Zwangsversteigerung: Das Märchen vom Schnäppchen

Das Angebot an Immobilien ist an vielen Standorten bereits knapp. Da erscheint es verlockend, ein Objekt über eine Zwangsversteigerung zu erwerben. Doch dies kann schnell zu einem Reinfall werden.

Die Kiefer-Kolumne

Zwangsversteigerung: Michael Kiefer
„Bei einer Zwangsversteigerung ist die Ersteigerung der „Katze im Sack“ der Regelfall.“

Vielerorts sind die Immobilienmärkte leer gekauft. Die Preise sind hoch und darum suchen Interessenten zunehmend nach alternativen Wegen, um an die passende Immobilie zu kommen. Immer mehr Suchende stoßen dabei auf das Thema „Erwerb in der Zwangsversteigerung“. Vermeintlich lockt hier das Schnäppchen. Meist entpuppt sich die erhoffte Chance jedoch als Reinfall.

Die aktuelle Marktsituation hat das Angebot in der Zwangsversteigerung verändert. Wirklich gute Objekte oder gar Schnäppchen werden momentan praktisch nicht angeboten. In Zeiten hoher Nachfrage bei geringem Angebot bleiben oft nur die wirklichen Problemimmobilien für die Zwangsversteigerung übrig.

Vorsicht ist geboten

Der Erwerb einer Immobilie in der Zwangsversteigerung ist mit dem normalen Ankauf nicht vergleichbar. Der gesamte Prozess, von der Besichtigung bis zur Eigentumsübertragung, unterscheidet sich erheblich vom üblichen Immobilienerwerb.

Eines der wesentlichen Probleme ist, dass das Objekt, auf das geboten werden soll, meist nicht besichtigt werden kann. Die Ersteigerung der „Katze im Sack“ ist somit der Regelfall.

Wie ist der Instandhaltungszustand des Objekts? Sind bauliche Mängel vorhanden? Diese wichtigen Fragen bleiben meist unbeantwortet und haben für den Käufer schon oft zu einem bösen Erwachen geführt.

Das Objekt wird erworben, wie es liegt und steht, und erfahrungsgemäß ist der Zustand meist schlechter als vermutet. Viele Mängel tauchen erst im Nachhinein auf – und das Gericht haftet nicht dafür.

Über den Verfahrensverlauf informieren

Der Ablauf einer Zwangsversteigerung ist kompliziert und für Laien nur schwer verständlich. Wer sich trotzdem dafür entscheidet, sollte sich im Vorfeld unbedingt genau informieren. Die Internetauftritte einiger Amtsgerichte bieten diese Möglichkeit. Es ist zudem empfehlenswert, den Rat eines Fachmanns einzuholen, wenn einzelne Ausführungen nicht verständlich sind.

Mit dem Gläubiger sprechen

In vielen Fällen macht es Sinn, sich vorab mit dem Gläubiger, der meist auch die Zwangsversteigerung betreibt, in Verbindung zu setzen. Er ist daran interessiert, einen möglichst hohen Versteigerungserlös zu erzielen und gibt deshalb meist bereitwillig Auskunft.

In einigen Fällen ist der Gläubiger auch bereit, im Vorfeld mit dem Bieter Absprachen zu treffen, beispielsweise im Zusammenhang mit der gegebenenfalls notwendigen Zustimmung bei einem niedrigen Gebot. Dies im Vorfeld zu klären, erspart oft Mühe und Unannehmlichkeiten.

Fast alle Amtsgerichte bieten mittlerweile eigene Internetplattformen an, auf denen die anstehenden Versteigerungstermine mit den aufgerufenen Objekten präsentiert werden. Hier findet man auch das Gutachten, das im Rahmen der Zwangsversteigerung erstellt wurde. Damit sollte man sich unbedingt intensiv auseinandersetzten, denn dieses Gutachten ist oft die einzige und wichtigste Informationsquelle.

Der Bieterrausch treibt die Preise

Beim Versteigerungstermin ist Disziplin geboten. Es passiert nicht selten, dass in der Hitze des Gefechts zu hohe Preise geboten werden. Eine Obergrenze für das Gebot sollte also in jedem Fall vorab bestimmt und unbedingt eingehalten werden. Der Zuschlag ist verbindlich und nachträgliche Preiskorrekturen aussichtslos.

Problem: Finanzierung

Da die Bezahlung vor der Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu erfolgen hat, bereitet eine Finanzierung mit neuen Grundpfandrechten Schwierigkeiten. Es ist empfehlenswert, sich vorher mit der finanzierenden Bank oder Sparkasse in Verbindung zu setzen.

Wer bei einer Zwangsversteigerung mitbieten will, muss eine bestimmte Summe in Form eines Schecks oder einer Bürgschaft hinterlegen. Auch hierzu sollte man sich vorab genau informieren. Die zuständigen Rechtspfleger helfen hier weiter.

Probetermin besuchen

Ein guter Tipp aus der Praxis: Vor dem eigentlichen Termin sollte man zur Probe an einer anderen Zwangsversteigerung teilnehmen, um ein Gefühl für den Ablauf zu bekommen. Speziell Laien haben danach ein besseres Verständnis für das Versteigerungsprozedere, was durchaus hilfreich ist, wenn es dann ernst wird.

Fakt ist…

Der Erwerb von Immobilien in der Zwangsversteigerung ist etwas für Profis, denn die rechtliche Komplexität und das Risiko sind erheblich. Sie werden im Verfahrensverlauf meist auf Experten treffen, die sehr genau wissen, was sie tun. Dieser Weg ist also nur dem anzuraten, der sich intensiv mit der Materie befassen will und auch bereit und in der Lage ist, ein zusätzliches Risiko in Kauf zu nehmen.

Autor Michael Kiefer ist Chefanalyst bei Immobilienscout24. Er ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Immobilienbewertung und Mitglied der Royal Institution of Chartered Surveyors (Frics). Seit Februar 2013 ist er zudem Mitglied im Rat der Weisen der Immobilienwirtschaft.

Foto: Immobilienscout24

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