Jörg Kintzel: Mittelstand in Gefahr

Jörg Kintzel
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Jörg Kintzel, Valuniq

Es ist eine Schande, wie der jahrzehntelang aufgebaute Mittelstand zerstört wird. Um dem entgegenzuwirken, ist die zeitige und sorgfältige Nachfolgeplanung unerlässlich für den Fortbestand des eigenen Unternehmens. Gastbeitrag von Jörg Kintzel, Valuniq

Die Unternehmensnachfolge spielt eine wichtige Rolle für die Wirtschaft, da sie maßgeblich zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zur Stabilität von Unternehmen beiträgt. Laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn stehen in Deutschland in den Jahren zwischen 2022 und 2026 etwa 190.000 Unternehmen zur Übernahme an. Das ist eine Steigerung von 40.000 Unternehmen im Vergleich zu dem Zeitraum von 2018 bis 2022. Doch die Suche nach geeigneten Nachfolgerinnen und Nachfolgern gestaltet sich oft schwierig. Wir sehen das insbesondere bei Handwerks- und Familienunternehmen. Diese machen zwar den Großteil der deutschen Wirtschaft aus, in Sachen Nachfolgeplanung sind sie allerdings oft unzureichend aufgestellt. Konkret heißt das: Drei von zehn Unternehmern werden ihre Unternehmen unvorbereitet übergeben.

Das mag einerseits an unterschiedlichen Erwartungen und Interessen der Familienmitglieder liegen. Hierbei geht es oft um Fragen der Macht und des Einflusses im Unternehmen sowie um die Verteilung von Vermögen und Eigentum.

Anderseits habe ich den Eindruck, die Menschen haben immer mehr Angst vor dem Unternehmertum an sich. Ich gehe sogar einen Schritt weiter: Der Respekt vor der Leistung von Unternehmern geht zunehmend verloren. Die Schule und der Lehrplan stehen dafür exemplarisch. Wir haben zu wenig Kinder und sie lernen de facto nichts über das Unternehmertum. Ein anderes Beispiel ist das Handwerk. Statt einer Handwerks-Lehre und dem Einstieg ins Unternehmertum absolviert mittlerweile jedes zweite Kind in Deutschland das Gymnasium. Damit schaffen wir uns gerade selbst ab. Es ist eine Schande, wie der jahrzehntelang aufgebaute Mittelstand zerstört wird.

Um dem entgegenzuwirken, ist die zeitige und sorgfältige Nachfolgeplanung unerlässlich für den Fortbestand des eigenen Unternehmens. Eine erfolgreiche Nachfolge sichert nicht nur die Zukunft eines Lebenswerks, sondern auch Arbeitsplätze und Know-how. Jedoch wird die Nachfolgeplanung oft zu spät begonnen oder sie ist nicht ausreichend durchdacht. Als Finanzdienstleister und Unternehmensberater verbringen wir unzählige Stunden damit, die Probleme zu beseitigen, weil die Planung zu spät angegangen wurde. Und das kann dann richtig viel Geld kosten. Dabei ist der Anfang ganz einfach. Grundsätzlich gibt es drei Schicksalsschläge, die jeden Unternehmer treffen können: Unfall, Scheidung, Tod.

Klare Strukturen und Prozesse schaffen

Alle drei Bereiche beinhalten neben unternehmerischen Aspekten einen nicht unerheblichen privaten Vorsorgebedarf. Aus betrieblicher Sicht sind vor allem Handlungsfähigkeit und Nachfolge wichtige Themen. Zur Vorsorge vor Unfällen empfehlen wir unseren Mandanten einen „Notfallkoffer“. Dieser beinhaltet verschiedene Vollmachten zur Sicherstellung der weiteren Handlungsfähigkeit des Unternehmens. Im Ernstfall stellen sich sonst Fragen, beispielsweise die Lohnfortzahlung der Mitarbeiter.

Um Risiken und Probleme für die Nachfolge zu vermeiden, ist es wichtig, sich frühzeitig mit den Möglichkeiten auseinanderzusetzen: Klassische Nachfolge innerhalb der Familie und der M&A-Prozess (Mergers & Acquisitions). Konkret empfehlen wir unseren Mandanten, spätestens mit 50 Jahren die Nachfolgeplanung proaktiv zu beginnen, um diese selbstbestimmt gestalten zu können. Dazu gehört insbesondere, klare Strukturen und Prozesse zu schaffen. Damit bleiben Vermögen und Eigentum lange in der Familie oder das Unternehmen gewinnt an Attraktivität für den Verkauf. Denn mit langfristiger Planung lassen sich Vorkehrungen schaffen, um Gewinne zu halten und Steuern zu sparen. Zwar lässt sich auch im Todesfall die Gesamtsteuerbelastung der Erben durch verschiedene Maßnahmen minimieren, doch mit einer entsprechenden Vorbereitung fahren unsere Mandanten deutlich besser.

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer bietet nämlich wie kaum eine andere Steuerart Möglichkeiten, durch geeignete und rechtzeitige Gestaltungen die Besteuerung zu mindern oder sogar zu vermeiden. Konkret geht es dabei unter anderem um Themen wie die Ausnutzung von Staffeltarifen der Erbschaftssteuer, Vermeidung von Doppelbesteuerung durch das Überspringen einer Generation und frühzeitiges Ausnutzen von Schenkungsfreibeträgen.

