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Betriebsrente, Riester, Aktivrente: Wie die Altersvorsorge neu aufgestellt werden soll

Dr. Matthias Hofer, Vorstand der Continentale Leben
Foto: Continentale
Dr. Matthias Hofer, Vorstand Continentale Leben

Die Politik wagt einen neuen Anlauf, um die betriebliche und private Altersvorsorge zukunftsfähig zu machen. Branchenvertreter begrüßen die Pläne – fordern aber mehr Tempo, mehr Einfachheit und vor allem mehr Mut zur Reform. Denn klar ist: Ohne zusätzliche Vorsorge droht Altersarmut.

Die Rente ist sicher – sicher nicht: Denn die demographische Entwicklung schlägt inzwischen immer stärker auf die gesetztliche Altersabsicherung durch. Die Folge: ein auskömmliches Einkommen im Ruhestand lässt sich nur durch zusätzliche Vorsorge sicherstellen. Ob betriebliche Altersversorgung, Riester-Reform oder neue Modelle wie die Frühstarter- oder Aktivrente: Politik, Versicherer und Vermittler diskutieren derzeit intensiv über die Zukunft der Altersvorsorge. Einigkeit besteht darin, dass die Zeit drängt – denn die staatlich geförderte Produkte wie Riester stecken in der Sackgasse und auch die Verbreitung der bAV stagniert seit Jahren.

Letztere bezeichnet die Koalition als „wichtigste und kostengünstigste Variante zusätzlicher Altersvorsorge.“ Durch das Scheitern der „Ampelkoalition“ war die Reform der bAV kurz vor dem Start gekippt worden. Dass die Politik nun einen neuen Anlauf beim Betriebsrentenstärkungsgesetz II unternimmt, stößt branchenweit auf Zustimmung. Eine Befragung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem Jahr 2025 zeigt, dass im Jahr 2023 rund 51 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – rund 19,1 Millionen – eine bAV-Anwartschaft besitzen.


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Nach Aussage von HDI-Leben-CEO Holm Diez stagniert der Wert seit 2019. „Unverändert auffällig ist die Verteilung nach der Größe der Betriebsstätte. Während in Betrieben mit bis zu vier Arbeitnehmern (ArbN) die Verbreitung bei 25 Prozent liegt, steigt sie bei Unternehmen mit 1.000 und mehr Mitarbeitern auf 100 Prozent an. Dabei liegt der durchschnittliche Eigenbetrag in der bAV bei monatlich 114 Euro brutto“, sagt Diez.

Die bAV ist essenziell

Die Zahlen zeigen, dass hier noch Luft nach oben ist – sowohl bei der flächendeckenden Verbreitung über alle Betriebsgrößen als auch bei der Ausschöpfung der geförderten Dotierungsspielräume. Vor dem Hintergrund hält der Vorstandsvorsitzende der Stuttgarter Lebensversicherung, Dr. Guido Bader, eine praxistauglichere Ausgestaltung der bAV für überfällig. „Die bAV ist essenziell für eine stabile Altersvorsorge in Deutschland. Wir brauchen also dringend bessere Rahmenbedingungen durch die Politik: weniger Komplexität, weniger Durchführungswege, einfachere Mitnahmemöglichkeiten bei Arbeitgeberwechsel und eine aktivere Kommunikation gegenüber dem Mittelstand. Auch der Förderrahmen muss dynamisiert werden“, fordert der Experte.

Dr. Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter
Guido Bader, Stuttgarter

In dem von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas vorgelegten Entwurf sieht Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute, gute Ansätze. Neben der Einführung eines verpflichtenden Opting-out zur automatischen Entgeltumwandlung bewertet der BVK auch die geplante Erhöhung des steuer- und sozialversicherungsfreien Beitrags auf 1.200 Euro positiv.

Zudem regt der BVK eine Anhebung des Förderhöchstbetrags für Arbeitnehmer an. Das würde die bAV nochmals attraktiver machen. Außerdem könnte damit abgemildert werden, dass Beschäftigte aus der Förderung herausfallen, wenn ihre Gehälter steigen. Kritisch sieht der Verband hingegen die geplante Stärkung des Sozialpartnermodells. „Es ist zwar sinnvoll, nicht tarifgebundenen Unternehmen die Teilnahme an bestehenden Modellen zu erleichtern. Der Ausbau von Sozialpartnermodellen dürfe jedoch nicht zulasten individueller Lösungen gehen“, sagt Heinz. Dringend geboten hält Heinz zudem eine Reform der Riester-Rente. „Schließlich besparen 15 Millionen Menschen diese Vorsorge“, betont der BVK-Präsident.

Riester -Rente bleibt wichtiger Baustein

Die staatlich geförderte private Altersvorsorge ist trotz aller Kritik für Vermittler nach wie vor ein wichtiger Baustein in der Beratung, wie Continentale-Leben-Vorstand Dr. Matthias Hofer betont. „Natürlich gibt es hier wie auch bei der Basis-Rente Anpassungsbedarf: flexiblere Garantien, weniger Bürokratie. Grundsätzlich sind wir aber von den Produktvorteilen der Riester-Rente überzeugt. Und wir sind davon überzeugt, dass sie für einen großen Teil der Bevölkerung ein wesentlicher und rentabler Baustein zum Aufbau von Altersvorsorge ist. Daher war und ist die Riester-Rente ein nachgefragtes und vernünftiges Produktkonzept“, sagt Hofer.

