Nachhaltige Investments: „Dringend notwendig – strenge Regeln gegen Greenwashing“

Torsten Müller
Foto: Andreas Endermann
Torsten Müller, Ökoworld

Torsten Müller, Vorstand bei der Fondsboutique Ökoworld in Hilden, nimmt das Thema Greenwashing unter die Lupe und fordert ein entschiedenes Vorgehen seitens des Regulators.

Noch vor einigen Jahren konnten Verbraucherinnen und Verbraucher leicht mit dem Hinweis „grün“ oder „öko“ zum Kauf eines Produktes verführt werden – egal ob es sich dabei um einen Joghurtbecher oder einen Investmentfonds handelt. Erfreulicherweise ist das heute nicht mehr so leicht. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben inzwischen erlebt, dass mit diesen Begriffen auch viel Missbrauch getrieben worden ist und sind deshalb kritischer geworden und das ist auch gut so. Doch wer gehofft hatte, dass die meisten Anbieter nun nachlegen und die Qualität ihrer Produkte verbessern würden, sieht sich leider getäuscht. Sehr deutlich wurde das beispielsweise im September, als die Zeitschrift Finanztest 934 „nachhaltige Fonds“ unter die Lupe nahm. 307 dieser Fonds fielen bereits beim ersten oberflächlichen Screening durch, so offensichtlich war das nicht eingehaltene Nachhaltigkeitsversprechen. Am Ende erhielten nur acht der fast 1.000 untersuchten Fonds die Bestnote von fünf Sternen. Das ist erschreckend wenig, denn das sind weniger als ein Prozent der untersuchten Anbieter. Das beste Ergebnis ging übrigens mit „94 % Nachhaltigkeit“ an den Fonds Ökoworld Ökovision Classic.

Als einer der ersten hat das US-Finanzinformationen und Analyseunternehmen Morningstar auf das immer stärker werdende Greenwashing reagiert. Bereits im Februar 2022 strich Morningstar 1.200 Fonds aus seiner Nachhaltigkeitsliste. Inzwischen sind auch die staatlichen Aufsichtsbehörden aufgewacht und beginnen sich die grünen Anlageprodukte genauer anzusehen. Die US-Börsenaufsicht SEC hat namhafte Anbieter wie DWS, Goldman Sachs und BNY Mellon zu empfindlichen Strafen verurteilt, weil deren Finanzprodukte mit falschen ESG-Labels geworben haben. Auch die deutsche Börsenaufsicht Bafin hat angekündigt, Anlegende vor irreführenden grünen Versprechen schützen zu wollen.

Doch wer glaubte, dass damit nun endlich das Ende des Greenwashings eingeleitet worden ist liegt falsch. Statt qualitativ nachzulegen, traten viele Anbieter im vergangenen Jahr den Rückzug bei der Verwendung von nachhaltigen Kennzeichnungen an. Zwischen September 2022 und Sommer 2023 wurden laut Morningstar 307 Artikel-9-Fonds zu Artikel-8-Fonds herabgestuft. Das sind rund 40 Prozent des Gesamtvolumens der Artikel-9-Fonds. Das war eine wirklich gravierende Verschiebung im Markt und ein gigantisches Eingeständnis, dass hier bislang Greenwashing im großen Stil betrieben worden ist oder dass man sich im besten Fall zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Was ist der Unterschied zwischen Artikel-8 und Artikel 9-Fonds? Artikel-8 Fonds müssen lediglich ökologische oder soziale Aspekte bei der Auswahl ihre Anlagen berücksichtigen. Der Umfang oder die Auswahl der Kriterien sind nicht vorgegeben. Ein Artikel-9-Fonds muss dagegen mit seinen Anlagen explizite Nachhaltigkeitsziele verfolgen. Zwischen diesen beiden Ansätzen liegen also Welten. Das alles zu wissen ist für den „normalen“ Anlegenden sehr kompliziert und daher fordern wir von Ökoworld schon seit längerem einfache, transparente und klare Kennzeichnungen, aus denen die Verbraucher:innen leicht erkennen können, ob die ihnen angebotenen Produkte auch tatsächlich nachhaltig sind. Auf jedem Joghurtbecher ist heute klar zu erkennen, wie gesund er ist. Fett-, Zucker-, Eiweiß- und Salzgehalt sind dort in einer Tabelle aufgelistet und geben eine Leitlinie. Genau so etwas brauchen wir dringend auch für Fondsprodukte.

Der Europäischen Kommission ist das Problem bewusst und dort sucht man aktuell nach einer Lösung. Eine gemeinsame Kommission der europäischen Aufsichtsbehörden ESMA, EBA und EIOPA arbeitet an möglichen neuen Definitionen für Risiken im Bereich der nachhaltigen Anlage. Das Ergebnis der Kommission soll Ende Mai 2024 erscheinen und konkrete Gesetzesvorschläge zur Verbesserung der aufsichtsrechtlichen Rechtsgrundlagen beinhalten. Meine Erwartungen an diesen Report sind sehr hoch. Es geht meines Erachtens um nichts weniger als einen grundlegenden Neuanfang. Die Regelwerke zu nachhaltigen Finanzprodukten müssen auf allen Ebenen weiter ausgebaut und besser definiert werden. Für Investmentfonds muss dies eine schärfere Auslegung der Regulierung bedeuten. Artikel-8- und Artikel-9-Fonds müssen noch deutlicher voneinander getrennt werden.

In diesem Zusammenhang muss die EU-Taxonomie dringend weiterentwickelt werden. Beispielsweise werden bestimmte Gas- und Kernkraftwerke als „umweltverträglich“ eingestuft. Das muss geändert werden. Eine Sozial-Taxonomie liegt bislang überhaupt noch nicht vor. Hier gibt es bislang nur einen Vorschlag aus dem Jahr 2022. Seitdem ist es leider zu diesem Thema sehr still geworden. Für nachhaltige Investments ist es aber zwingend erforderlich, dass auch soziale Kriterien verbindlich festgeschrieben werden. Ohne eine Sozial-Taxonomie ist eine nachhaltige Klassifizierung von Unternehmen schlicht unmöglich.

Wir bei Ökoworld sind schon lange einen Schritt weiter. Unser Nachhaltigkeits-Research prüft seit Jahren Unternehmen nach strengen ökologischen, ethischen und sozialen Kriterien. Hierfür haben wir eine vom Fondsmanagement unabhängige Abteilung. Die Prüfung eines Unternehmens kann mehrere Tage oder sogar Wochen dauern und erfordert eine intensive Investigativarbeit, bei der unser Nachhaltigkeitsresearch-Team auch Unternehmensbesuche durchführt, um offene Fragen zu klären. Können die notwendigen Informationen nicht ermittelt werden, schafft es das Unternehmen auch nicht ins Portfolio. Die von uns ausgewählten Unternehmen sind nicht perfekt, aber sie tragen mit ihren Produkten, Technologien, Dienstleistungen oder Prozessen zu einer nachhaltigen Zukunft bei und verletzen dabei keine Ausschlusskriterien.

Auf diese Transparenz haben Verbraucherinnen und Verbraucher bei allen Fonds ein Anrecht und es wird dringend Zeit, dass die EU-Behörden hierfür eine vernünftige rechtliche Grundlage schaffen.

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