„Es geht mehr um Konzeption und Kooperation als um Kondition“

Die Zeiten für das Baufinanzierungsgeschäft sind angesichts Inflation, steigender Zinsen und anderer Störeffekte mehr als herausfordernd. Drei Baufi-Experten diskutieren mit uns über die Perspektiven des Segments und worauf es in der Beratung jetzt vor allem ankommt.

Wie ist das Baufinanzierungsgeschäft in 2022 gelaufen?

Annabrunner: Bis März, als die Zinswende kam, hatten wir ein sehr gutes erstes Quartal. In den Quartalen zwei bis vier hat sich die Zinsentwicklung deutlich bemerkbar gemacht. Der Markt war in diesem Zeitraum rückläufig, und damit natürlich auch unser Anteil in Euro gerechnet. Aber „all in“ sind wir durch ein sehr starkes erstes Quartal insgesamt noch sehr nahe an unsere Planzahlen herangekommen.  

Hein: Bei uns war es genauso. Das erste Halbjahr war wieder sehr gut, während das zweite Halbjahr aufgrund der vielen Unsicherheiten stark rückläufig war, weil viele Kundinnen und Kunden erst dann gemerkt haben, welche Auswirkungen die Rahmenbedingungen letztlich haben. Nach Beginn des Ukrainekriegs kam eine schlechte Nachricht nach der anderen. Nichtsdestotrotz waren wir mit dem Gesamtjahr zufrieden. Wir hatten immer noch ein Bestandswachstum von knapp sechs Milliarden Euro. Durch die Rahmenbedingungen waren vor allem die Forward-Prolongationen gefragt.  

Amendt: Ich kann mich meinen beiden Vorrednern nur anschließen. Wir hatten ebenfalls einen sehr guten Start. Im zweiten Quartal haben viele Berater vor allem Anschlussfinanzierungen eingereicht – sie hatten ihren Kunden geraten: „Warten wir noch, bis der Markt anzieht, bis die Zinsen steigen.“ Zum Ende des zweiten Quartals mussten auch wir leider einen Einbruch sehen. Insgesamt haben wir 2022 mit einem leichten Plus abgeschlossen. Mitte des Jahres deutete die Entwicklung noch auf ein dickes zweistelliges Plus hin, das dann im zweiten Halbjahr allerdings nicht mehr zu halten war. Dennoch stellen wir über unsere Berater fest, dass die Nachfrage nach Finanzierungen ungebrochen ist. Wir leiten aber nicht mehr so viele Beratungen an Banken durch, weil einfach der Zinsanstieg die eine oder andere Finanzierung nicht mehr möglich macht.  

Welche Produkte waren besonders nachgefragt? 

Amendt: Bei uns war es ein bunter Mix. Wir haben gemerkt, dass das Thema Bausparen im Laufe des Jahres wieder spannender geworden ist. Was vor drei, vier Jahren noch belächelt wurde, hat auf einmal eine ganz andere Relevanz in Verbindung mit der Baufinanzierung bekommen. Man war es ja gewohnt, einfach nur den Antrag aufzunehmen und zu schauen, wo es die günstigsten Zinssätze gibt. Das hat sich verändert. Wir haben viele Berater, die das Geschäft seit zehn Jahren machen und gar nicht realisiert haben, dass Zinsen noch steigen können – sie haben es ja nie erlebt. Aber der Produktmix ist bei uns erst einmal gleichgeblieben. 

Annabrunner: Die Markt- und/oder Zinsentwicklung war ein wenig auch der Treiber der entsprechenden Produkte. Im ersten Quartal war es noch mehr oder weniger ein klassischer Mix. Anschließend hat das Thema Forward-Darlehen schlagartig zugenommen, weil einfach die Sorge vor dem steigenden Zins beherrschend war. Danach sind über das ganze Jahr verteilt Neubaufinanzierungen zurückgegangen, während sukzessive das Thema Modernisierung/Sanierung größer geworden ist. Damit ist auch der Bedarf an mehr und an einer anderen Form der Beratung gewachsen Das spiegeln die abgeschlossenen Durchschnittsvolumina. Mittlerweile haben sich die freien Finanzdienstleister auf die neue Situation eingestellt und ihre Aufstellung optimiert. Die Partner sind den Weg der Veränderung wahnsinnig schnell mitgegangen und sind der Nachfrage im Markt gefolgt. Und damit haben sie ihr Gespür für den Markt gezeigt. Ich bin überzeugt, dass es eine gute Idee ist, sich schnellstmöglich das nötige Wissen anzueignen, um den Abschluss machen zu können – spätestens, wenn man drei Nachfragen zum Thema Modernisierung/Sanierung bekommt und dort nicht ganz fit ist, sollte man etwas unternehmen.

