Wie hat sich das bKV-Geschäft in Ihren Häusern im letzten und zu Beginn dieses J ahres entwickelt?
Avi-Tal: Insgesamt entwickelt sich das Geschäft sehr positiv. Zum 1. April haben wir bei der Allianz ein neues Produktportfolio gelauncht und warten nun gespannt auf das Feedback aus dem Maklermarkt. Bereits jetzt nehmen wir eine verstärkte Nachfrage am Markt wahr. Dabei beobachten wir so deutlich wie noch nie zwei Effekte: Es gibt einerseits Branchen, die sich aufgrund ihrer angespannten wirtschaftlichen Lage sehr zurückhaltend zeigen, andererseits Branchen und Kunden, denen es gefühlt so gut geht wie noch nie. Diese haben die Notwendigkeit erkannt, in Benefits zu investieren – und tun dies mit einer klaren Strategie.
Gaedicke: Ich glaube, wir bei der LKH befinden uns in einer anderen Situation als die Kolleginnen und Kollegen hier am Tisch. Nach fast 100 Jahren Marktpräsenz, aber einer längeren ruhigeren Phase, erlebt die LKH gerade einen umfassenden Wandelprozess und kommt mit großer Freude und Energie als moderner Gesundheitsdienstleister im Segment der Krankenversicherung zurück. Im Bereich der bKV sind wir noch relativ neu am Markt – wir befinden uns, wie ich es nennen würde, in der Hochlaufphase, die sehr spannend ist. Wir haben prozessual viel gearbeitet, neue Produkte und Services entwickelt und – wie die Allianz auch – im April einen weiteren Budgettarif nachgelegt.
Marquardt: In Bezug auf die Entwicklung kann ich mich meinen Vorrednern nur anschließen. Wir sind bereits seit 2018 im Segment der Budgettarife aktiv. Als dieses Thema bei uns aufkam, hat das nicht nur den Markt verändert, sondern auch einen echten Systemwechsel ausgelöst. Tatsächlich verzeichnen wir Jahr für Jahr mehr Anfragen und einen Zuwachs an Firmenkunden – auch die Branchenvielfalt nimmt zu. Von Kleinstkollektiven halten wir uns allerdings weitgehend fern. Wir konzentrieren uns auf den Mittelstand, das Gesundheitswesen und das Handwerk. In jüngerer Zeit haben insbesondere Digitalisierungsthemen – etwa Investitionen in Prozesse – eine große Dynamik entfaltet.
Albers: Wir sind grundsätzlich sehr zufrieden mit der Geschäftsentwicklung der bKV in unserem Haus. Besonders spannend finde ich: Wir sind mit vielen großen Accounts schon seit Jahren im Gespräch über die bKV – sogenannte „Jumbo-Accounts“, also international tätige Großunternehmen, die sich mit dem Thema betriebliche Krankenversicherung bisher noch etwas schwertun. Es ist spannend zu beobachten, ob in den nächsten ein bis zwei Jahren nicht doch Budgets freigemacht oder reserviert werden. Ein solcher Abschluss hätte auch eine starke Signalwirkung für den deutschen Markt. Darüber hinaus sehen wir ein sehr ausgewogenes Bild über alle Branchen hinweg. Die Themen Gesundheitswesen und Handwerk kann ich ebenfalls bestätigen. Vor fünf Jahren hätte ich nicht erwartet, dass dies die Branchen sein würden, in denen wir besonders viele Abschlüsse sehen. Gleichzeitig sind wir auch in Gesprächen mit Start-ups. Es gibt kaum ein Unternehmen, das sich nicht irgendwann einmal für das Thema interessiert. Der Markt ist jedoch nach wie vor klein, sodass sich noch keine klaren Trends erkennen lassen.
