BGH-Urteil: Chance für Kunden und Berater

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 07. Mai 2014 die Widerspruchsrechte tausender Versicherungsnehmer gestärkt. Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass eine mittlerweile überholte Regelung im deutschen Versicherungsvertragsgesetz nicht mit dem EU-Recht vereinbar ist.

Gastbeitrag von Norman Wirth, Wirth-Rechtsanwälte

Rechtsanwalt Norman Wirth: „Das BGH-Urteil eröffnet für Versicherungsvermittler eine bessere Möglichkeit das Geld ihrer Kunden aus schlechten Produkten herauszuholen, um es in bessere zu investieren.“

Das aktuelle Urteil des BGH ist Folge dieses europäischen Urteils. Laut BGH-Urteil können auch die Versicherungsnehmer, die ihre Lebensversicherungen vor 2008 abgeschlossen haben und die nicht ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrt worden sind oder denen nicht alle erforderlichen Unterlagen übergeben wurden, gegebenenfalls noch heute die Versicherungsverträge widerrufen.

Nach neuem, seit 2008 geltendem Recht können Versicherungsnehmer ihre Versicherungsverträge zeitlich unbefristet widerrufen, wenn sie nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt oder ihnen nicht alle vom Gesetzgeber gefordert Unterlagen übergeben wurden. Ansonsten gilt eine Widerrufsfrist von 14 Tagen. Dies war mit der Nuance, dass es sich um ein Widerspruchsrecht handelte auch vor 2008 so geregelt.

Widerspruchsrecht bei fehlender Belehrung

Allerdings erlosch vor 2008 das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie, unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer ordnungsgemäß belehrt wurde und alle Informationen zum Versicherungsvertrag erhalten hatte. Folglich waren Versicherungsnehmer auch dann an Verträge gebunden, wenn ihnen beispielsweise nicht einmal Versicherungsbedingungen übergeben wurden. Diese gesetzliche Regelung hält der Europäische Gerichtshof jedoch als unvereinbar mit EU-Recht (Urteil vom 19. Dezember 2013), so dass auch der BGH diese Regelung in dem von ihm zu entscheidenden Fall nicht mehr angewandt hat.

Im konkreten Fall hatte der Kläger bereits 1998 eine Lebensversicherung abgeschlossen und auch die erste Prämie 1998 bezahlt. Allerdings wurde er nicht über sein Widerspruchsrecht belehrt. In der Folge kündigte er zunächst seinen Versicherungsvertrag bis er 2008 den Widerspruch erklärte und die eingezahlten Prämien von der Versicherungsgesellschaft zurückverlangte.

Diesen Widerspruch konnte er auch 2008 noch wirksam erklären, urteilte der BGH nunmehr mit Blick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. Allerdings verwies er den Fall zurück an das Oberlandesgericht. Hat der Versicherungsnehmer nämlich auch Versicherungsschutz in Anspruch genommen, so muss der Versicherer den darauf entfallenden Prämienanteil nicht zurück erstatten. Hierzu muss das Oberlandesgericht noch Feststellung treffen, bevor es die Höhe des Rückzahlungsanspruchs berechnen kann.

„Ewiges“ Widerspruchsrecht bei mangelhafter Information

Die BGH-Entscheidung läuft im Prinzip, ähnlich dem Widerruf nach neuem VVG, auf ein „ewiges“ Widerspruchsrecht bei mangelhafter Information und Belehrung hinaus. Dies eröffnet für Versicherungsnehmer neue Wege in Lebens- und Rentenversicherungen gezahlte Beiträge zurück zu erhalten.

Da sich der Versicherungsnehmer nur den Prämienanteil für den Versicherungsschutz anrechnen lassen muss, kann der Versicherer jedenfalls nicht die Vertriebskosten abziehen. Die Kunden könnten so mehr wiederbekommen als bei einer normalen Kündigung. Es eröffnet damit auch für Versicherungsvermittler eine bessere Möglichkeit das Geld ihrer Kunden aus schlechten Produkten herauszuholen, um es in bessere zu investieren.

Norman Wirth ist Rechtsanwalt in der Berliner Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte, die auf Vermittler-, Versicherungs- und Kapitalanlagerecht spezialisiert ist.

Foto: Christof Rieken

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