Hein: Wir haben festgestellt, dass die Zinsbindungen rückläufig sind und eher wieder in Richtung zehn Jahre gehen. Das war in der Niedrigzinsphase anders. Dort wurden sehr lange Zinsbindungen gewählt. Deshalb ist der Fokus inzwischen ein anderer. Das hängt aber natürlich auch von der jeweiligen Zinserwartung und von den individuellen Bedürfnissen jedes Einzelnen ab. Aber ich glaube, dass auch die Beratung dahingeht, weil es am Ende auch eine Frage der Leistbarkeit der Baufinanzierung an sich ist. Man schaut natürlich, dass man in der Liquidität für die Kunden möglichst wenig Belastung hat. Schließlich kann man kaum einschätzen, wohin sich die Energiepreise und Lebenshaltungskosten entwickeln. Mit einer kürzeren Zinsbindung ist man dann eher auf der sicheren Seite.

Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Yougov und ImmoScout24 fürchtet die Hälfte der befragten Deutschen, sich die Anschlussfinanzierung ihrer Immobilie bei steigenden Zinsen nicht mehr leisten zu können. Wie stellt sich die Situation aus Ihrer Sicht dar?

Annabrunner: In den letzten Monaten haben wir sehr viel Unruhe im Markt gesehen. Gepaart mit wöchentlichen Hiobsbotschaften zu Zinsentwicklung, Inflation und rasant steigenden Energiepreisen hat das natürlich viele Immobilienbesitzer, deren Finanzierungen in absehbarer Zeit auslaufen, verunsichert. Die Rolle, die die Psychologie hier spielt, sollte man nicht unterschätzen. Aber mit einer strukturierten Anschlussfinanzierung kann man der gegenwärtigen Volatilität gut begegnen. Natürlich wird die monatliche Belastung – Stand heute – für den einen oder anderen im Rahmen der Anschlussfinanzierung etwas höher sein. Je nachdem wie die neuen Zinsbindungen und Rahmenbedingungen gewählt werden. Deshalb sollten Kunden nicht standardmäßig verlängern, sondern sich beraten lassen. Besonnenheit und eine qualifizierte Beratung sind hier gute Begleiter. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass höhere monatliche Belastungen durch Tilgung und Zins vor dem Hintergrund der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor für viele Kunden sind – und damit auch emotional belastend wirken können.

Amendt: Bei meinen Beratern kommt in Bezug auf die von Ihnen genannte Angst um den Immobilienkredit relativ wenig an, weil wir in der Vergangenheit die Finanzierungen doch sehr sicher aufgebaut haben, mit langfristigen Festschreibungen, mit entsprechenden Tilgungsanteilen, bei denen im Notfall auch durchaus mal Luft ist. Ich denke, auch eine Bank wird im Zweifelsfall lieber einmal mit der Tilgung ein bisschen runtergehen, ehe die Raten gar nicht mehr bedient werden können. Es gab zuletzt viele Hiobsbotschaften, gerade rund um Energiepreise und Nebenkosten, die sich schlussendlich als doch nicht ganz so schlimm herausgestellt haben.  

Hein: Wir merken davon auch noch nichts. Ich glaube ebenfalls, dass viele Menschen erst mal bei sich selbst schauen, wie sich die finanzielle Situation optimieren lässt, bevor sie dann auf die Bank zugehen. Aber natürlich machen sich die Kundinnen und Kunden Gedanken über die Situation, in der sie sich aktuell befinden, was die Nebenkosten oder die Lebenshaltungskosten angeht. Wo wir es natürlich sehen, und da ist es Gegenstand der Beratung, ist immer häufiger im Neugeschäft. Wir erleben auch, dass wir beraten, um dann festzustellen, dass die Finanzierung für den Moment einfach nicht tragbar ist, ohne entweder weitere persönliche Einschränkungen, die man gerade nicht will, oder aber dann klassisch, dass sich die Finanzierung gar nicht mehr bedienen lässt. Das war in den vergangenen Jahren etwas anders. 