Geht es nach dem HDI-Leben-Vorstandsvorsitzenden Diez, sollte der Gesetzgeber an der grundsätzlichen Förderstruktur festhalten. „Denn ständige Kehrtwenden tragen nur zur Verunsicherung bei den Verbrauchern bei. In den letzten 20 Jahren haben sowohl unabhängige Experten als auch Produktanbieter sehr konkrete Vorschläge zur Optimierung der Riester-Rente gemacht, die der Gesetzgeber weitgehend ignoriert hat.“ Daher täte die Bundesregierung gut daran, dem Ruf der Experten Gehör zu schenken und die überfälligen Reformen in Angriff zu nehmen, so Diez.

Dr. Jürgen Bierbaum, Vorstand der Alte Leipziger Lebensversicherung, hält das Vorsorgemodell nach einer grundlegenden Reform sogar für entscheidend für die Zukunft der privaten Altersvorsorge in Deutschland. Wenn es gelinge, ein attraktives und zugleich einfaches Produkt anzubieten, könne dies die private Altersvorsorge deutlich stärken. Ein solches Produkt müsse vor allem mehr Flexibilität bei den Garantien bieten. Wer weiterhin eine hundertprozentige Garantie wünsche, solle diese erhalten können. Für andere solle es jedoch mindestens eine Variante mit abgesenktem Garantieniveau geben – etwa bei 80 Prozent.

Entscheidend seien aus seiner Sicht die Flexibilität und die Wahlmöglichkeiten für die Kundinnen und Kunden, so der Altersvorsorgeexperte. Darüber hinaus müssten staatliche Förderungen vereinfacht werden. Vor allem aber sollten Abschluss und Verwaltung des Produkts so unkompliziert wie möglich und selbstverständlich digital erfolgen. Die aktuell diskutierten Ideen, die geplante Frühstarterrente nach dem 18. Lebensjahr in ein modernisiertes Riester-Produkt zu überführen, stoßen in der Branche auf Zustimmung. „Sie öffnet die Tür weiter“, sagt etwa Vema-Vorstand Dr. Johannes Neder.

Dr. Johannes Neder, Vorstand Vema
Dr. Johannes Neder, Vema

Aus den 1.440 Euro, die maximal in einen solchen Vertrag fließen können, kann aber auch dann kein riesiges Vermögen werden, wenn das Guthaben nach dem 18. Geburtstag noch 50 Jahre liegt. Für nicht wenige Eltern kann das aber der erste wirkliche Kontakt zum Wertpapiersparen sein“, so Neder. Er hofft allerdings, dass durch das private Vorsorgedepot, in das monatlich zehn Euro fließen, künftig Vorbehalte gegenüber Aktien und Fonds abgebaut werden.

„Vermögensaufbau und Alterssparen funktionieren nicht auf einem Sparbuch. Die Frühstart-Rente kann Vermittlern den Ansatz liefern, generell positiv auf das Sparverhalten einer Familie einzuwirken und für mehr eigenverantwortliches Handeln zu sorgen“, hofft der Vema-Vorstand. Nachbesserungsbedarf sieht Alte-Leipziger-Leben-Vorstand Bierbaum in der konkreten Ausgestaltung, „damit der Tropfen auf dem heißen Stein nicht verdampft.“

Übergangslösung zu Riester gefordert

„Insbesondere halten wir Zuzahlungsmöglichkeiten während der Ansparphase für sinnvoll, da mit den staatlichen Zuschüssen allein nur ein kleiner Grundstock aufgebaut werden kann. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, das Produkt ab dem 18. Lebensjahr in eine ‚normale‘ Vorsorgelösung münden zu lassen“, sagt Bierbaum. „Deshalb votieren wir für eine Übergangsmöglichkeit in einen modernen Riester“, ergänzt Hofer. Und wie bewertet die Branche die Idee der Aktivrente, bei der Ruheständler monatlich bis zu 2.000 Euro steuerfrei hinzuverdienen können?

„Ob die geplante Aktivrente Seniorinnen und Senioren dazu motiviert, freiwillig über die Regelaltersgrenze hinaus zu arbeiten, wird sich zeigen. Einen stärkeren Effekt auf die Finanzierung der gesetzlichen Rente hätte die Koppelung der Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung. Unabhängig davon braucht es eine Stärkung der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge. Nur so können die Herausforderungen durch den demografischen Wandel generationengerecht gemeistert werden“, erklärt Moritz Schumann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des GDV.

Vema-Vorstand Neder hingegen hält die Aktivrente für eine gute Sache. „Wer im Alter noch arbeiten kann und will, sollte das auch tun dürfen, ohne dass die Rente, für die man ja Beiträge abführte, dadurch geschmälert wird. Das kann helfen, die Probleme des Fachkräftemangels aufzufangen und sorgt für weitere Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen“, so Neder. Fester Teil des Rentensystems könne sie nicht sein. „Mancher Verkaufsleiter wird mit 75 noch fit im Job sein und gute Leistungen liefern. Dagegen werden nur noch wenige Dachdecker mit 67 wirklich aufs Dach können“, so Neder.

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