Goldberg: Wir sind inzwischen auch nicht mehr ganz neu auf dem Markt und haben 2023 einen Budgettarif eingeführt. Wie alle anderen Anbieter registrieren wir eine sehr starke Nachfrage – auch bei kleineren Kollektiven. In diesem Punkt unterscheiden wir uns etwas von den Kolleginnen und Kollegen. Unser Wachstum im letzten Jahr war bereits erheblich. Das Thema Prozesse haben wir mit einer eigenen Verwaltungssoftware gelöst, die sehr gut angenommen wird. Bei größeren Tickets lernen wir zunehmend, dass es sich dabei eher um ein Marathon- als ein Sprintgeschäft handelt – ganz anders als bei den klassischen privaten Vollversicherungen. Insgesamt verzeichnen wir jedoch einen sehr positiven Trend in der bKV.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen im bKV-Vertrieb – auf Versicherer- wie auf Vermittlerseite? Oder anders gefragt: Mit welchen Wünschen kommen Makler und Vermittler beim Thema bKV auf Sie zu?
Avi-Tal: Grundsätzlich wünschen sich die Vermittler maximalen Support bei minimalem Aufwand. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Skalierbarkeit. Deshalb sind Investitionen in digitale Prozesse essenziell, um das Geschäft auszubauen. Der Vertriebssupport muss also sowohl prozessual als auch digital ausgestaltet sein. Dennoch bleibt das bKV-Geschäft ein „People’s Business“. Erfolgreich sind nur die Anbieter, die mit engagierten Teams dahinterstehen und Leidenschaft für das Thema mitbringen. Das wird vom Vermittlermarkt auch honoriert. Für die Vermittler stellt sich insbesondere die Frage: Gibt es einen persönlichen Ansprechpartner, der für das Thema Firmengeschäft zuständig ist?
Gaedicke: Ergänzend dazu: Nach meinem Wissenstand haben noch nicht einmal 50 Prozent der deutschen Einzelmakler bisher Erfahrung mit der bKV gesammelt. Oft fehlt der Mut, auf den Unternehmenschef zuzugehen und zu sagen: „Ich habe hier einen Vorteil für Sie.“ Selbst wenn sie regional gut vernetzt sind und vielleicht schon Erfahrung mit der Krankenversicherung haben. Dazu führen z.B. fachliche Vorbehalte, etwa: „Steuerlich ist das noch nicht ganz klar, da fühle ich mich nicht sicher.“ Deshalb braucht es viel persönliche Unterstützung nach dem Motto: „Das ist dein Kunde – ich nehme dich an die Hand und gehe mit dir gemeinsam dorthin.“ Dann ist man erfolgreich – und dann braucht man natürlich auch die digitalen Strecken im Hintergrund. In der Kundenanbahnung ist auch oft ein langer Atem gefragt: Die wenigsten Kunden schließen nach einem einzigen Beratungsgespräch ab. Gerade bei größeren Kollektiven erfolgt der Abschluss häufig erst nach sechs Monaten oder einem Jahr. Wir müssen also auch das Durchhaltevermögen der Vermittler gezielt unterstützen.
Marquardt: Mittlerweile gibt es etwa 20 Anbieter von Budgettarifen. Vermittler vergleichen diese Angebote oft nur auf Produktebene: Wie viel Budget bekomme ich für welchen Beitrag? Welche Leistungen sind enthalten? Kaum jemand spricht über digitale Themen, über Antragsstrecken, API-Schnittstellen zu Verwaltungsprogrammen oder digitale Inkassoprozesse. Ebenso wenig wird darüber gesprochen, wie schnell die Leistungen gewährt werden. Wie hoch ist die Fehlerquote bei der Rechnungserstattung? Oder wird das Leistungsangebot und die Inanspruchnahme den Mitarbeitenden nur auf deutsch oder auch in anderen Sprachen, z.B. englisch, griechisch oder türkisch erklärt? Die Antworten auf solche Fragen sind genauso wichtig wie das Produkt selbst. Es gibt viele Produktvergleiche von den Versicherern direkt – aber es fehlt ein neutraler und unabhängiger Vergleicher, der neben dem Produkt auch die Prozesse und digitalen Skills der Anbieter bewertet.
