Interview mit Ergo Vetriebs-Vorstand Olaf Bläser: „Im Neugeschäft ein sattes Stück vom Marktanteil zurückgeholt“

Foto: Ergo
Olaf Bläser, Vertriebvorstand von Ergo Deutschland

Ergo Deutschland blickt auf ein extrem gutes Geschäftsjahr zurück. Ein Gespräch mit Olaf Bläser, Vorstands- vorsitzender der Ergo Beratung und Vertrieb AG, über die Gründe für den Erfolg, über einen Frauenanteil im Vertrieb von 50 Prozent und die neuen Chancen in der Gewerbeversicherung.

Die Bilanz der Ergo für das Jahr 2021 war hervorragend. Wie zufrieden sind Sie als Vertriebsvorstand mit dem Ergebnis?
Bläser: Ich bin extrem zufrieden. Wir hatten ein schönes Wachstum von 13,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und wenn man die Begleiterscheinungen – Corona, Lockdown, Pandemie und die Flutkatastroph mitbedenkt – dann sind diese 13,8 Prozent herausragend. Was wir uns vorgenommen hatten, haben wir übertroffen. Was die Organisation geleistet hat, macht mich glücklich.

In der Ergo Lebensversicherung konnte das Neugeschäft sehr deutlich zulegen. Wie erklärt sich der Anstieg im Lebensegement?
Bläser: Wir hatten unsere gesamte Produktlandschaft komplett renoviert. Und darauf Wert gelegt, dass die Produkte extrem gut positioniert sind, extrem gute Ratings bekommen. Das ist uns gelungen. Zudem haben wir gleichzeitig auf der Prozessseite investiert. Beratungsprozesse müssen möglichst transparent für den Kunden sein und für den Vermittler einfach zu erklären. Und der nächste Baustein, war, dass wir sehr tief in die Qualifizierung unserer Vermittler einsteigen mussten. Das haben wir zwei Jahre lang intensiv gemacht. Die Kombination hieraus führt eben dazu, dass wir ein deutliches Wachstum in dem Produktsegment verbuchen konnten.

Ihr Vorstandskollege Dr. Dr. Michael Fauser sprach im Interview mit unserem Magazin im Juni vergangenen Jahres davon, sich im Leben-Neugeschäft die Marktanteile zurückzuholen. Ist das gelungen?
Bläser: Eindeutig ja. Dadurch, dass der Markt nur um zwei Prozent zulegen und wir überproportional um 40 Prozent wachsen konnten, haben wir uns im Neugeschäft ein sattes Stück Marktanteile zurückgeholt. Was sehr schön ist, ist, dass wir auch einen Zugang im Einmalbeitragsgeschäft verbuchen konnten. Hier hat der Kunde die Option, entweder den Einmalbeitrag innerhalb des Lebenmantels anzulegen oder in einer Fondsanlage. Über den Weg haben wir auch im Fondsbereich einen Zuwachs von 28 Prozent verbuchen können.

Laut Geschäftsbericht ist die Zahl ihrer Vermittler im vergangenen Jahr gestiegen. Was sind die Gründe?
Bläser: Wir hatten im Vertrieb ein Plus von 4,2 Prozent. Das ist eine sehr gute Entwicklung und deutlich besser als der Markt. Inzwischen sind wir damit wieder bei knapp 8.000 Vermittlern angekommen. Wir als Ergo haben parallel zur Initiative des GDV ebenfalls eine Nachwuchsinitiative gestartet; und zudem unseren Regionaldirektionen Rekrutierungstools zu Verfügung gestellt. Und ich stelle fest, dass unser Modell „Hybrider Kunde“ bei vielen jüngeren aber auch bei älteren Vermittlerinnen und Vermittlern Anklang findet. Wir sind beim Durchschnittsalter eine ganze Ecke jünger als der Altersdurchschnitt der BVK-Studie. Der liegt ja bei etwa 53 Jahren. Mittlerweile erhalten wir immer mehr Bewerbungen von Frauen. Und in diesem Jahr will ich mindestens 30 Prozent Vertriebspartnerinnen einstellen. Mittelfristig soll die Quote auf 50 Prozent steigen.

50 Prozent Frauenanteil im Vertrieb klingt ambitioniert. Wie realistisch ist es, die Quote zu erreichen?
Bläser: Es funktioniert. Man muss sich aber genau damit beschäftigen. Wir haben uns angeschaut, wie wir rekrutieren? Mit welchen Bildern arbeiten wir? Mit welcher Sprache rekrutieren wir? Und da waren bisher sehr männlich geprägt. Insofern haben wir das Narrativ korrigiert. Zudem haben wir die Ausbildung komplett digitalisiert. Damit lassen sich Beruf und Familie in Einklang bringen. Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass viele Frauen nach der Familienphase gerne wieder einsteigen möchten. Insofern haben wir die Prozesse dafür aufgebaut und die Grundlagen in der Aus- und Weiterbildung geschaffen. Und nun möchten wir auf der Rekrutierungsseite in diesem Jahr die Erfolge haben. Ich sehe, dass viele andere Vertriebe das vernachlässigen. Aktuell haben wir einen Anteil von rund 20 Prozent Frauen im Vertrieb. Da sind wir besser als der Markt.