Annabrunner: Es gibt zwei Sichten darauf: Schaue ich in den Bestand, haben wir die Situation, dass wir bei den Krediten auch Liquiditätspuffer eingebaut haben, entweder in Form von kalkulatorischen Annuitäten oder aber von Überschüssen, die wir je nach Fall und Risikosituation als Mindestmaß angesetzt haben. Sollte es dennoch einmal eng werden, ist es wichtig, dass Kunden und Berater rechtzeitig das Gespräch mit uns als Bank suchen. Je früher, desto besser – und desto eher gibt es auch eine Lösung. Natürlich sind die Inflation und die aktuelle Zinssteigerung eine unschöne Kombination für unsere Partner und für unseren Markt, die auch Auswirkungen auf die Nachfrage haben. Das sehen wir im Gesamtmarkt und das sehen wir auch durchgängig bei den Kreditinstituten. Um da herauszukommen, braucht es eine faire und transparente Beratung. Ziel ist es, dass Kunden ihre Belastung langfristig tragen können.  

Hein: Es ist ja auch aus Kundensicht ein wichtiger Punkt, den wir – und alle Beraterinnen und Berater – dort einbringen. Viele von Ihnen müssen dann an manchem Punkt auch geschützt werden, wenn sie bestimmte Pläne haben, die sie sich am Ende aber doch nicht leisten können. Das sehe ich sowohl als Aufgabe der Beratung, aber auch der Bank. Da lohnt auch ein Blick in den Rückspiegel. In früheren Jahren gab es eine solche Situation viel häufiger als zuletzt. Unsere Kundinnen und Kunden müssen die Überlegung, wenn sie eine Immobilie kaufen, auch wieder anders angehen als das in den letzten drei, vier Jahren mit sehr niedrigen Zinsen der Fall war. Das mag keiner gerne hören, aber das ist leider die Realität.

Die Entwicklung der Bauzinsen der letzten Wochen übt eine gewisse Faszination aus und der Chart ließe sich auch mit der Form der Dolomiten vergleichen. Worauf führen Sie den merkwürdigen Verlauf zurück?

Hein: Die Volatilität, die wir in den Zinskurven sehen, bildet aus meiner Sicht die Unsicherheiten am Gesamtmarkt ab. Wenn wir auf der einen Seite davon reden, dass Inflation da ist, und die Notenbanken entsprechend handeln müssen, dann ist es das eine. Dann gibt es aber in letzter Zeit – und das war in vergangenen Zeiten nicht so – plötzlich immer wieder irgendwelche Querschläger, die dazu kommen und die dazu führen, dass der Markt zunächst einmal versucht, eine Pause einzulegen, weil er nicht weiß, in welche Richtung es geht. 

Bleibt es 2023 bei dem Takt, zwei Schritte hoch, ein Schritt runter? 

Hein: Ja, es ist einfach anders, und wir sind es noch nicht so gewöhnt, damit so umzugehen. Dass die Zinsen weiter steigen werden, davon gehen wir aus, weil die Inflation – und das ist ja immer noch der Hauptpunkt der entsprechenden Notenbanken – noch nicht so weit zurückgekommen sind, wie man gerne hätte, um diesen Erhöhungszyklus einzustellen. Deshalb gehen wir als Bank davon aus, dass die Zinsen erstmal weiter steigen werden, immer natürlich in Abhängigkeit davon, wie sich die wirtschaftliche Situation entwickelt.