Albers: Ich kann mich dem Punkt des vertrieblichen Supports und der persönlichen Betreuung im Firmenkundengeschäft nur anschließen. Seit 2019 bieten wir unter dem Dach Corporate Employee Benefits die Themen bAV und bKV aus einer Hand an – und das in regionaler Ausrichtung. Zum 1. Januar 2025 haben wir uns im Maklervertrieb zusätzlich stark aufdie Mitarbeitendenabsicherung fokussiert. Dabei sehen wir bereits sehr positive Effekte. Die direkte Ansprache der Vermittler, die Begleitung vor Ort und die Teilnahme an Kundenterminen – das sind alles entscheidende Erfolgsfaktoren. Gleichzeitig, und das wurde schon mehrfach erwähnt, sind die Prozesse entscheidend – sowohl von uns zum Vermittler als auch vom Vermittler zum Arbeitgeber. Denn der Vermittler denkt nicht nur an den Abschluss, sondern will das Geschäft auch langfristig betreuen. Dafür muss er sicher sein, dass wir in der Lage sind, das Geschäft zuverlässig und effizient zu verwalten.

Goldberg: Es wurde bereits viel Richtiges gesagt. Wir kommen aus der dezentralen Betreuung – unser Kerngeschäft war lange Zeit die private Krankenversicherung, Gesundheit und Pflege. Die bKV ist vor zwei Jahren hinzugekommen. Unser großer Vorteil ist, dass wir auch den kleineren Makler ansprechen. Viele Mitbewerber fokussieren sich auf große Tickets und auf die ansässigen Spezialmakler für betriebliches Vorsorgegeschäft. Aber fährt wirklich jede Gesellschaft noch zu einem Makler mit zwei Mitarbeitenden und schult diesen? Kann man das überhaupt leisten? Wir können das – wir tun es – und das zeigt sich auch in unseren Zahlen: Fast 50 Prozent unseres Umsatzes kommt von Maklern aus der Fläche. Wir stellen den Service in den Mittelpunkt – und das wird von den Maklern entsprechend wertgeschätzt.Wie groß ist die Hemmschwelle überhaupt beim Vertrieb, das Thema bKV zu beraten?
Avi-Tal: Ich denke, die Hemmschwelle ist mittlerweile gar nicht mehr so hoch. Es würde mich wundern, wenn ein unternehmerisch aufgestellter Makler in der bKV keine Geschäftschancen erkennt. Schließlich kann man damit beim Kunden fast nur punkten. Ich würde sogar fragen: Wer kann es sich heute noch leisten, das Thema nicht zu beraten? Das meiste bKV-Geschäft erhalten wir von bAV-Maklern – nicht von KV-Maklern. Danach folgen bereits die Gewerbemakler. Der Grund dafür: Beide Gruppen haben sehr guten Zugang zu den Unternehmen. Nur wenige Vermittler haben die bKV als Kerngeschäft – und genau darin liegt eine große Chance. Die bKV kann ein Türöffner für das eigentliche Kerngeschäft, etwa im Bereich der bAV, sein.
Gaedicke: Auch meine Erfahrung zeigt: Wenn der klassische Einzelmakler erst einmal für das Thema begeistert wurde und den ersten Abschluss gemacht hat, ist er „heiß“ darauf. Häufig folgen dann schnell ein zweiter und dritter Abschluss – die innere Hürde ist überwunden. Es gibt mittlerweile auch einige spezialisierte Makler, die sich intensiv mit der bKV beschäftigen. Aber insgesamt stehen wir hier noch am Anfang.
Marquardt: Gerade für bAV-Makler ist die bKV oft ein echtes Aha-Erlebnis. Warum? Weil die Story keineswegs weniger spannend ist – im Gegenteil. Der Kunde erlebt hier sehr schnell konkrete Vorteile. Gleichzeitig sind die zu berücksichtigenden Sachverhalte deutlich schlanker und weniger komplex als in der bAV. Das schafft Begeisterung und Motivation, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Albers: Mit der bKV erreichen wir sicherlich auch Vermittlergruppen, die ein anderes Mindset und eine andere Positionierung gegenüber dem Kunden anstreben. Dabei steht nicht zwingend eine von Abhängigkeit und Haftung getriebene Beratung im Vordergrund, sondern eher die Positionierung als Consultant und Problemlöser. Hier liegt großes Potenzial – auch, um Menschen für die Versicherungsbranche zu begeistern.