Mit Blick auf den Vertrieb vor der Pandemie und den Ist-Zustand – was waren für Sie die bedeutendsten Veränderungen?
Bläser: Dass die digitale Beratung in der Bevölkerung Akzeptanz gefunden hat. Der zweite Punkt ist, dass man dem Kunden heute alle Kontaktmöglichkeiten bieten muss. Nur digitale Zugangsmöglichkeiten zu bieten, wird nicht mehr akzeptiert. Ebenso wie die Option, nur in die Agentur kommen zu können. Man muss die ganze Bandbreite bieten. Gott sei Dank hatten wir schon einige Jahre vor der Pandemie das Geschäftsmodell „Hybrider Kunde“ ausgerollt. Das war goldrichtig, dem Kunden den Kontaktweg zu öffnen, den er gerne haben möchte. Denn jeder mag einfache, schnelle Prozesse. Wir haben einen größeren digitalen Anteil. Aber rund 70 Prozent sind noch normales, persönliches Geschäft.

Anfang April hatte der Bund der Versicherten die Ergo Kinderpolice als „Versicherungskäse des Jahres“ ausgezeichnet. Können Sie die Kritik nachvollziehen? Und erwarten Sie, dass die Auszeichnung auch Folgen für den Vertrieb hat?
Bläser: Nachvollziehen? Ich finde es gut, frühzeitig auf die Kunden zuzugehen, damit sie etwas für die Kinder oder Enkel tun, um früh in den Ansparvorgang und die Kapitalbildung einzusteigen. Das ist positiv. Hinzu kommt, dass das Produkt flexibel ist. Entnahmen, Zuzahlungen, alles ist möglich; das Produkt reagiert auf sich ändernde Lebensumstände. Hinzu kommt: Bei der Auszahlung gibt es eine Steuerfreiheit. Und dass sich auch die Langlebigkeit absichern lässt, ist ebenfalls positiv. Und dass man das als Versicherungskäse des Jahres auszeichnet, verstehe ich nicht. Der BdV rechnet bei dem Produkt mit einer Null-Prozent-Rendite. Und selbst wenn ich nur drei Prozent Rendite veranschlage, kommt immer noch das 15fache dessen heraus, was der BdV berechnet hat. Das kann man so machen, ist aber realitätsfern. Dass es Folgen hat, glaube ich eher nicht.

Stichwort Gewerbeversicherung. Das Thema gewinnt in der Branche an Fahrt. Wie positioniert sich Ergo in dieser Sparte?
Bläser: Das ist das nächste Feld, das wir uns als Unternehmen vorgenommen haben. Mit der Zielgruppe kleine und mittelständische Unternehmen. Denn dort haben wir einen sehr breiten Zugang zu Kunden. Wir wachsen derzeit im Industriesegment sehr stark. Und da sehr stark über den Maklerkanal. In der AO haben wir ein Wachstum, knapp zehn Prozent plus gegenüber dem Vorjahr. Aber wir wollen in der Gewer-beversicherung schneller wachsen und folgen hier der gleichen Logik wie im Lebensbereich. Heißt: Wir schauen uns die Produktlandschaft an. Dabei haben wir festgestellt, dass die Produkt teilweise komplex und für den Kunden schwer zu verstehen sind. Und damit auch in der Erklärung für den Vermittler schwierig. Insofern bauen wir hier die Produkte neu auf. Und vereinfachen die Prozesse dahinter. Aktuell starten wir in die Qualifizierung der Vermittler.

Stichwort Naturgefahren: Hat die Naturkatastrophe im vergangenen Jahr zu einem Umdenken in der Elementarschadenabsicherung geführt?
Bläser: Was wir sehen, ist eine deutliche Sensibilisierung bei der Elementarschadenabsicherung in der Wohngebäudeversicherung. Im Moment bekommen wir über 70 Prozent aller Anträge mit Elementardeckung. Das Schwierige bei der Hausratversicherung ist die Frage, ob ein Haushalt im vierten Stock eines Mehrfamilienhauses wirklich eine Elementardeckung benötigt. Denn dort wird bei Starkregen die Betroffenheit geringer sein. Bei Einfamilienhäusern haben wir hingegen einen deutlichen Anteil von Elementareinschlüssen. Die Quoten gehen hier Richtung 65 Prozent, beim Hausrat. Mir ist wichtig, dass alle Vertriebspartner die Gespräche sauber dokumentieren. Wenn der Kunden sagt, er möchte keine Elementarschadenabsicherung gegen Naturgefahren, muss das in der Beratungsdokumentation vermerkt sein. Denn die Erfahrung aus der Unwettersituation des vergangenen Jahres zeigt, dass eine saubere Dokumentation Gold wert ist. Das gehört zu einem guten Beratungsgespräch.

Welche Folgen erwarten Sie durch den Ukraine-Krieg? Der GDV hat hier ja durchblicken lassen, dass er zumindest im Lebensegement mit einer Abschwächung rechnet.
Bläser: Das Wirtschaftswachstum wird in diesem Jahr wohl deutlich geringer ausfallen. Hinzu kommt die hohe Inflationsrate. Wir und unsere Mitbürger reagieren einerseits sehr sensibel auf das menschliche Leid. Andererseits haben wir steigende Preise bei Lebensmitteln, bei Energie. Dass die Menschen hier abwarten, das Geld zusammenhalten und zusätzliche Belastungen in der Haushaltsbilanz vermeiden wollen, ist verständlich. Ich gehe aber davon aus, dass es sich um einen zeitlichen Aspekt handelt. Das ist aber meine persönliche Einschätzung.

Das Interview führte Jörg Droste, Cash.

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