Map-Report – Solvabilität im Vergleich: Lebens- und Krankenversicherer „für Herausforderungen jeglicher Art gerüstet“

Foto: Neuhausen/Franke und Bornberg
Michael Franke, Geschäftsführer des Analysehauses Franke und Bornberg.

Die deutschen Versicherer haben Anfang April ihre aktuellen SFCR-Berichte vorgelegt. Die privaten Krankenversicherer hinterließen einen soliden Eindruck; und auch die Eigenkapitalausstattung der Lebensversicherer hat sich verbessert. Nur noch neun statt bisher 17 Anbieter erreichten ohne Übergangsmaßnahmen eine Bedeckungsquote von 100 Prozent nicht. Wie sich die Solvabilität in den vergangenen zehn Jahren entwickelt hat, zeigt der neue Map-Report.

Erneut wurden die Lebensversicherer und privaten Krankenversicherer einer Analyse der Solvabilitätsquoten nach dem Solvency-II-Regime unterzogen.

Quoten differenzieren

Doch Quote ist nicht gleich Quote, betont Map-Report Chefredakteur Reinhard Klages bei der Vorstellung der neuen Analyse. Anstelle einer Standardformel können Versicherer auch ein internes, gesellschaftsindividuelles Modell zur Berechnung der SCR-Quote anwenden. Zudem seien Übergangsmaßnahmen sowie Erleichterungen bei den Rückstellungen zulässig. Im Ergebnis können die aufsichtsrechtlich relevanten Solvency-II-Quoten einschließlich aller Übergangsmaßnahmen nicht direkt verglichen werden.

Je nachdem, wie die Quote ermittelt wurde, kann das Ergebnis um mehrere hundert Prozentpunkte abweichen. Der neue Map-report 924 trage den verschiedenen Berechnungsformeln Rechnung. So würden die Solvabilitätsquote sowohl mit Volatilitätsanpassung (VA) und Übergangsmaßnahmen (ÜM) als auch ohne jegliche Hilfsmaßnahmen abgebildet.

Solvenzquoten der Lebensversicherer

Nach den Berechnungen des neuen Map-Reports beläuft sich die aufsichtsrechtlich relevante SCR-Quote der LV-Branche – also anrechenbare Eigenmittel der Branche im Verhältnis zum SCR der Branche inklusive Übergangsmaßnahmen – auf 518,5 Prozent. Im Vergleich zum Jahresende 2020 (381,2 Prozent) ist die Kennzahl damit um rund 137 Prozentpunkte gestiegen. Nicht ganz unbeteiligt dürfte das gegenüber dem Jahr 2020 gestiegene Zinsniveau gewesen sein, das zu einer Reduzierung der Solvenzkapitalanforderungen geführt hat, schlussfolgert Klages.

In diesem Durchschnittswert nicht enthalten sind Lebensversicherer, die auf Übergangsmaßnahmen verzichten. Die Spannweite zwischen den einzelnen Anbietern ist laut Map-Report immer noch sehr breit. Den höchsten Wert verzeichnete die SV mit einer Quote von 1.125,5 Prozent. Und auch die Provinzial Rheinland (1.014,4 Prozent, LVM (1.005,1 Prozent) sowie R+V (1.002,2 Prozent) notierten über dem Zehnfachen der geforderten Bedeckung.

Größen von über 1.000 Prozent gab es im Vorjahr nicht, heißt es im Report. Die niedrigsten Quoten unter Berücksichtigung sämtlicher Übergangsmaßnahmen veröffentlichten die Bayerische (244,2 Prozent), der Runn-Off-Versicherer Athora (279,2 Prozent) und Hanse Merkur (283,4 Prozent). Im vergangenen Jahr lagen die geringsten Bedeckungsquoten noch deutlich unter 200 Prozent.

Auftrieb durch Übergangshilfen

Wie in den Vorjahren haben die Übergangshilfen den Solvenzquoten der Lebensversicherer deutlichen Auftrieb gegeben, maßgeblich beeinflusst durch die Wirkung der Übergangsmaßnahme bei den versicherungstechnischen Rückstellungen. Vielfach beträgt der Unterschied zwischen der Basisquote (ohne VA und/oder ÜM) und dem aufsichtsrechtlichen Nachweis mehr als 200 Prozentpunkte, nicht selten sogar weit über 300 bis hin zu knapp 800 Prozentpunkten.

Marktweit stiegen die Quoten nach Abzug der VA und ÜM ebenfalls deutlich. In der Berechnung ohne Maßnahmen sprang die Solvenzquote des Marktes von 203,9 Proeznt im Vorjahr um rund 62 Prozentpunkte auf 264,6 Prozent. Auch bei dieser Kennzahl zeigte sich eine enorme Streuung der Ergebnisse. Die höchste Quote hatte die Europa mit 785,7 Prozent (2020: 807,6 Prozent), gefolgt von der Dialog mit 698,9 Prozent (Vorjahr 811,6 Prozent). Die geringsten Werte verzeichneten die Frankfurt Münchener mit 8,9 Prozent und Landeslebenshilfe mit 19,6 Prozent. Negative Werte wie noch im Jahr 2019 gab es erneut nicht.

Neun Lebensversicherer erreichten zum 31. Dezember 2021 die Bedeckungsquote von 100 Prozent nicht. Zum Jahresultimo 2020 waren es noch 17 Gesellschaften, deren Bedeckung unter 100 Prozent lag. Bei der erstmaligen Berichterstattung nach Solvency II zum Jahresende 2016 waren es noch 21 Gesellschaften.