Goldberg: Sicherlich gibt es draußen noch den einen oder anderen Makler – auch im Bereich der KV –, der sich bislang nicht intensiv mit dem Thema bKV beschäftigt hat. Aber genau hier liegt eine große Chance. Denn schaut man sich das gesamte Potenzial der bKV an, wird schnell deutlich, dass dieses Thema viel mehr ist als ein Nischenprodukt. Es lohnt sich, auch vermeintlich klassische KV-Makler gezielt anzusprechen und gemeinsam zu überlegen, wie sich erste Schritte im Bereich bKV gestalten lassen. Die Erfahrung zeigt: Hat man einmal den Einstieg geschafft, wächst oft auch das Interesse und die Bereitschaft, sich tiefergehend mit der bKV auseinanderzusetzen. Es ist ein Markt mit viel Luft nach oben – und die Zeit wird zeigen, wie groß die Dynamik hier noch werden kann.

Wird die bKV von Unternehmen heute eher als „Benefit nice-to-have“ oder als echter Wettbewerbsvorteil wahrgenommen?
Goldberg: Es wird viel über den „War for Talents“ gesprochen – also darum, Mitarbeitende zu halten und neue zu gewinnen. Ob das allein durch die bKV gelingt, sei dahingestellt, aber sie ist definitiv ein starker Hebel. In bestimmten Branchen führt kein Weg mehr an Benefit-Angeboten vorbei. Ob es immer die bKV sein muss, weiß ich nicht – aber sie gehört eindeutig dazu. Gesundheit und Motivation der Mitarbeitenden sind wichtige Themen. Bewerber fragen heute ganz konkret: „Was bietet der Arbeitgeber zusätzlich zum Gehalt und zu 30 Tagen Urlaub?“ Die bKV spielt dabei eine zunehmend wichtige Rolle.
Albers: Ich sehe das zweigeteilt. Wir haben in Deutschland eine sehr gute Gesundheitsversorgung im internationalen Vergleich. In global agierenden Unternehmen hat die Krankenversicherung über den Arbeitgeber oft einen höheren Stellenwert als hierzulande. Man könnte also fragen: Ist die bKV wichtiger als die Altersvorsorge? Für Deutschland würde ich das nicht ohne Weiteres bejahen. Aber wenn man betrachtet, wie sich junge Generationen entwickeln und was ihnen wichtig ist – etwa das Thema Purpose –, wird klar: Unternehmen müssen ihre Kultur darauf ausrichten, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu gehört auch, Gesundheit aktiv zu fördern. Schon Studierende und Schüler fühlen sich gestresst. Mentale Gesundheit ist längst ein zentrales Thema – noch bevor der Eintritt in den Arbeitsmarkt erfolgt. Die bKV kann hier sowohl durch Versicherungsprodukte als auch durch begleitende Services echte Antworten liefern. Dann ist sie deutlich mehr als ein „Nice-to-have“ – sie wird ein strategisch wichtiger Teil der Unternehmenskultur.
Marquardt: Aus meiner Sicht ist die bKV definitiv mehr als ein „Nice-to-have“. Sie ist Ausdruck unternehmerischer Haltung – und diese Haltung motiviert Mitarbeitende. Natürlich wird keine bKV den Krankenstand halbieren oder Kündigungen vollständig verhindern. Diese Erwartungshaltung sollten wir weder beim Arbeitgeber noch beim Vermittler schüren – das wäre unrealistisch. Aber es gibt viele zeitgemäße Argumente. Verkaufsunterlagen enthalten heute spannende Inhalte – oft aus realen Geschichten entstanden. So wird die bKV zu einem Instrument, zu einem Teil der Lösung. Mein Appell: Wir brauchen neue Anreize, neue Verkaufs- und Beratungsansätze. Denn die bKV ist längst mehr als ein bloßer Zusatznutzen.
Gaedicke: Ich finde, der Begriff „Fachkräftemangel“ greift zu kurz – wir haben einen generellen Personalmangel in Deutschland. Die bKV kann eine Antwort darauf sein. Der Begriff „Benefit“ ist mir ebenfalls zu oberflächlich, denn er stellt die bKV in Konkurrenz zu Tankgutschein, Jobrad oder Obstkorb. Dabei ist sie viel mehr. Ein großes Thema für viele Arbeitgeber sind derzeit die hohen Fehlzeiten. Natürlich würde ich niemals behaupten: „Mit der bKV reduzieren Sie zum Beispiel fünf Fehltage pro Mitarbeitendem.“ Aber ich erkläre schon, dass die bKV dabei helfen kann, die Gesundheit der Belegschaft zu unterstützen. Der Facharztservice zum Beispiel – oft nur als Nebenleistung betrachtet – bietet echten Mehrwert. Ich plädiere dafür, nicht in Konkurrenz zu anderen steuerlich begünstigten Leistungen zu denken. Stattdessen sollte Arbeitgebern das große Ganze skizziert werden – und wie dieser entsprechend seine Arbeitgebermarke positionieren kann.

