurichten. So gewährleisten sie, dass den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen, wie IT-Sicherheitslücken, früh erkannt werden.

IT-Sicherheit ist folglich Chefsache und Inanspruchnahmen von Managern bei cyberbedingten Schäden und/oder Gesetzesverstößen sind wahrscheinlich. Cyber-Versicherungen helfen, Restrisiken zu minimieren und auf Risikoträger zu transferieren.

Sie setzen bestenfalls bereits bei der gemeinsamen Risikoanalyse an, unterstützen präventiv mit Assistance-Leistungen und im Ernstfall zusätzlich zur Schadenbearbeitung mit erfahrenen IT-Forensikern bei der Schadenminimierung. D&O- und Cyberversicherung sind also keine Alternativen, sondern ergänzen einander.

D&O- und Cyberversicherungen ergänzen einander

Als „Vorsorge-Krisen-Allrounder“ müssen sich Geschäftsführer aber auch im Zusammenhang mit Covid-19 etwa folgende haftungsrelevanten Fragen stellen: Werden alle gesetzlichen Vorgaben auch eingehalten? Ist das Unternehmen auch wirklich auf alle erdenklichen Szenarien vorbereitet. Stichwort: Business Continuity?

Hat sich die Firma einen ausreichenden Liquiditätspuffer geschaffen, um im Falle einer Betriebsunterbrechung nicht in die Insolvenz zu rutschen? Wurden Förderungen beantragt?

Wirft die Pandemie nicht geplante Projekte über den Haufen und müssen geplante Investitionen mit Blick auf die aktuelle wirtschaftliche Situation gegebenenfalls angepasst werden?

Und zu guter Letzt: Wie sind das Arbeiten aus dem Homeoffice und der „New Normal Re-Start“ organisiert – Stichworte sind hier das Equipment, die Technik, der Datenschutz, die Geheimhaltung oder die IT-Sicherheit?

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die globale Rezession stellen viele Unternehmen vor große wirtschaftliche Herausforderungen und Experten warnen vor einer großen Insolvenzwelle.

Manager sind in der Pflicht, Überschuldung und fehlende Liquidität, also Insolvenzen zu verhindern. Sie haften einerseits, wenn ein Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt wird und andererseits auch für Zahlungen, die nach Insolvenzreife getätigt werden. Die Folge: Bei einer Insolvenz werden Geschäftsführer und Vorstände oft mit hohen Forderungen von Insolvenzverwaltern konfrontiert.

Insolvenzantragspflicht ausgesetzt

Die Bunderegierung hat die Insolvenzantragspflicht aufgrund der Corona-Pandemie bis zum Jahresende ausgesetzt, jedoch nur unter bestimmten Bedingungen: zum Beispiel müssen Überschuldung und / oder Zahlungsunfähigkeit coronabedingt entstanden sein und es muss eine nachvollziehbare Möglichkeit bestehen, wieder zahlungsfähig zu werden.

Seit 1. Oktober 2020 entfällt die Insolvenzanmeldungs-Pflicht nur noch für überschuldete, nicht mehr für zahlungsunfähige Firmen. Durch diese Änderung und die Aussetzung der Antragspflicht werden nun vermehrt Insolvenzanmeldungen und damit auch mehr Inanspruchnahmen von Geschäftsführern und Vorständen erwartet.

D&O-Produkte werden in Deutschland seit mehr als 30 Jahren angeboten. Aufgrund der stabilen Wirtschaftslage und zahlreicher Forderungen von Versicherungsnehmern wie Maklern wurden D&O-Policen innerhalb der letzten zehn Jahre kontinuierlich ausgebaut und Deckungen gleichzeitig günstiger. Die D&O befand sich in einem sogenannten weichen Markt.

Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat für 32 Mitgliedsunternehmen, die sich an der Statistik beteiligt haben, für 2019 eine Schadenquote von 85,3 Prozent erhoben. S

ie spiegelt insgesamt eine unprofitable Entwicklung wider, da sämtliche schadenunabhängigen Kosten (z.B. Personalkosten und Maklercourtagen) noch hinzu addiert werden müssen. Schon vor Beginn der Corona-Pandemie waren für viele Versicherer Maßnahmen zur Sicherung der Profitabilität notwendig. Durch die aktuelle Wirtschaftslage und auch durch Fälle wie bei Wirecard hat sich das massiv verstärkt.

Vertragsverlängerungen geht meist ein verstärktes Re-Underwriting, also eine Risikoanalyse, voraus

D&O-Versicherer müssen nun verstärkt Portfoliomanagement betreiben und folgende Aspekte besonders berücksichtigen: Welche Versicherungssummen passen zur Unternehmensstrategie? Welcher Versicherungsschutz wird welchen Branchen, mit Blick auf die Erfahrungen der Corona-Pandemie, angeboten? Welche Prämien sind risikoadäquat, um dauerhaft ein verlässlicher Partner für Versicherungsnehmer und Vertriebspartner sein zu können?

Vertragsverlängerungen geht aktuell meist ein verstärktes Re-Underwriting, also eine Risikoanalyse in Bezug auf Branchen und die jeweilige finanzielle Lage der versicherten Unternehmen voraus. Bei vielen Versicherern gehen diese Analysen laut uns vorliegenden Maklerinformationen mit restriktiven Verlängerungsangeboten einher: Kapazitäten werden demnach verringert, Prämien erhöht und der Deckungsumfang oft mittels (Insolvenz-)Ausschlüssen gesenkt. Signale eines harten Marktes sind deutlich zu erkennen.

„Versicherer stehen vor der Herausforderung, geeignete Maßnahmen zu treffen und diese fair und transparent zu kommunizieren“

Versicherer stehen also vor der Herausforderung, geeignete Maßnahmen zu treffen und diese fair und transparent zu kommunizieren. Dies betrifft gleichermaßen die Zeichnung von Neugeschäft und Vertragsverlängerungen.

D&O-Abschlüsse sollten dabei über (elektronische) Anträge weiterhin innerhalb des Risikoappetits schlank und einfach möglich sein. Außerdem gewinnen zusätzliche Angebote, wie eine Business Academy, die Führungskräften und Vertriebspartnern nützliches Wissen vermittelt, immer mehr an Bedeutung.

Vermittler benötigen Expertise

Vermittler benötigen viel Expertise und einen guten Marktüberblick und haben zudem einen erhöhten Beratungsaufwand, um die „geänderte Welt“ gegenüber Versicherungsnehmern umfassend zu erläutern.

Versicherungsnehmer müssen in vielen Fällen mehr Risikoinformationen als bisher übermitteln. Je nach Branche und individueller Risikosituation kann es sich als zeitaufwendig und schwierig erweisen, den optimalen Versicherungsschutz – etwa ohne Insolvenzausschluss – zu erhalten.

Auch wenn die Komplexität für D&O-Versicherungen deutlich gestiegen ist, gilt auch hier, wie für jede erfolgreiche Partnerschaft: Wenn die Interessenlagen aller Beteiligten berücksichtigt werden, lässt sich immer eine gute Lösung finden.

Der Autor Mario Hartmann ist Underwriting Manager Professional Indemnity and D&O, Hiscox Deutschland

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