Haftungsgefahren unter dem Haftungsdach

Das Haftungsdach übernimmt für freie Berater administrative Aufgaben und insbesondere die Haftung in Streitfällen. Aber ist die Anbindung an ein Haftungsdach tatsächlich mit einer restlosen Enthaftung verbunden?

Gastbeitrag von Jan C. Knappe, Dr. Roller & Partner Rechtsanwälte

Haftungsdach: Jan Knappe
„Es ist wichtig, Haftungspotenziale frühzeitig zu erkennen und zu minimieren.“

Für Finanzberater und -vermittler bieten Haftungsdächer die Möglichkeit, als Tied Agent (vertraglich gebundener Vermittler) Dienstleistungen zu erbringen und Produkte zu vermitteln, für die ohne Haftungsdach eine eigene KWG-Erlaubnis notwendig wäre.

Haftungsübernahme des Haftungsdachs

Zudem entlasten Haftungsdächer ihre vertraglich gebundenen Vermittler durch die Übernahme administrativer Aufgaben und aufsichtsrechtlicher Verantwortung. Als weiterer Vorteil eines Haftungsdachs wird häufig die Haftungsübernahme genannt. Beim Thema Haftungsübernahme steckt der Teufel allerdings im Detail.

Die gesetzliche Regelung findet sich in Paragraf 2 Absatz 10 Kreditwesengesetz. Danach kommen als Haftungsdächer Einlagenkreditinstitute und Wertpapierhandelsunternehmen infrage.

Deren vertraglich gebundene Vermittler dürfen ohne eigene Erlaubnis (weder nach dem Kreditwesengesetz noch nach der Gewerbeordnung) Finanzdienstleistungen in Form der Anlageberatung, der Anlagevermittlung, der Abschlussvermittlung und des Platzierungsgeschäfts erbringen.

Voraussetzung für die Erlaubnisfreiheit ist, dass diese Finanzdienstleistungen für Rechnung und unter Haftung des Haftungsdachs erbracht werden.

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Sticht Aufsichtsrecht Zivilrecht?

Haftungsübernahme schön und gut – aber ist die Anbindung an ein Haftungsdach im Verhältnis zum Kunden tatsächlich mit einer restlosen Enthaftung des Tied Agent verbunden?

Fest steht lediglich, dass der Kunde sich mit Schadenersatzansprüchen direkt an das Haftungsdach als Anspruchsgegner wenden kann. Damit ist aber noch nicht gesagt, ob daneben auch Schadensersatzansprüche gegenüber dem Tied Agent bestehen und geltend gemacht werden können.

Die Ansprüche, die mit Anlegerklagen geltend gemacht werden, fußen fast immer auf Haftungsgrundlagen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Die Regelungen zum Haftungsdach im Kreditwesengesetz sind hingegen primär aufsichtsrechtlicher Natur.

Haftungsübernahme vs. Haftungserweiterung

Ob damit gleichzeitig zivilrechtliche Haftungsgrundlagen geändert werden können, ist in der Fachwelt umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Im Kern geht es um die Frage, ob durch die Haftungsübernahme ein Austausch des Anspruchsgegners stattfindet (KWG-Institut anstelle Vermittler) oder ob es sich im Einzelfall um eine bloße Haftungserweiterung handeln kann (KWG-Institut neben Vermittler).

Im letztgenannten Fall wären beide Anspruchsgegner zivilrechtlich als Gesamtschuldner zu behandeln, die dem Kunden nebeneinander jeweils direkt haften.

Regressmöglichkeit gegenüber dem Tied Agent

Überdies sehen viele Tied-Agent-Verträge vor, dass das Haftungsdach im Fall der Inanspruchnahme Regress beim vertraglich gebundenen Vermittler nehmen kann.

Eine Haftungsübernahme im Außenverhältnis bedeutet also nicht notwendig eine Haftungsfreistellung im Innenverhältnis.

Über den Umweg „Regress“ kann ein vertraglich gebundener Vermittler wieder in die Haftung geraten, die auf der vorgelagerten Stufe vom Haftungsdach übernommen worden ist.

Haftungsdach-Haftungspotenziale frühzeitig erkennen

Deswegen ist es wichtig, Haftungspotenziale frühzeitig zu erkennen und zu minimieren. In diesem Zusammenhang sind folgende Gefahrenherde zu nennen:

(1) Überschreitung des vertraglich vereinbarten Dienstleistungsspektrums,
(2) Überschreitung des vertraglich freigegebenen Produktspektrums,
(3) Verstoß gegen Compliance-Vorgaben,
(4) Verstoß gegen Informations- oder Beratungspflichten.

Wer laufend und sorgfältig auf die Vermeidung derartiger Verstöße achtet, wird die Gefahr einer persönlichen Inanspruchnahme im Schadensfall deutlich reduzieren können.

Versicherungsschutz über die Vermögensschadenhaftpflicht

Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen werden üblicherweise von den KWG-Instituten abgeschlossen. Im Innenverhältnis werden die Kosten häufig von den vertraglich gebundenen Vermittlern übernommen.

In diesem Zusammenhang sollten Tied Agents darauf achten, dass sie persönlich als „versicherte Person“ im Versicherungsvertrag geführt werden, damit im Fall der Fälle Versicherungsschutz auch für die Abwehr von Klagen gegen den vertraglich gebundenen Vermittler persönlich besteht.

Außerdem lässt sich im Dreieck Haftungsdach/Versicherung/Vermittler häufig eine Haftungsfreistellung im Innenverhältnis (Regressverzicht) erreichen.

Rechtsanwalt Jan C. Knappe ist Gründungspartner der Kanzlei Dr. Roller & Partner in München und vertritt regelmäßig Finanzdienstleister und Banken in Haftungsprozessen gegen Kunden.

Foto: Dr. Roller & Partner Rechtsanwälte / Shutterstock

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