Altersvorsorge: Alternative Chancen nutzen

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Sicherheit, Sicherheit und Sicherheit – das ist nach wie vor das Credo eines Großteils der Deutschen, wenn es um ihre Altersvorsorge geht. Angesichts einer sterbenden Zinswelt müssen jedoch neue Wege beschritten werden, um den Lebensabend adäquat finanziell abzusichern.

Die Lebensversicherungsbranche hat seit dem Jahr 2000 schon so einiges hinter sich. Mehrere Börsencrashs, Finanzkrisen. Und nicht zuletzt eine nach wie vor andauernde Null- bis Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank machen den deutschen Versicherern das Leben schwer. Auch die Corona-Pandemie hat den Druck im Kessel zumindest nicht entweichen lassen. Und jetzt noch das.

Eine weitere Absenkung des Garantiezinses zum 1. Januar 2022. Lag die durchschnittliche Gesamtverzinsung der Lebensversicherer in Deutschland im Jahr 2000 noch bei 7,15 Prozent, beträgt sie 2021 2,13 Prozent. Im gleichen Zeitraum schmolz der Höchstrechnungszins von vier Prozent auf 3,25, auf 2,75, auf 2,25, auf 1,75, auf 1,25, auf aktuell noch 0,9 Prozent. Mit dem 1. Januar 2022 dürfen die Lebensversicherer maximal noch einen Zins von 0,25 Prozent einkalkulieren.

Eine Marktanalyse der Kölner Rating-Agentur Assekurata vom Jahresbeginn 2021 zeigt, dass von 47 untersuchten Lebensversicherern nur noch 16 private Rentenversicherungsverträge mit dem maximal möglichen Garantiezins von 0,9 Prozent anbieten würden. Die 31 anderen Gesellschaften haben sich dagegen davon verabschiedet und bieten Verzinsungen zwischen 0,5 und 0,25 Prozent an. Oder eben gar nichts. Zum Vergleich: 2018 waren es noch 30 Gesellschaften, die ein Neugeschäft mit klassischen privaten Renten zeichneten.

„Der künftige Garantiezins von 0,25 Prozent ist ein klares Signal und macht deutlich, dass bestimmte Produktwelten zukünftig nicht mehr darstellbar sind. Es würde mich wundern, wenn wir künftig noch mit größeren Garantien oder Beitragsgarantien arbeiten können“, sagt Markus Freiherr von Rotberg, Vertriebsdirektor Süd bei Swiss Life Deutschland.

Durch die Garantiezinssenkung zum 1. Januar 2022 wird die Darstellung einer 100-Prozent-Beitragsgarantie in der privaten Altersvorsorge tatsächlich mehr oder weniger unmöglich. Längst fordern auch die Versicherungsmathematiker eine Abkehr von der Bruttobeitragsgarantie in der betrieblichen Altersvorsorge und bei der Riester-Rente.

Speziell die Riester-Rente hat offensichtlich keine Zukunft mehr. Obwohl die Noch-Bundesregierung in ihrem damaligen Koalitionspapier den Reformwillen bekundet hatte, ist in den letzten vier Jahren nichts passiert. Im Gegenteil: Die Politik hat dieses geförderte Vorsorgeinstrument insgeheim zum Auslaufmodell erklärt. „Was sollen die rund 16 Millionen Besitzer von Riester-Verträgen davon halten, wenn sie jetzt von Politikern hören, dass die Riester-Rente durch ein neues Produkt ersetzt werden müsse?“, fragt DIA-Sprecher Klaus Morgenstern. „Damit stellen die Parteien nun jene Vorsorge in Frage, für die sie Jahre lang selbst geworben haben.“

Der ohne Zweifel nötige Umbau der Riester-Rente wäre möglich gewesen. Dazu lagen schon seit vielen Monaten Vorschläge auf dem Tisch. Allein wegen ihrer Unfähigkeit, sich auf eine Reform der staatlich geförderten Altersvorsorge zu verständigen, gefährdet die Große Koalition die Riester-Rente nun ernsthaft. „Anbieter ziehen sich gezwungenermaßen aus dem Neugeschäft zurück, weil unter den gegebenen staatlichen Regulierungen kaum noch ein vertretbares Angebot im Sinne der Kunden unterbreitet werden kann“, fügt DIA-Sprecher Morgenstern hinzu. Zusätzlich zerstört die politische Diskussion über einen kompletten Neustart das Vertrauen unter jenen, die seit Jahren in die Riester-Rente einzahlen.