Annabrunner: Das glaube ich in der Tat. Es gibt ganz viele Rahmenbedingungen, die auf diese Entwicklung Einfluss nehmen. Wenn wir in die Vergangenheit blicken, war unser Zinsmarkt fast schon ein bisschen langweilig. Ich kann mich an Diskussionen mit Vertriebspartnern erinnern, die gesagt haben: „Eigentlich bräuchten wir mal so eine leichte Erhöhung“. Damals haben uns schon fünf bis zehn Basispunkte im Einstand ausgereicht, um wieder Kauf- oder Abschlusssignale in den Markt zu geben. Davon sind wir momentan weit entfernt. Derzeit haben wir auch hier eine enorme Unruhe. Viele Faktoren zahlen darauf ein. Ein ganz wichtiger Punkt, den ich gerne noch dazu ergänzen möchte, ist natürlich mit Sicherheit auch das Thema „Welche Zinslast können sich die Staaten weltweit leisten?“ Das heißt also Thema „Verschuldungsgrad der Länder“ und aber auch die notwendige neue Refinanzierung von auslaufenden Anleihen. Die Sicht unseres Konzerns ist, dass wir am Jahresende eher in Richtung 3,6 Prozent bis 3,7 Prozent gehen dürften. Das wird vielleicht der eine oder andere als Planungssicherheit oder Hoffnungswert sehen, aber es sind verschiedenste Faktoren, die da mit reinspielen. Ausschläge in der Zinsentwicklung wird es aufgrund sehr vieler Unsicherheitsfaktoren, die heute stärker als in der Vergangenheit auf eine Langfristzinsposition Einfluss haben, weiterhin geben. Das heißt, die Unruhe im Markt ist groß, die Sensibilität ebenso. Wir wünschen uns heute fast den langweiligen Markt ein wenig zurück, denn unter den aktuellen Bedingungen sind Angebotsstellung und Angebot halten im Markt eine Herausforderung – für uns, aber natürlich besonders für alle unsere Beraterinnen und Berater.

Amendt: Die Kollegen in den Banken haben garantiert eine ganze Menge Volkswirte, die erklären können, warum die Ausschläge so groß waren und an welchem Tag es aus welchem Grund wohin gegangen ist. Ich bin da natürlich in einer anderen Rolle. Aber ich glaube schlicht und ergreifend – wir hatten einen langweiligen Markt. Auch die Handelssysteme in den Banken waren auf einen langweiligen Markt, sprich, auf kleine Veränderungen eingestellt. Und auf einmal kam Bewegung in den Markt. Die Handelssysteme müssen erst wieder lernen, mit größeren Veränderungen umzugehen und nicht so nervös zu reagieren, wie es im Moment der Fall ist. Deshalb auch diese Wellenbewegungen: zwei Schritte vor, einen zurück oder zwei Schritte hoch, einen runter, wie Sie es beschrieben haben, Herr Milewski. Ich glaube, das wird sich wieder einpendeln, wenn man ruhiger mit den veränderten Märkten umgehen kann. Diese stärkeren Bewegungen hat es in den vergangenen zehn Jahren so gut wie gar nicht mehr gegeben. Jeder sagt, es geht seitwärts, und am Ende des Jahres ist der Zins ein bisschen höher, und jedes Jahr war der Zins am Ende des Jahres ein bisschen niedriger – aber alles in allem schon langweilig. Es werden sich aber auch wieder etwas ruhigere Zeiten einstellen, wenn man gelernt hat, mit der aktuellen Zinssituation umzugehen.

Stichwort Switch vom Verkäufer- zum Käufermarkt. Kommen Ihre Berater damit klar, gibt es Wünsche?  

Hein: Es gibt immer Wünsche, weil sich natürlich der Kundenbedarf auch immer mit der Gesamtsituation mitentwickelt. Aber das ist auch gut so, und es ist richtig so, weil das ist natürlich auch a) das, was ein Produktgeber braucht, dass diese Dinge an ihn herangetragen werden, damit man seine Produkte entsprechend dem Markt anpassen kann, und das ist b) natürlich auch das, was Spaß macht, um dann immer zu schauen, wie kann man dem Markt auch einen Schritt voraus sein, was dann ja jeder Produktgeber auch ein Stück versucht. Natürlich haben wir jetzt sehr viele Anfragen hinsichtlich Sanierungsprodukten, hinsichtlich Themen rund um Energieeffizienz. Da gibt es viele Ideen am Markt und auch bei uns, wie man sie verbessern kann. Wir haben Ende März ein Produkt für Sanierung und Modernisierung für unsere Bestandskundinnen und -kunden gebracht. Wir haben aber auch viele Anfragen für Änderungen von Herausgabekriterien, weil aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen weniger Menschen in den Genuss der Baufinanzierung bei uns kommen. Diese Anfragen bedürfen der Einzelprüfung und müssen unter dem Risikoaspekt und dem Risikohunger, den die Bank hat, betrachtet werden. Aber auch da haben wir bereits den einen oder anderen Punkt durchaus nachgebessert und werden dies auch weiterhin tun. Aber auch, wenn ich jetzt einmal einen reinen Servicegedanken nehme, auch das Thema, unsere Vermittlerschaft zu unterstützen, was Argumentationen angeht, was das Thema Wissensaufbau angeht – und da bin ich wieder beim Nachhaltigkeitsthema –, auch dort werden wir natürlich Möglichkeiten anbieten, wie man sich dieses Know-how außer aus der Zeitung dann auch aneignen kann. Denn ich glaube, das ist auch ganz wichtig und muss in die Beratung hinein, weil zum einen der Bedarf danach da ist, zum anderen aber auch, um sich selbst ein neues Kundenklientel mit einem entsprechenden Angebot zu eröffnen.