Avi-Tal: Die bKV ist natürlich deutlich mehr als ein „Nice-to-have“. Sie bietet Unternehmen die Möglichkeit, sich vom Markt abzuheben – denn noch immer verfügen rund 90 Prozent der deutschen Firmen über keine bKV. Dennoch bewegen wir uns in einem Benefit-Kontext – ob wir wollen oder nicht. Deshalb macht es Sinn, dass wir uns mit diesem Umfeld auseinandersetzen. Was wünschen wir, was wünschen sich unsere Makler – und was ist die Realität beim Kunden? Letztere ist: Es geht um Benefits. Damit stehen wir auch im Wettbewerb mit völlig anderen Angeboten – wie Jobbike oder Fitnessstudio. Deshalb bieten wir in diesem Jahr ganz bewusst gemeinsam mit Allianz Leben und Allianz Kranken einen Benefit-Berater an. Wir müssen uns mit der Realität der Firmenkunden beschäftigen – und die lautet: Wer über bKV spricht, spricht auch über andere Zusatzangebote. Darauf wollen wir vorbereitet sein.
Laut einer Studie von „Heute und Morgen“ betrug die bKV-Durchdringung 2024 bei KMU 36 Prozent. Gibt es hier einen erhöhten Beratungsbedarf?
Albers: Ab einer gewissen Unternehmensgröße gibt es meist eigene Abteilungen für Versicherungen oder Benefits. Dort begegnet man einem ganz anderen Informationsstand, weil man sich intensiver mit diesen Themen auseinandergesetzt hat. In kleinen und mittleren Unternehmen hingegen ist oft eine umfassende Beratung erforderlich, die über die bKV hinaus auch die bAV sowie Sachversicherungen umfasst. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass die bKV nicht als Allheilmittel für sämtliche Herausforderungen im Unternehmen dargestellt werden sollte. Entscheidend ist, gemeinsam den optimalen Zeitpunkt für den Einstieg zu finden.
Marquardt: Bei KMU oder inhabergeführten Firmen geht es meist weniger um die Frage, welche bKV besser ist oder wie die konkreten Leistungen aussehen. Vielmehr stehen das praktische Handling und die Beseitigung von Verwaltungshürden im Vordergrund. Häufig müssen Fragen beantwortet werden wie: „Wie löst ihr das Thema Mehrsprachigkeit?“ – „Wie digital ist das Ganze umsetzbar?“ – „Wie schnell erfolgt die Leistungserstattung?“ – „Wie nutzerfreundlich ist eure App?“ Ich liebe die Arbeit mit KMUs, weil sie einen starken Gestaltungswillen haben. Sie wissen, was sie wollen.
Albers: KMU haben in der Tat einen ausgeprägten Umsetzungsdrang. Zwar fehlt oft eine spezialisierte Abteilung mit tiefgehendem Fachwissen, doch gerade in inhabergeführten Unternehmen sitzen meist pragmatische Entscheider. Wenn sie ein Konzept verstanden haben, geht es schnell in die Umsetzung. Das unterscheidet kleine und mittlere Unternehmen strukturell von größeren Firmen mit langwierigen Entscheidungsprozessen. Auch die kleinen Kollektive dürfen wir nicht ignorieren. Wir als Branche können nicht behaupten, die bKV sei ein echter Benefit für jeden Mitarbeiter, gleichzeitig aber Unternehmen mit unter zehn Mitarbeitenden pauschal ausschließen. Das würde sowohl die Arbeitgeber als auch unsere Vermittler verärgern. Deshalb müssen wir auch für diese Zielgruppe Lösungen anbieten – auch wenn es aktuell herausfordernder ist als bei Kollektiven ab 50 Beschäftigten.
