Wie das Inflationsthema in 2024 enden könnte

Brian O'Reilly
Foto: Mediolanum International Funds
Brian O'Reilly, Mediolanum International Funds

Auch 2024 wird die Inflation im Rampenlicht stehen. Wer dieses Jahr zu den Gewinnern oder Verlierern gehören wird, hängt jedoch davon ab, wie das Inflationsdrama endet. Im ersten Teil des Global Market Outlook von Mediolanum erläutert Brian O’Reilly, Head of Market Strategy bei Mediolanum International Funds, welche Inflationsszenarien er sieht und was diese für die Märkte bedeuten.

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie und dem Einmarsch Russlands in die Ukraine stellt man sich auf den Finanzmärkten vor allem eine Frage: Ist die Inflation lediglich vorübergehend – oder wird sie unser ständiger Begleiter? Fest steht: Auch 2024 steht Inflation im Rampenlicht und bleibt ein zentraler Faktor für fiskal- und geldpolitische Entscheidungen sowie für die Entwicklung von Konsum und Investitionen. Doch wie könnte sie sich entwickeln und was bedeutet das für Investoren?

In den kommenden 12 Monaten dürften wir den dritten und letzten Akt des turbulenten Inflationsdramas erleben, das die Renditen in den vergangenen drei Jahren bestimmte. Nach dem schnellsten Zinserhöhungszyklus der Geschichte und einem Einbruch des Anlagevermögens lässt die Inflation allmählich nach – und der Trend der letzten Jahre kehrt sich um. Wir rechnen damit, dass sich die Preise 2024 innerhalb der von den Zentralbanken akzeptierten Grenzen bewegen werden, und das eröffnet Chancen für Anleger. Doch wo und wann werden diese Chancen auftauchen? Das hängt davon ab, wie das Drama „Inflationsschock 2020 – 2023“ enden wird – und dafür haben wir drei Hauptszenarien: 

Szenario 1: Ölpreisschock und energiegetriebener Bullenmarkt

Die langwierigen Konflikte im Nahen Osten und in der Ukraine haben seit 2020 zu erheblichen Störungen auf den Öl-, Gas- und Rohstoffmärkten geführt – und einige Anleger sehen Parallelen zu den Ölschocks von 1973 und 1979, die auf den arabisch-israelischen Jom-Kippur-Krieg folgten und zu heftigen Rezessionen führten. Trotz der Rezessionen kam es von 1975 bis 1980 zu Aktiengewinnen, die vom Energiesektor getrieben wurden: Nicht weniger als sechs der zehn größten Unternehmen der Welt waren im Ölgeschäft tätig, darunter Exxon, Standard Oil und Shell. In dieser Phase zogen auch die Preise von Rohstoffen wie Gold an, die traditionell als Schutz gegen die Inflation gelten. Gleichzeitig entwickelten sich globale Value-Aktien besser als Growth-Aktien – ein für langsame Wachstumsphasen typisches Phänomen. 

Erleben wir also wieder Rezessionen und Inflationsschübe wie in den 1970er Jahren und sehen eine daraus resultierende energiegetriebene Aktienrallye, zusätzlich beflügelt von der Hoffnung, dass die Auswirkungen von Pandemie und Krieg nachlassen werden?

Szenario 2: Weiche Landung und Tech-Rallye

Auch wenn der rasche Anstieg von Zinssätzen und Inflation in den vergangenen zwei Jahren das Wachstum dämpfen dürfte, halten viele Ökonomen eine weiche Landung für wahrscheinlich. Vor allem in den USA hat US-Finanzministerin Janet Yellen dies bereits verkündet: Hier erwartet man dieses Jahr ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,6 Prozent – im Jahr 2023 betrug dieses 2,9 Prozent. Das wäre immer noch weit entfernt von einer Rezession und ein bemerkenswerter politischer Erfolg. Denn die Zentralbanken schafften es in der Vergangenheit nur selten, die Inflation zu senken, ohne eine Rezession auszulösen. Aus jüngerer Zeit ist nur ein Präzedenzfall bekannt: Als die Wirtschaft nach einer Niedrigzinsphase zu expandieren begann, initiierte die Federal Reserve (Fed) 1994 einen Zinserhöhungszyklus, ohne dass es in der Folge zu einer Rezession kam. Stattdessen erlebten die Vereinigten Staaten eine Phase raschen Wachstums mit niedriger Arbeitslosigkeit. Die zweite Hälfte der 1990er Jahre stand teilweise im Zeichen der wirtschaftlichen Globalisierung und des aufkommenden Internets, was zu hohen wachstumsgetriebenen Kapitalgewinnen führte.

Viele Ökonomen gehen aufgrund der vielen Parallelen zwischen den beiden Zeiträumen davon aus, dass sich auch in diesem Jahr eine ähnliche Entwicklung abzeichnet: Abgesehen von ähnlich steilen Zinserhöhungen nach einer Niedrigzinsphase ist auch in diesem Jahrzehnt die Technologie der wichtigste Wachstumsmotor. Was in den 1990er Jahren das Internet war, ist heute die künstliche Intelligenz, von der man sich ein ähnliches Potenzial verspricht.

Szenario 3: Volatilität durch Wahlen schafft Chancen für aktive Manager

Im Superwahljahr 2024 wird die Politik die Märkte auf Trab halten. Weltweit steht eine Reihe nationaler Wahlen an, darunter in Mexiko, im Vereinigten Königreich und in Indien. Doch vor allem die US-Wahlen im November werden maßgeblich sein, insbesondere wenn Donald Trump kandidiert und trotz der hohen Staatsverschuldung auf eine expansive Finanzpolitik setzt. Zudem dürfte das monatelange Präsidentschaftsduell zu volatilen Märkten führen – und das schafft Chancen für aktive Manager. 

Märkte überschätzen Zinssenkungen

Welches der Szenarien auch eintreten wird, über eines sind sich die meisten Anleger und Ökonomen einig: 2024 wird es weltweit zu Zinssenkungen kommen. Die weltweite Inflation dürfte sich bis Mitte des Jahres weiter in Richtung 2 Prozent abschwächen – und die Zentralbanken sollten Spielraum für Zinssenkungen sehen. Die derzeitigen Markterwartungen hinsichtlich aggressiver Zinssenkungen könnten jedoch zu optimistisch sein, denn der Inflationsdruck ist noch nicht vollständig verschwunden. Es ist daher möglich, dass die Zentralbanken zögern, die Zinssätze zu früh zu senken.

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