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Wie Finanzberater mit virtuellen Kunden ihre Gesprächsführung trainieren

Robert Leubner
Foto: Deutsches Institut für Vertriebskompetenz
Robert Leubner

Künstliche Intelligenz hält Einzug in die Finanzberatung: Mit Kunden-Avataren lassen sich unterschiedliche Kundentypen realitätsnah simulieren. Doch was leisten die digitalen Trainingspartner tatsächlich? Gastbeitrag von Robert Leubner, Deutsches Institut für Vertriebskompetenz

Die Welt der Finanzberatung ist bunt wie ein Kaleidoskop – die Finanzberater treffen auf höchst unterschiedliche Kundentypen. Der eine agiert forsch und dominant, ja fast schon aggressiv und trägt einen Einwand nach dem anderen vor. Der zweite glänzt mit enormem Fachwissen, bringt den Finanzberater als informierter Besserwisser ins Schwitzen und stellt Fragen über Fragen. Ein dritter Kunde agiert skeptisch, distanziert und verhalten – es ist kaum möglich, eine vertrauensvolle Beziehung zu ihm zu etablieren und seinen Bedürfnissen auf die Spur zu kommen. Und ein vierter Kunde schließlich lässt den Finanzberater kaum zu Wort kommen, bleibt aber nie lange bei einer Sache, sondern springt von Thema zu Thema …


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Vier Kunden, vier Herausforderungen – und vier Vorgehensweisen, deren Beherrschung vom Berater erwartet und verlangt werden. Und jeder weiß: In der realen Beratungswelt gibt es weit mehr als nur diese vier Kundentypen. An dieser Stelle greift die KI-gestützte Trainingssoftware: Mit ihr lassen sich KI-Personas oder Kunden-Avatare kreieren, also fiktive Personen, die typischen Kundentypen entsprechen. Das eröffnet vollkommen neue Trainingsmöglichkeiten: Ein Avatar wird zum Beispiel mit der Tonlage und den Argumentations- und Reaktionsmustern des dominanten Kunden mit hohem Einwandpotenzial ausgestattet. Der Finanzberater trainiert am PC, wie er mit diesem Kunden konstruktiv umgeht und kommuniziert; er versteht es, sich immer besser auf ihn einzustellen, und überträgt dieses Verhalten auf reale Kundensituationen. Und dieses Vorgehen lässt sich auf alle anderen Kundentypen übertragen. In kürzester Zeit verbessert ein Finanzberater sein Vorgehen im Beratungsgespräch mit allen Kundentypen.

Je nach Zielstellung des Gesprächs lassen sich die Gesprächsdynamik und der Schwierigkeitsgrad durch die Konfiguration des Kundentypus variieren. Rainer Skazel, Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Vertriebskompetenz (DIV), das mit KI-Trainingssoftware arbeitet, beschreibt einige der Vorteile des Einsatzes von Kunden-Avataren in der Weiterbildung so: „Der Berater übt rasch und zielgerichtet verschiedene Vorgehensweisen mit unterschiedlichen Kunden-Avataren ein. Diese umfangreiche Trainingsarbeit kann ein klassisches Seminar oder Training nicht leisten, mit einer KI-gestützten Trainingssoftware jedoch ist dies gegeben.“

Kundenansprache verbessern

Zudem kann ein repräsentativer Kunde erstellt werden, also ein Avatar, der dem durchschnittlichen Kunden eines Finanzdienstleistungsunternehmen entspricht. Das ist besonders bei der Einarbeitung neuer Berater hilfreich, die im Training dem Kundenkontakt mit repräsentativen Unternehmenskunden üben.

Weiteres Beispiel: Zu einem innovativen Finanzprodukt plant der Finanzdienstleister eine breit angelegte Akquisitionsoffensive, bei der vor allem sicherheitsorientierte und vorsichtig-zurückhaltende Kunden angesprochen werden sollen. Mithilfe der Kundendatenbank legt das Unternehmen einen Kundenkreis fest, der dafür infrage kommt. Ein entsprechender Avatar wird entwickelt, das Gespräch mit dem virtuellen Kunden trainiert:

  • Welcher Gesprächseinstieg ist der richtige?
  • Wie sollte das neue Finanzprodukt präsentiert werden?
  • Mit welchen Einwänden ist zu rechnen, wie lässt sich ihnen begegnen?
  • Wie wird mit einiger Wahrscheinlichkeit die Preisdiskussion ablaufen?
  • Welche Argumente helfen, den sicherheitsorientierten Kunden zu überzeugen?

Im KI-generierten Kundengespräch und in simulierten Dialogen zeigt sich, wie der zurückhaltende Kunden-Avatar auf die Argumentation, Fragetechnik und Gesprächsführung der Berater reagiert.

Rasches konstruktives Feedback

Solche Gespräche lassen sich auch im Rollenspiel im Seminarraum simulieren. Aber: Die Konfiguration immer neuer Kunden-Avatare in dieser Schnelligkeit und Qualität ist nur mit einer KI-Software umsetzbar. Das gilt auch für die rasche Gesprächsaus- und -bewertung: Bleiben wir bei der Akquisitionsoffensive: Gleich mehrere Finanzberater führen Gespräche mit dem vorsichtigen Kunden-Avatar, für den Sicherheitsgründe sehr wichtig sind. Unmittelbar nach den simulierten Dialogen gibt es für jeden Berater eine personalisierte Rückmeldung, bei der sie erfahren, ob ihre Argumentation punktgenau und kundennutzenorientiert erfolgt und wie ihre Einwandbehandlung zu bewerten ist. Das System generiert zu jeder Simulation ein Feedback, das den Beratern signalisiert, an welchen Stellen des Kundengesprächs Verbesserungspotenziale brachliegen, die es zu heben gilt.

Weitere Einsatzmöglichkeiten

Der Einsatz der Avatare öffnet den Blick für weitere Aspekte: So kann ein Finanzdienstleister Zielkunden und spezifische Trainingsthemen kreieren, von der Neukundenakquise bis zur Kundenrückgewinnung, und das in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen. Doch damit nicht genug – Dirk Thiemann, ebenfalls DIV-Geschäftsführer, betont: „Mit KI und durch das Training mit den Avataren lernen die Finanzberater, ihre Vertriebsarbeit noch mehr zu professionalisieren.“

Robert Leubner ist Chief Digital Officier und Mitglied der Geschäftsführung mit dem Schwerpunkt „Marketing und Digitalisierung“ beim Deutschen Institut für Vertriebskompetenz GmbH & Co. KG in Allensbach.

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