Natalie Avi-Tal, Allianz Private Krankenversicherung: „Der Markt bis zehn Mitarbeitende bietet enormes Entwicklungspotenzial – auch im Hinblick auf ein prozessual skalierbares Geschäft, sofern die Digitalisierung mitwächst.“

Avi-Tal: Für uns als Versicherer stellt sich die Frage: Was können, wollen und werden wir leisten? Mit unserem neuen Portfolio fokussieren wir uns ganz bewusst auf Unternehmen ab fünf Mitarbeitenden, nicht darunter. Der Markt bis zehn Mitarbeitende bietet enormes Entwicklungspotenzial – auch im Hinblick auf ein prozessual skalierbares Geschäft, sofern die Digitalisierung mitwächst.
Goldberg: Auch wir richten unseren Fokus auf kleine Kollektive – immerhin machen sie 90 Prozent des Marktes aus, der zudem noch größtenteils unerschlossen ist. Die Umsetzung in kleinen Unternehmen ist wesentlich einfacher, da weniger Beteiligte in den Entscheidungsprozess eingebunden sind. Wir brauchen keine halbjährige Projektierungsphase. Der Makler erklärt es dem Kunden, und wenn es sich um einen Bestandskunden handelt, bietet das weitere Vorteile: Bestandswahrung, Bestandsausbau, Cross-Selling – und auch ein zusätzliches Einkommen für den Makler. Davon profitieren alle Beteiligten.
Welche Rolle spielen digitale Tools und Plattformen bei der erfolgreichen Einführung und Betreuung der bKV?
Goldberg: Die Digitalisierung spielt eine zentrale Rolle und wird zunehmend gefordert. Im Bereich der privaten Krankenversicherung (PKV) haben wir bereits eine benutzerfreundliche App entwickelt, die sich als sehr erfolgreich erwiesen hat. Daher war es ein logischer Schritt, ein eigenes Verwaltungsprogramm zu entwickeln – und genau das haben wir für die betriebliche Krankenversicherung (bKV) umgesetzt. Jedes Unternehmen, unabhängig von seiner Größe, möchte den Verwaltungsaufwand so gering und einfach wie möglich halten. Um dies zu erreichen, sind digitale Prozesse unerlässlich.
Gaedicke: Ein digitales Tool, das für die Personalabteilung leicht zu bedienen ist, ist heute ein Muss. Es sorgt für ein schnelles Verwaltungserlebnis. Aber ebenso wichtig wie die Benutzeroberfläche ist die dahinterliegende Prozesswelt. Hier müssen zentrale Fragen beantwortet werden: Haben wir wirklich funktionierende Gruppenvertragsstrukturen in unseren IT-Systemen? Sind Antrags-, Vertrags- und Leistungsprozesse effizient abbildbar? Wir haben als LKH unsere Prozesse entsprechend neu aufgesetzt und können so eine durchgängige und schnelle Bearbeitung sicherstellen. Zusätzlich haben wir uns bewusst für Xempus als Digitalpartner entschieden, weil dieser bereits im bAV-Bereich etabliert ist und auch für die bKV zehn Gesellschaften dort vertreten sind.
Marquardt: Natürlich benötigen wir mehr Digitalisierung – auch wenn das oft als Schlagwort benutzt wird. In der bKV ist sie von enormer Bedeutung, da hier eine Vielzahl an Personen versichert wird, die alle auch verwaltet werden müssen. Über unser Firmenportal, das technisch auf eVorsorge basiert, kann dies die Firma oder der Makler ganz einfach und zu 100 Prozent digital vornehmen. Ebenso bieten wir eine direkte Schnittstelle zu den Beratungs- und Abschlussstrecken und der Bestandsverwaltung von Xempus an und arbeiten aktuell am Go-Live mit einem dritten Portalanbieter. Unser Anspruch ist es, unseren Vertriebspartnern das jeweils bevorzugte bKV-Portal zur Verfügung zu stellen. Der Digitalisierungsgrad ist auch entscheidend für die Dunkelverarbeitung von Leistungsfällen. In diesem Bereich kursieren jedoch viele Halbwahrheiten – deshalb braucht es eine neue Qualität in der Kommunikation zwischen Versicherern und Maklern.