Zusätzlich kann auch die rechtliche Struktur des Unternehmens Auswirkungen auf die Nachfolge haben. Zentral ist etwa die vorausschauende Gestaltung von Gesellschaftsverträgen und Rechtsformen. Wenn etwa eine GmbH in eine Holdingstruktur eingebettet ist, können sich natürlich weitere entscheidende Vorteile für die ganze Familie ergeben.

Die Chancen waren nie größer

Viele der M&A-Beratungen laufen in Deutschland über Maklerinnen und Makler. Dies hat entscheidende Nachteile. Entweder sie fangen in den Verhandlungen zu früh an, Preise zu kommunizieren und verschachern damit den unternehmerischen Lebenstraum. Oder sie machen vermeidbare Fehler, weil nicht alle nötigen Fachbereiche an einem Tisch sitzen. Aus diesen Gründen haben wir uns für einen anderen Weg entschieden: Wir bringen mit unserer Firmenfamilie und unseren Netzwerkpartnern alle notwendigen Spezialdisziplinen zusammen und ermöglichen einen ganzheitlichen Beratungsansatz, der die Themen Unternehmensstruktur, Steuern, Recht, Finanzen, Immobilien, Marke und digitale Sichtbarkeit umfasst. Es geht schließlich darum, Unternehmen bestehen zu lassen und größer zu machen. Einfach nur Assets herauszuziehen, darf keine Option sein. Das ist zwar für den deutschen Markt eher untypisch, wir glauben aber fest an die Vorteile dieser umfassenden Beratung.

Dieses Konzept zahlt sich auch im Gewinn-Management aus. Denn eines ist klar: Werden die Gewinne vor einem Verkauf nicht ausgekehrt, dann ist das eine Katastrophe und die über Jahre aufgebauten Gewinne bekommt der Käufer wegen falscher Vertragsgestaltung oft einfach geschenkt. Das liegt daran, dass erwirtschaftete Gewinne oft nicht liquide im Unternehmen vorhanden sind. Häufig wird versucht, mit unnötigen Investitionen die Gewinne steuerwirksam zu senken, ohne dabei auf den Abschreibungszeitraum von zehn Jahren zu achten. Entsprechend werden Gewinnvorträge aufgebaut, die notwendige Liquidität fließt allerdings durch die Anschaffungen unmittelbar ab. Damit sind die Gewinnvorträge durch die Kasse allerdings nicht mehr gedeckt und eine Ausschüttung der Gewinne ist überhaupt nicht mehr möglich.

Auf diese Art Steuern sparen zu wollen, ist meiner Ansicht nach dämlich. Handelt es sich um eine GmbH, ist diese ohnehin nur mit 30 Prozent Steuern belastet. Viel sinnvoller ist es, Gewinne zu optimieren – beispielsweise mit einer Holding. Das ist ein Unternehmen (meist eine GmbH), das Vermögen und Anteile anderer Firmen wie ein Tresor hält. Mit dieser Unternehmensstruktur können Gewinne mit circa 1,5 Prozent Besteuerung in die Holding ausgekehrt werden. Das ermöglicht eine andere Hebelwirkung: Investitionen werden über die Holding mittels Investitionsdarlehen getätigt. Ebenso kann man seine firmeneigene „Leasinggesellschaft“ aufbauen, deutlich verkürzte Abschreibungszeiträume nutzen und ein neues Geschäftsfeld generieren. Ich selbst optimiere als Investor mit meiner Holding die Gewinnerzielung aus den angeschlossenen Firmen und trenne gleichzeitig das Risiko meiner aktiven Firmen von meinem Gesamtvermögen. Investitionen in Risikogeschäftsfelder, wie zum Beispiel ein Investment in die Social-Media App „duso“, die bereits in Nürnberg erfolgreich läuft und in Kürze in München startet, werden so kalkulierbarer und am Ende deutlich spannender. Aber auch einfacher kalkulierbare Firmenbeteiligungen erwirtschaften bei der Investition über eine Holding – durch die im Ergebnis niedrigere Steuerlast – einen viel größeren Gewinnrückfluss.

Über eine Holding wird es für bestehende Unternehmen zunehmend interessanter, sich in andere Bereiche auszubreiten. Denn die hohe Zahl an übernahmefähigen Unternehmen und die geringe Nachfrage führen zwangsläufig zu geringeren Kaufpreisen. Wer einmal verstanden hat, wie ein Unternehmen aufgebaut und geführt wird, kann das immer wieder tun. Meiner Meinung nach wird das zwangsläufig zu einer stärkeren Bündelung von Unternehmen in Holding-Gesellschaften führen. Immer weniger Unternehmer werden immer mehr Unternehmen besitzen. Dabei hat es jeder selbst in der Hand. Die Chancen waren nie größer, als Unternehmer erfolgreich zu werden. Faktisch war es nie leichter, durch einen Gründungskauf als Nachfolger in einem Unternehmen zu starten.

Jörg Kintzel ist Vorstand der Valuniq AG.

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