Annabrunner: Auch unsere Partner haben viele Ideen von dem, was wir noch machen können, aber ich möchte ein bisschen anders antworten. Unsere Berater merken derzeit, dass sie ihre Kunden anders abholen müssen als noch im vergangenen Jahr. Es geht nicht mehr nur darum, 200.000 Euro möglichst günstig zu finanzieren – heue geht es neben Neubau auch um Sanierung, Modernisierung und Förderungen. Und hier kommt ein ganz anderer Player ins Spiel – der Energieberater, über den das Gros der Förderungen beantragt wird. Unsere Partner wollen dieses Aufgabe eher nicht selbst durch eine Zusatzqualifikation abdecken – obwohl die Nachfrage nach Energieberatern groß ist. Deshalb geht es neben einer sachkundigen Finanzierungsberatung aktuell auch darum, Kunden Zugang zu einem Netzwerk zu eröffnen, über das Energieberater, Handwerksbetriebe und Hersteller ansprechbar sind. Partner müssen heute andere Produkte anbieten als in der Vergangenheit, um die Kundenbedürfnisse zu treffen. Wir haben bereits viele Produkte, die aktuell schon in Finanzierungen eingebaut werden können. Ganz gleich, ob es Klimadarlehen heißt oder Modernisierungsdarlehen – alle diese Produkte existieren bereits; sie müssen aber jetzt anders in die Beratung eingebracht werden. Eine Konsequenz aus dem neuen Beratungsansatz ist, dass die Summe der individuellen Bausteine in einer Finanzierung deutlich breiter wird. Die Einbindung von Förderungen verstärkt dies noch. Die Anzahl der Produkte und somit auch die Abschlüsse der einzelnen Tickets nimmt in dem Maße zu, wie die Individualität der einzelnen Finanzierungen steigt. Genau dort liegt auch der Fokus. In Bereichen, in denen eine rege Nachfrage herrscht, werden wir auch künftig weiterhin den Bedarf decken.  

Amendt: Wir sind da auf einer ähnlichen Schiene unterwegs und versuchen, die Beratung in Sachen Klima- und Energieeffizienz mit einem gewissen Grundwissen zu unterstützen. Wir stellen für unsere Berater Deutschlands größte Förderdatenbank im System kostenfrei zur Verfügung und sehen dort in den letzten Monaten eine deutlich höhere Nutzungsquote. Es wird viel mehr ausgewählt, um dann auch sehen zu können: Wo gibt es Förderungen? Was kann ich für meinen Kunden machen? Ich sehe aber auch in anderen Bereichen eine Veränderung. Die Geschwindigkeit bei der Kreditzusage war bis dato ein wichtiges Thema. Aktuell spielen diese und auch Konditionen in der Beratung eine untergeordnete Rolle. Jetzt sind Konzepte gefragt. Da geht es eher darum, dass man Bankpartner findet, die Konzepte begleiten, die dann auch schon mal eine „Sonderlocke“ einziehen, die eine gewisse Kombination von Produkten akzeptieren. Berater fragen zudem bei uns sehr stark Informationen rund um ihre Kunden nach, die sie meist nicht auf Knopfdruck verfügbar haben, wir aber durch CRM-Systeme sehr schnell liefern können. Daraus wird rasch ersichtlich, ob eine Maßnahme ansteht, zu der ich den Kunden in Verbindung mit Fördermöglichkeiten ansprechen kann. Das reicht von „Welche Isolierung der Außenhülle ist besonders geeignet?“ bis hin zu „Wo finde ich einen Energieberater, der jetzt überhaupt Zeit hat und auch einen gewissen Qualitätsanspruch erfüllt?“. Der Bedarf bei den Partnern folgt den Kundenbedürfnissen und ändert sich daher in der Breite und sehr stark.