PKV mit anderen Voraussetzungen

Die privaten Krankenversicherer zeigten sich wie in der Lebensversicherung durchweg solvent, lautet eine wichtige Erkenntnis. Die Ergebnisse schwanken allerdings zwischen 954,7 Prozent (UKV) und 191 Prozent (Ergo). Die PKV sei dank anderer Spielregeln als in der Lebensversicherung gut gerüstet, betont der Report. Stichwort Beitragsanpassungen: Dadurch werde ein Großteil des Risikos von den Kundinnen und Kunden geschultert.

Insgesamt hat der Markt die SCR-Bedeckung ohne VA und ÜM von 477,2 Prozent in 2020 auf 500,3 Prozent in 2021 erhöht. Von Veränderungsraten wie in der Lebensversicherung ist die PKV aber weit entfernt. Ein sehr hoher Wert kann in der Krankenversicherung auch bedeuten, dass es für einen Anbieter gilt, eine schlechte Risikosituation innerhalb und zwischen den Tarifwerken zu kompensieren, glaubt Klages.

LV: 24 Gesellschaften konnten die Einnahmen nicht steigern

Neben den Bedeckungsquoten enthält die Auswertung auch Übersichten zu den verdienten Beitragseinnahmen gemäß der SFCR-Berichte. In der Lebensversicherung beliefen sich die verdienten Bruttobeiträge gemäß SFCR-Berichten im Jahr 2021 auf 98,31 Milliarden Euro (Vorjahr 98,65 Mrd. €). Ein Minus von 0,3 Prozent.

24 Gesellschaften gelang es nicht, die Beitragseinnahmen zu steigern. Zehn Anbieter lagen mit bis zu zwei Prozent knapp über dem Vorjahresniveau. Und 40 Versicherer bauten die Beitragseinnahmen zwischen plus drei und über 90 Prozent aus. In absoluten Zahlen legte die R+V bei den Beitragseinnahmen (1,08 Milliarden Euro) am stärksten zu. Mit deutlichem Abstand folgen auf den weiteren Plätzen die Hanse Merkur (613,9 Millionen Euro), Generali (424,1 Millionen Euro), SV Sachsen (235 Millionen Euro) und die SV mit 199,8 Millionen Euro. Den größten absoluten Rückgang musste Branchengigant Allianz mit einem Minus von 4,42 Milliarden Euro (-16 Prozent) verbuchen.

Beitragssteigerungen um 5,5 Prozent in der PKV

Laut Map-Report konnten die privaten Krankenversicherer 2021 ihre verdienten Bruttobeiträge um 5,5 Prozent auf 45,2 Milliarden Euro steigern. Dabei wirken auf di Beitragsentwicklung der PKV-Anbieter wirken mehrere Einflussfaktoren: Kündigungen, Neuabschlüssen und Tarifwechseln innerhalb der privaten Krankenversicherung, wirken sich ebenso aus, wie Übertritte zur und von der gesetzlichen Krankenversicherung, Geburten, Todesfälle. Zudem spielen die Prämienanpassungen eine gewisse Rolle für die Beitragseinnahmen.

Welche Anteile diese Variablen an den Prämien der einzelnen Versicherer haben, lässt sich den SFCR-Berichten nicht entnehmen. Marktneuling Ottonova wuchs nach Map-Report ausgehend von einem niedrigen Niveau mit 61,4 Prozent relativ am stärksten. Aber auch das PKV-Flaggschiff Debeka konnte mit 14,1 Prozent deutlich über Marktdurchschnitt wachsen. Auch für einige Anbieter unter dem Top-Dutzend mit über einer Milliarde Euro Beitragseinnahmen stiegen die Einnahmen: Barmenia (12,2 Prozent), Hanse Merkur (5,8 Prozent), Bayerische Beamtenkranken (5,7 Prozent), und HUK-Coburg (5,3 Prozent).

Ausblick: Herausforderungen Pandemie, Ukraine-Krieg, Zinstechnik und Demographie

Beim Ausblick zeigen sich laut Map-Report viele Unwägbarkeiten. Zwar seien die Krankenversicherer gut durch das zweite Pandemie-Jahr gekommen: Aber die Pandemie sei noch nicht überwunden, der weitere Verlauf nicht absehbar. Hinzu komme der Krieg in der Ukraine. Unabhängig von etwaigen finanziellen Verbindungen zu den Kriegsparteien, sind die Auswirkungen des Angriffs sowie eine Eskalation geopolitischer Konflikte unvorhersehbar. Und sie haben das Potenzial, die internationalen Finanzmärkte und Volkswirtschaften erheblich zu beeinträchtigen. Wie eine weitere Eskalation das Wirtschaftswachstum zusätzlich ausbremst und Handelsbeziehungen stört, ist nach Auffassung von Michael Franke, geschäftsführender Gesellschafter von Franke und Bornberg und Herausgeber des Map-report, ebenso ungewiss.

„Bisher hat der Krieg die Preise von Gas, Öl und weiteren Rohstoffen deutlich in die Höhe getrieben, Lieferengpässe verschärft und die Inflation forciert. Für die Versicherer dürften die Schadenaufwendungen und Kosten deutlich steigen, während durch den Kaufkraftverlust der Verbraucher gleichzeitig das Neugeschäft einzubrechen droht“ so Franke.

„Neben den ohnehin bestehenden demografischen, regulatorischen und zinstechnischen Herausforderungen dürfte das zu verteilende Geschäft eher gebremst denn gefördert werden“, meint Reinhard Klages, Chefredakteur des Map-report. Aber es sei beruhigend, dass die Versicherer finanziell gut ausgestattet und für Herausforderungen jeglicher Art gerüstet sind, zeigt sich Klages optimistisch.

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