EZB dreht wieder an der Zinsschraube – das sagen die Märkte

„Die Tatsache, dass Politikerinnen und Politiker die eigentliche Zinsentscheidung nicht beeinflussen können, sollte jetzt ihren Ehrgeiz steigern, bei den Themen aktiv zu werden, bei denen sie die Macht haben“, kommentiert Oliver Wittke¸ Hauptgeschäftsführer des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), die Lage. „Für den Wohnungsbau in Deutschland sehe ich sonst tiefschwarz.“ Noch in diesem Monat müsse es „den politischen Schub geben, den es zwingend braucht“. Wittke: „Der Wohnungsmangel droht zu eskalieren. Die Politik im Bund, in den Ländern und den Kommunen muss gegensteuern. Nicht irgendwann, sondern jetzt“

Der ZIA fordert unter anderem

  • Ein großvolumiges „KfW-Kreditprogramm Wohnen“ mit einem Zinssatz von zwei Prozent für Neubauten ab Standard EH 55
  • Eine Planungsbeschleunigung durch Ausweitung der Sonderregeln des § 246 BauGB auf den Mietwohnungsbau
  • Ein temporäres Aussetzen der Grunderwerbsteuer auch für Investorinnen und Investoren
  • Eine deutschlandweite Pflicht, 30 Prozent des erforderlichen Zubaus einer Stadt für serielles und modulares Bauen auszuweisen.

Die in Aussicht gestellten Erleichterungen durch die degressive Afa seien „ein wichtiges erstes Signal, mit dem die Bundesbauministerin hoffentlich ein Umdenken auf breiter Front angestoßen hat“, sagt Wittke. Denn steigende Baukosten plus steigende Zinslasten schreckten „immer mehr Investoren davon ab, ihre Pläne, die sie gefasst hatten, dann auch umzusetzen“.

„Die EZB will keine Zweifel an ihrer Entschlossenheit im Kampf gegen die Inflation aufkommen lassen. Angesichts der nur allmählich zurückgehenden Raten ist dies verständlich. Sie darf mit weiteren Zinserhöhungen jedoch nicht überziehen. Andernfalls würde sie die Wirtschaft zu stark dämpfen“, kommentiert Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), die Entscheidung der Notenbank für einen weiteren Zinsschritt. 

Schleweis erinnerte an die Wirkungsverzögerungen von geldpolitischen Maßnahmen. Deshalb sei die EZB nun gut beraten, den vollen Effekt ihrer bisherigen Schritte abzuwarten: „Die Maßnahmen wirken. Das ist an vielen Stellen klar zu erkennen. Zum Beispiel am Stillstand des Kredit- und Geldmengenwachstums.“ Gleichzeitig werde die Eintrübung in einigen Branchen immer offenkundiger. Schleweis: „Die EZB hat die Zinsen in einem beispiellosen Ausmaß und Tempo erhöht. Sie muss achtgeben, nicht über das Ziel hinauszuschießen.“  

Hinzu komme, dass mit dem Abschmelzen der Bilanzsumme der EZB, die Geldpolitik ohnehin weiter restriktiver werde. Gleiches gilt, wenn die Inflation weiter sinkt und damit der Realzins steigt. Der Realzins ist das Ergebnis aus Leitzinsen abzüglich der Inflationsrate. 

Tomas Peeters, Vorstandsvorsitzender der Baufi24 Baufinanzierung AG und CEO der Bilthouse-Gruppe: „One and done? Das war die These zahlreicher Marktteilnehmer vor der September-Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB). Es kam genauso: Am heutigen Donnerstag hob die EZB die Leitzinsen um abermals 25 Basispunkte auf einen Zinssatz von inzwischen 4,50 Prozent an. Es war bereits die zehnte Anhebung in Folge, seit die EZB im Sommer 2022 den historisch dynamischen Zinsanhebungszyklus begonnen hatte.

Gleichzeitig sieht es nun danach aus, als ob die Zinsschraube zunächst einmal fest angezogen sein könnte. Einerseits hält sich die Inflation zwar weiterhin hartnäckig: So lag die Inflationsrate im August in Deutschland trotz leichter Abschwächung immer noch bei happigen 6,1 Prozent bzw. bei 5,3 Prozent im Euroraum. Andererseits sind die Folgen der restriktiven Zinspolitik jedoch realwirtschaftlich inzwischen immer stärker zu spüren: So steckt die Bundesrepublik seit Monaten offiziell in der Rezession – die Wirtschaftsleistung dürfte im Gesamtjahr 2023 nach jüngsten Schätzungen um 0,5 Prozent schrumpfen. Schwächelt die Konjunkturlokomotive Deutschland, gerät die gesamte EU in die Stagnation. 

In der Immobilienbranche wurde die wirtschaftlich herausfordernde Entwicklung im vergangenen Jahr vorweggenommen. Die Immobilienpreise fielen, während die Bauzinsen synchron zum Leitzinsniveau der EZB anzogen. So schwierig die vergangenen Monate für die erfolgsverwöhnte Branche verlaufen sind, so chancenreich ist gleichzeitig die aktuelle Situation für Immobilienanwärter.

Während die Kreditzinsen in Erwartung eines stagnierenden Leitzinsniveaus seit einem halben Jahr nicht weiter zugelegt haben, sind die Immobilienpreise spürbar zurückgekommen. Allerdings noch nicht genug, da das Eigentumsangebot weiter deutlich geringer als die noch immer hohe Nachfrage ist. Hier liegt der Ball eindeutig im Spielfeld der Politik: Die Bundesregierung muss bei ihrem selbstgesteckten Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen (https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/wohnungsbau-bundesregierung-2006224), endlich nachlegen. Angesichts steigender Bevölkerungszahlen liegt die Lösung nicht in Mietdeckeln, sondern in mehr (bezahlbarem) Wohnraum, damit sich die Mieten auf einem vernünftigen Niveau einpendeln. Grundsätzlich ist eine höhere Eigentumsquote wünschenswert, damit für weniger Menschen die Notwendigkeit besteht, mieten zu müssen.

Potenzielle Käufer haben die Trümpfe in der Hand: Sie können ihre Finanzierung solide planen und befinden sich gleichzeitig bei der Suche nach ihrer Traumimmobilie in einer guten Verhandlungsposition. Wer zuerst kommt, sichert sich nun Rate und Preis für die eigenen vier Wände für einen absehbar langen Zeitraum, bevor sich der Wind an den Kapitalmärkten erneut drehen und ein neuer Boom die Preise treiben könnte. 

BVR-Präsidentin Marija Kolak: „Nach dem zehnten Erhöhungsschritt in Folge ist nun die Zeit für eine Zinspause gekommen, wie es auch die EZB andeutet. Es ist aber zu früh, einen Zinsstopp auszurufen. Die Geldpolitik muss die Inflationsentwicklung genau beobachten und bereit bleiben, notfalls mit weiteren Zinserhöhungsschritten nachzulegen.“ Die hohen Leitzinsen bremsten die Konjunktur im Euroraum bereits sehr deutlich, auch wenn das Wirtschaftswachstum im Euroraum anders als in Deutschland noch positiv ausfalle. Sie dürften aufgrund ihrer dämpfenden Wirkungen auf Investitionen und Konsum in den kommenden Monaten auch die Inflation spürbar verringern.

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