„Ein Altersvorsorgesystem, bei dem Sparphase und Rentenzeit zusammen oft mehr als ein halbes Jahrhundert ausmachen, darf man nicht schon nach 20 Jahren wieder schließen“, so Morgenstern. Das jetzt von vielen Politikern favorisierte kostengünstige Standardmodell wäre ebenso unter dem Dach der Riester-Rente umsetzbar gewesen. Auch dafür gab es einen Vorschlag seitens der Finanzwirtschaft. Zu seiner Umsetzung kam es nur deshalb nicht, weil sich die Regierungsparteien weigerten, darüber zu verhandeln. Was eine vermutlich neue Regierungskoalition nach den Bundestagswahlen am 26. September in Sachen Altersvorsorge ausheckt, ist zunächst reine Spekulation.

Fakt ist indes, dass kapitalmarktorientierte Produkte für die Deutschen alternativlos sind, wenn sie den Lebensabend finanziell absichern wollen. Doch beim Geld zählt für die Deutschen nach wie vor eines, Sicherheit. Das zeigt eine Kantar-Umfrage für die Postbank. 91 Prozent wollen sicher anlegen. Der Rendite messen knapp 71 Prozent Bedeutung bei. Bemerkenswert sind die Gewinnerwartungen: 32 Prozent rechnen mit einem Plus von über neun Prozent im Jahr. Bei den unter 30-jährigen sind es sogar 57 Prozent. Gerade ein Viertel der Sparer legt aktuell Geld in Aktien oder Fondsanteilen an.

Und dennoch, der lange beschworene Durchbruch für die fondsgebundene Versicherung dürfte jetzt immer näher rücken. Das zeigt zumindest der Trend für Fondspolicen im ersten Quartal 2021, der eindeutig nach oben weist. Laut GDV gab es einen Zuwachs von knapp 40 Prozent. „Die Statistiken belegen endlich einen sehr guten Trend im Gesamtmarkt für Fondspolicen. Es hat viel zu lange gedauert, bis das auf breiterer Basis passiert, freut sich Christian Nuschele, Head of Sales & Marketing Germany & Austria bei Standard Life.

Blickt man auf die Entwicklung der letzten Jahre, ist der Anteil der Fondspolice am Lebensversicherungsgeschäft in der Tat noch ausbaufähig. In 2020 lag der Anteil an allen Sparten bei nur zehn Prozent. Führend, mit insgesamt fast 70 Prozent, waren Produkte aus den Segmenten Traditionelle und Neue Klassik.

Bleibt die Frage, wie sich die Deutschen motivieren lassen, mehr für ihre Altersvorsorge und das möglichst mit viel Börsen-Power zu tun. Offensichtlich ist für viele das Thema Rente zwar wichtig, aber zu komplex. Nur jeder Dritte kommt mit der Vielzahl an Informationen zur privaten Altersvorsorge gut zurecht. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Kantar im Auftrag der Deutschen Vermögensberatung (DVAG). Dabei herrscht die Angst vor einer Rentenlücke über alle Einkommensklassen hinweg. Ob Brutto-Haushaltsjahreseinkommen von 30.000 bis 40.000 oder 50.000 bis 60.000 Euro. Über die Hälfte der Befragten ihrer Einkommensklasse (jeweils 55 Prozent) gaben an, im Alter finanzielle Einbußen zu befürchten. Wie hoch diese aber genau ausfallen, ist oft unbekannt.

„Nur wer seine Rentenlücke kennt, kann passgenau vorsorgen. Ich bin davon überzeugt, dass wir hier mit digitalen Lösungen einen großen Schritt vorankommen – das gilt sowohl für die kommende digitale Rentenübersicht als auch innovative, digitale Versicherungsangebote bei der Altersvorsorge“, so der GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Digitale Lösungen allein werden es vermutlich nicht schaffen, die Altersvorsogeproblematik in den Griff zu bekommen. Vielmehr ist ein Mix aus unterschiedlichen Instrumenten vonnöten. Transparenz, eine kompetente Beratung, die zeigt, wie erfolgreich man mit Fondspolicen – mit oder ohne Garantie – vorsorgen kann und das künftige Megathema Nachhaltigkeit sollten in der Lage sein, einen Paradigmenwechsel in der Altersvorsorge einzuleiten.

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