Eine aktuelle Umfrage der BHW ergab, dass lediglich 14 Prozent der Befragten, die ihre Immobilie modernisieren möchten, in 2023 in Energieeffizienz investieren wollen. 2012 waren es noch doppelt so viele. Ebenfalls halbiert, auf sechs Prozent, hat sich der Anteil derer, die aktuell einen Neubau oder Kauf planen. Wie kann man beides pushen?

Hein: Vieles wird über Aufklärung laufen müssen, weil viele die Notwendigkeit, dass dort etwas passieren muss, noch nicht erkannt haben. Darüber hinaus muss die Bürokratie abgebaut werden. Sprich, wir müssen auch einmal zulassen, dass Dächer ohne Baugenehmigung oder mit einer einfachen Baugenehmigung umgebaut werden dürfen. All diese Themen müssen erfolgen. Auch Förderungen für die eine oder andere Maßnahme muss es geben. In der Vergangenheit haben wir aber auch oft gesehen, dass sich das noch einmal auf die Preise on top ausgewirkt und dadurch keine große Wirkung entfaltet hat. Aber es ist zumindest ein Weg, um unsere Zielgruppen zu begeistern. Aber ich glaube, nur über diese drei Komponenten kann man dort etwas erreichen und eine energetische Wende einleiten. 

Amendt: Fördermaßnahmen sind natürlich immer schön für den Vertrieb, weil sie Impulse setzen. Was kann ein Berater Besseres tun, als mit Geldgeschenken, was Fördermaßnahmen zum Teil ja sind, zum Kunden zu gehen und zu sagen: „Ich habe da etwas für Dich“? Die Berater stehen eigentlich bereit. Nur wenn ich mir alleine die Abstimmung im EU-Parlament zur Sanierungspflicht für Bestandsgebäude ansehe, wird deutlich, dass selbst die Politik nicht so ganz genau weiß, wo es lang gehen soll. Ich habe Kommentare gelesen, wo von mehr als 300.000 Euro Sanierungskosten im Rahmen dieser Maßnahmen die Rede war und die oft den Immobilienwert selbst übersteigen. Das wird kaum jemand machen. Dann sagt jeder, dann reiße ich es im Zweifelsfall lieber ab oder ich verkaufe es. Dennoch können wir in der Beratung mit dem Generationeneffekt locken nach dem Motto, „Sie tun es für Ihre Enkel“. Aber viele sagen: „Wo ist der Anreiz zum Investieren, wenn ich sowieso nichts mehr davon habe?“ Das muss man, glaube ich, ein bisschen anders sehen. Man muss den Menschen ins Bewusstsein bringen, dass es gesamtwirtschaftlich durchaus Sinn macht, das alles zu tun und das ein bisschen mehr zu unterstützen. Aber die Uneinigkeit, die aus der Politik heraus – von Brüssel angefangen bis hin zu den einzelnen Länderparlamenten – kommt, die hilft uns da wirklich nicht weiter.

