Die Quadratur des Kreises

Die Halver-Kolumne: Um heute in der Weltwirtschaft Gewicht auf die Waage zu bringen, muss man nicht nur groß sein, sondern auch noch geschlossen auftreten –  europäische Integrationsbemühungen oder die Quadratur des Kreises.

In diesem Zusammenhang bin ich mir sicher, dass man sich um die USA, China, Indien oder Brasilien keine wirklichen Sorgen machen muss, die mit einer klaren und zielgerichteten Wirtschafts- und Finanzpolitik aufwarten.

Auch die Eurozone ist gezwungen, sich ihren Platz unter den Weltmächten zu sichern, um als rohstoffarmes Wirtschaftsgebilde nicht unter die Räder der Globalisierung zu kommen. Wir müssen aus der Kleinstaaterei, die wir seit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches praktizieren, herauskommen, der Flickenteppich muss ein stimmiges Farbmuster, keinen Malkasten mehr zeigen. So die unfragliche Theorie.

Das nationale Hemd ist näher als der große euroländische Rock

Und jetzt die Praxis. Es mangelt ja schon an einem vernünftigen Corpsgeist. Franzosen denken zuallererst französisch, Italiener ticken im Herzen primär italienisch und Spanier sind eben stolze Spanier. Erst danach kommt die Hinwendung zur Euro-Großfamilie. Das eigene nationale Hemd ist definitiv näher als der große euroländische Rock. Das sind grundsätzlich schon einmal schlechte Bedingungen, um Euroland in die globale Güteklasse A zu bringen.

Das hat man sicherlich auch frühzeitig erkannt und den Feldversuch gestartet, die wirtschafts- und finanzpolitische Union von hinten über eine Währungsunion mit strikten Stabilitätskriterien zu bewerkstelligen. Und die Einigungseuphorie war zunächst auch sehr groß. Jedes Land wollte Mitglied in diesem eurozonalen Währungsverein werden, bot sich doch für die Clubmitglieder eine wirklich phantastische Leistung: Gleiche niedrige Zinsen wie in Deutschland. Die Bedienung der Staatsschulden kostete fortan weniger als die Hälfte. Leider aber haben die zinsbegünstigten Portugiesen, Spanier oder Italiener dieses Jahrhundertgeschenk nicht genutzt, um ihre rustikalen, sozialromantischen bzw. finanzinstabilen und reformbedürftigen Volkswirtschaften fit für die globalisierte Neuzeit zu machen, um damit schließlich auch den europäischen Stier auf eine Augenhöhe mit den Stieren auf der amerikanischen und asiatischen Weide zu bringen.

Integration über Romanische Schulden- statt Stabilitätsunion

Das euroländische Wappentier leidet heute an Schwindsucht, die Integration ist massiv ins Stocken geraten. In der Eurozone sind die Diskrepanzen scheunentorbreit, auch weil teilweise mehr intrigiert als integriert wurde. Wir haben es eher mit der Renaissance des Wiener Kongresses zu tun, bei dem es hieß: Der Kongress tanzt, aber er entscheidet wenig vernünftig. Und nun? Da Plan A, die Stabilitätsunion, nicht funktioniert hat, hat man eine Alternative, Plan B, gesucht und nach zweieinhalb Jahren rauem Polit-Rodeo auch gefunden. Die Backmischung, mit der man der Integration von nun an künstlich auf die Sprünge helfen will, würde bei Dr. Oetker wohl „Romanische Schuldenunion“ heißen. Konkret verabreicht die EZB ein Breitbandantibiotikum, um einer weniger auf Reformen und wieder mehr auf staatliche Verschuldung setzenden Finanzpolitik in den angeschlagenen Ländern Paroli bieten zu können. Da diese mit einer „Hab dich lieb-Offensive“ zwischen den politisch Verantwortlichen angereichert wird, hat sich die integrative Kraft in Euroland wieder deutlich verstärkt. Hurra, wir leben noch! Wenn Stabilität die Eurozone und das Leben der Politiker, die dummerweise auch noch die Knute der Wähler fürchten müssen, kaputt zu machen droht, muss man eben die Stabilität kaputt machen! So einfach ist es.

Geldpolitisches Antibiotikum irgendwann wirkungslos

Happy End also? Eine gewisse Zeit kann man diese Integration der Marke Happy Hour aufrechterhalten. Irgendwann wird man aber feststellen, dass Konjunktur und Finanzwelt gegen dieses Antibiotikum immun geworden sind. Denn wenn Staatsverschuldungen steigen, ohne den Anlegern dafür inflations- und bonitätsgerechte Verzinsungen zu bieten, kommt es zu Desinteresse, ja zu Vertrauensverlust in die Finanz- und Geldpolitik und damit in euroländische Investments. Gegen diesen Bakterienbefall ist noch nie ein Kraut gewachsen. Die Historie zeigt: Zeitgewinn ja, langfristige Lösung nein.

Und dann muss die Integration doch wieder über die harte Stabilitätsknute gefahren werden, insbesondere dann, wenn man auf Reformen keine Lust hatte. Ein deutlich gestärkter EU-Währungskommissar könnte – als Vorschlag von Bundesfinanzminister Schäuble – über Staatshaushalte wie Cäsar mit Daumen rauf oder runter entscheiden. Über dieses neue Kapital von Auseinandersetzungen und Zerwürfnissen, auf diesen politische „Spaß“, dürfen wir uns schon heute freuen. Demnächst mehr im euroländischen Theater.

 

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernseh- und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen präsent.

Foto: Baader Bank

 

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