Albers: Unsere Einschätzung ist: Prozesse schlagen Produkte. In Zukunft werden diejenigen Anbieter gemeinsam mit den Vermittlern den Markt bestimmen, die die besten Prozesse bieten – beim Abschluss, in der Verwaltung und bei der Leistungserstattung. Aus diesem Grund investieren wir gezielt in diesen Bereich. Im Firmenkundengeschäft stehen wir kurz vor der Ablösung unserer Mainframe-Systeme. Das wird uns ermöglichen, neue Technologien einzusetzen und Prozesse nochmals deutlich zu vereinfachen.
Avi-Tal: Digitalisierung ist in zwei Dimensionen wichtig: Einerseits für die Arbeitgeberverwaltung, andererseits für die Customer Journey des einzelnen Mitarbeitenden. Beide Aspekte sind essenziell und bringen unterschiedliche Herausforderungen mit sich. Für unsere Firmenkunden haben wir FirmenOnline entwickelt, eine Plattform für die effiziente Verwaltung der bKV, aber auch der bAV. Für die Mitarbeitenden bieten wir seit vielen Jahren eine App an. Bei der Allianz erfolgen rund 80 Prozent der bKV-Einreichungen über unsere App, und 80 Prozent der Erstattungen werden innerhalb von 48 Stunden ausgezahlt. Das ist ein großartiges Kundenerlebnis.
Letzte Frage: Worüber sprechen wir im Mai 2026 in Bezug auf die bKV – und möglicherweise darüber hinaus?
Goldberg: Ein klarer Trend bei der HanseMerkur ist, dass wir uns zunehmend zum Gesundheitsdienstleister entwickeln und nicht mehr nur als reiner Erstattungsversicherer agieren. Themen wie Prävention, psychische Unterstützung und Coaching werden immer wichtiger. Insgesamt bleibt die bKV ein Wachstumsmarkt – auch, weil die Marktdurchdringung noch so gering ist, dass weiteres Wachstum unausweichlich ist.
Albers: Ein zentraler Trend ist die mentale Gesundheit – ein Thema, das sich leider immer weiter ausbreitet, gerade bei jungen Menschen. Das greifen wir in der bKV sowohl auf Produkt- als auch auf Serviceebene aktiv auf. Weitere Trends werden Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung sein. Diese Themen sind bei Arbeitgebern, die sich für die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden interessieren, oft schon präsent – und hier können wir mit bKV, bAV und ergänzenden Lösungen eine passende Antwort bieten. In Zukunft wird dieser Aspekt noch stärker in den Vordergrund rücken.
Marquardt: Der Markt wird sich in den nächsten zwölf Monaten im Hinblick auf die Beitragsstabilität der Versicherer neu sortieren. Das wird die Branche in den kommenden zwei bis drei Jahren stark beschäftigen. Ich beobachte das mit ein wenig Sorge. Abseits der klassischen Budgettarife, so clever sie auch sind, braucht die Branche neue Ideen – wie unser Budgettarif, bei dem das Budget bei Nutzung steigt. Vielleicht ist es sogar mal wieder an der Zeit für ganz neue Konzepte.
Gaedicke: Wir bauen um unseren bKV-Tarif bewusst umfassende Service-Angebote, die Arbeitgebern bei aktuellen Themen wie Gesundheitsförderung und mentaler Gesundheit unterstützen. Auch mit Blick auf den Koalitionsvertrag könnte die bKV ein neues Kapitel aufschlagen – insbesondere, wenn das sogenannte Primärprinzip eingeführt wird. Viele Rahmenbedingungen werden künftig eher förderlich als hinderlich für die bKV sein.
Avi-Tal: Die großen Megatrends – Gesundheit, Digitalisierung, Nachhaltigkeit – werden auch in zwölf Monaten noch Bestand haben. Die bKV ist ein Produkt, das auf mehrere dieser Trends einzahlt. Prozesse und Services rücken weiter in den Vordergrund. Zum 1. April haben wir das Thema mentale Gesundheit mit einem kostenlosen psychologischen Coaching als neuen Service eingeführt – ein Bereich, der sich schnell weiterentwickeln wird. In der Kommunikation mit Maklern müssen wir noch klarer herausstellen, welche Vorteile die bKV im Zusammenspiel mit anderen Benefits tatsächlich bietet.
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