Annabrunner: Das Thema Klimapolitik und Hauspreiszyklus stehen in einem direkten Zusammenhang, und zwar nicht erst heute, sondern schon seit Jahren. Das Thema CO2-Bepreisung, das wir sehen, ist nur ein Vorbote einer tiefgreifenden Entwicklung, die auf uns zukommt. Wenn man heute die Bevölkerung bei einer Umfrage fragt, ist, die Erkenntnis, dass die CO2-Belastung reduziert werden muss und dass das auch bei unseren Wohnimmobilien notwendig ist, gesellschaftlicher Konsens. Aber der Hauptpunkt, den wir derzeit sehen, ist eine große Verunsicherung, die es den Menschen schwer macht, zu investieren, ohne zu wissen: „Was ist das Ziel und wie viel kostet es mich?“ Wir können keine politischen Entscheidungen vorwegnehmen. Wir können nur sagen, wenn diese politischen Entscheidungen getroffen sind: Wir haben Produkte. Wir haben ein Netzwerk. Wir haben die Rahmenbedingungen und wir haben die Menschen, die der Kundin oder dem Kunden konkret weiterhelfen. Das ist im Endeffekt die Kaskade, auf die wir hinarbeiten. Dabei warten wir nicht auf die finale Entscheidung aus der Politik, sondern wir versuchen das, was wir heute kennen, zum Einsatz zu bringen, wohlwissend, dass noch ganz viele Entscheidungen offen sind. Und wohlwissend, dass es  für einen Abschluss nicht hilfreich ist, jeden Tag eine neue Meinung ohne finale Regierungsabstimmung durch die Presse zu begleiten. Das erzeugt viele Fragezeichen und viel Verunsicherung. 

Schauen wir zum Schluss auf das laufende Jahr mit  dem Fokus auf den Vertrieb. Welche Neuerungen planen Sie für 2023?

Annabrunner: Für uns geht es darum, die Partner zu befähigen, auf einer deutlich breiteren Klaviatur zu spielen und auf Netzwerke zugreifen zu können. Es geht schlicht und ergreifend mehr um Konzeption und Kooperation als um Kondition. Wir versuchen vor allen Dingen, über Produkte ein Gegengewicht zu den derzeitigen Rahmenbedingungen anzubieten. Das heißt konkret – weniger Neubau und mehr Bestandsgeschäft, mehr Modernisierung, mehr Sanierung, mehr energetische Maßnahmen. Wir wollen unseren Partnern zur Seite stehen mit einem schnellen, effizienten, modernen Prozess. Das gibt unseren Partnern die Zeit um in die – zugegebenermaßen intensivere und auch anstrengendere – Beratungsleistung zu gehen. Das Ziel ist, den Kunden vor allen Dingen ein lösungsorientiertes Konzept anzubieten –  auch wenn mehr Bausteine für den Bedarf der Kunden miteinander kombiniert werden müssen.

Hein: Wir haben nach wie vor das Thema Digitalisierung im Fokus, was Prozesse schneller macht, was aber auch die Auskunftsfähigkeit Kundinnen und Kunden gegenüber verbessert. Es geht darum, 24/7 Informationen bereitzustellen, die man heute mühsam am Telefon erfragen müsste. Dort wird es einige Veränderungen im Laufe des Jahres an der Schnittstelle geben. Aber natürlich haben wir auch ganz klar das Thema Nachhaltigkeit im Blick, zu dem wir uns auch externes Know-how ins Haus holen, um unsere Partnerinnen und Partner mit einer Webinarreihe entsprechend zu schulen. Gleichzeitig gilt es dann, in diesem gesamten Nachhaltigkeitsgebilde auch Netzwerke zu bilden, die wir derzeit noch suchen, um sie davon profitieren zu lassen.  

Amendt: Wir wollen unsere Partner insoweit stärken, dass wir ihnen Möglichkeiten geben, all die gerade angesprochenen Produkte und Angebote der Produktgeber nutzen zu können. Wir arbeiten da, Thema CRM, an diversen Touchpoints: Ein Haus hat Geburtstag. „Sprich doch mal deinen Kunden an!“ – das sind Informationen, die die Partner einfach brauchen, die sie bisher nicht kennen, die sie nicht zur Verfügung haben. Daneben sind wir aber auch sehr stark unterwegs, das Thema Leads noch einmal zu fördern. Damit können wir unseren Partnern Kunden bieten, die ein konkretes Interesse an einer Finanzierung haben. Darüber hinaus geht es darum, Transparenz über die gesamte Produktwelt in der Baufinanzierung zu schaffen, Beratungs- und Absatzmöglichkeiten bei unseren Partnern zu stärken. Selber Produkte entwickeln können wir nicht. Aber wir können den Absatz der Produkte unterstützen. Das haben wir durch die eben schon mal angesprochene Förderdatenbank und durch andere Themen in der Vergangenheit unter Beweis gestellt. In diesem Jahr arbeiten wir daran, diese Stärken weiter auszubauen.

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