Dreißig Jahre nach Gründung der sozialen Pflegeversicherung ist das Vertrauen der Bevölkerung in das Pflegesystem stark erschüttert. Der aktuelle Pflegereport der DAK-Gesundheit, basierend auf einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, zeigt: 62 Prozent der Menschen halten die Versorgung für nicht oder gar nicht gut, 46 Prozent erwarten eine weitere Verschlechterung in den kommenden zehn Jahren. Als größtes Problem sehen die Befragten die Finanzierung – neun von zehn wünschen sich eine Pflege, die „für alle bezahlbar“ bleibt.
DAK-Vorstandschef Andreas Storm warnt: „Wir stehen in der Pflege an einem Kipppunkt: Das Vertrauen der Menschen in das Pflegesystem ist äußerst gering und droht wegzubrechen.“ Viele empfänden das System als ungerecht und überfordert.
Mehrheit zweifelt an Zukunft der Pflege
Für die Untersuchung befragte das Allensbach-Institut gemeinsam mit Studienleiter Prof. Dr. Thomas Klie über 4.400 Menschen zwischen 16 und 75 Jahren. 72 Prozent halten die Finanzierung der Pflegeversicherung für nicht gesichert, 70 Prozent nennen die hohen Eigenanteile als größtes Problem. Danach folgen der Personalmangel (68 Prozent) und die unzureichende finanzielle Nachhaltigkeit des Systems (64 Prozent).
Zudem bezweifeln viele, im Pflegefall ausreichend Unterstützung zu erhalten: 64 Prozent haben Sorge, in ihrer Region keine qualitativ gute Versorgung zu finden. Besonders groß ist die Furcht vor finanzieller Überforderung – drei Viertel der Befragten fürchten, die Kosten einer möglichen Pflege nicht tragen zu können. Fast ebenso viele sehen in der Pflege ein Armutsrisiko für Betroffene und ihre Angehörigen.
Bezahlbarkeit bleibt zentrales Anliegen
Laut Umfrage halten 87 Prozent der Befragten die Bezahlbarkeit der Pflege für das wichtigste Ziel. 79 Prozent wünschen sich eine langfristige Sicherung der Finanzierung, 73 Prozent eine Begrenzung der Heimkosten. 83 Prozent empfinden es als ungerecht, trotz jahrelanger Beitragszahlung im Pflegefall unzureichend abgesichert zu sein. „Pflege ist für die Bevölkerung ein Nahthema: 16,6 Millionen Menschen kümmern sich als Angehörige, Nachbarn und Freunde um Pflegebedürftige“, sagt die Meinungsforscherin Prof. Dr. Renate Köcher. Die pflegenden Angehörigen leisteten Enormes und verhinderten, dass der Staat mit der Aufgabe der Pflege überfordert wäre.
Erwartungen an die Pflegekommission
Auch beim Thema Struktur und Beratung zeigt sich Handlungsbedarf: 88 Prozent der Befragten begrüßen den Ausbau von Pflegestützpunkten. Studienleiter Klie betont: „Die pflegefachliche Begleitung ist ein zentraler Reformbaustein, der sowohl im Zukunftspakt Pflege als auch in der Bevölkerung favorisiert wird.“ Pflegefachpersonen spielten eine Schlüsselrolle bei der Sicherung der Versorgung.
Bei der Finanzierung erwarten viele Unterstützung durch den Staat. 56 Prozent sprechen sich für den Einsatz von Steuermitteln aus, 47 Prozent befürworten höhere Beiträge für Besserverdienende. Eine verpflichtende Pflegezusatzversicherung lehnt hingegen die Mehrheit ab: Nur 21 Prozent halten sie für sinnvoll.
„Hier wird deutlich, dass die Idee, den Menschen über die Beitragszahlung hinaus eine private Vorsorge verpflichtend aufzuerlegen, keine Akzeptanz findet“, so Storm. Eine stärkere Förderung freiwilliger Vorsorge halten jedoch 41 Prozent für richtig.
Forderung nach nachhaltiger Reform
Für Klie offenbart die Studie ein Dilemma: „Beim Thema Finanzierung der Pflege ist die Bevölkerung ähnlich ratlos wie die Bundesregierung: am liebsten Vollversicherung, aber kosten darf es nicht mehr – auch nicht für die nachfolgenden Generationen.“
Storm sieht nun die Bund-Länder-Kommission „Zukunftspakt Pflege“ in der Verantwortung. „Die Menschen erwarten eine funktionsfähige Pflegeversicherung, die sie ausreichend, verlässlich und bezahlbar absichert“, sagt er. Gleichzeitig herrsche Skepsis, ob der große Wurf gelingen könne. „Es muss jetzt oberste Priorität sein, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die den Einstieg in eine nachhaltige Finanzierung und eine zukunftsfeste Pflegeinfrastruktur sichern.“
















