Medikamenten-Produktion: KI wird zum Gamechanger

Vinay Thapar, Alliance Bernstein
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Vinay Thapar, AllianceBernstein

Die Entwicklung neuer Medikamente wird immer aufwändiger und lohnt sich immer weniger. Künstliche Intelligenz kann Pharmaunternehmen künftig dabei unterstützen, schneller neue Produkte auf den Markt zu bringen. Warum diese Entwicklung immense Auswirkungen haben könnte und welche Unternehmen bereits einen Schritt weiter sind, erklärt Healthcare-Experte Vinay Thapar, Portfolio Manager - Global Healthcare AllianceBernstein. 

Krankheiten besser zu verstehen und wirksame Therapien zu entwickeln, daran arbeiten Forschende in der Pharmaindustrie mit Hochdruck. Dennoch braucht es von der ersten Idee bis zur finalen Zulassung eines Medikaments oft weit mehr als zehn Jahre. Es werden Wirkstoffe gesucht, welche die dringendsten Gesundheitsprobleme der Welt lösen, bei den Patienten jedoch keine oder nur geringe Nebenwirkungen auslösen. Künstliche Intelligenz könnte diesen Prozess in Zukunft dramatisch beschleunigen. Mit erheblichen Folgen für alle Beteiligten: Unternehmen können ihre Kosten für Forschung und Entwicklung erheblich reduzieren und Patienten profitieren schneller von besseren oder sogar individuell auf sie abgestimmten Wirkstoffen.


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Zusätzliche Wertschöpfung von jährlich bis zu 110 Milliarden US-Dollar dank KI


Ein Blick auf die aktuellen Prozesse bei der Medikamentenentwicklung zeigt, welchen immensen Hebel KI in Zukunft haben könnte: Die Entwicklung eines neuen Medikaments ist komplex und aufwendig – etwa 92 Prozent der Arzneimittelkandidaten schaffen es nicht bis zur Marktreife. Dabei zeigt vor allem die Biotechnologie- und Gesundheitsbranche ein starkes Engagement für Innovationen, das zeigt auch die stetig wachsende Zahl neuer Wirkstoffe in der Entwicklungspipeline. Im Jahr 2023 wurden 21.292 neue Medikamente entwickelt, während es 2001 gerade mal 5.995 waren. Auch die Zulassungsrate der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) spiegelt diese Dynamik wider.

Künstliche Intelligenz könnte diesem Trend noch einmal einen deutlichen Schub verleihen. Für Investoren im Gesundheitssektor eine Chance: Eine aktuelle Studie des McKinsey Global Institute geht davon aus, dass generative Künstliche Intelligenz für die Pharma- und Medizintechnikbranche jährlich eine zusätzliche Wertschöpfung zwischen 60 Milliarden Dollar und 110 Milliarden Dollar erzielen könnte. Allein in der Frühphase der Entwicklung neuer Medikamente liege das Potenzial bei 15 Milliarden bis 28 Milliarden Dollar. Künstliche Intelligenz, die mit Daten zu Wirksamkeit, Bioverfügbarkeit und Nebenwirkungen von bereits bekannten Wirkstoffen gefüttert wird, ermöglicht es, schneller Wirkstoffe zu identifizieren, die in den folgenden klinischen Versuchen stabiler und erfolgreicher abschneiden als bislang. 

Ausrichten der Geschäftsmodelle auf KI notwendig, um langfristig zu profitieren 


Unter Experten ist es weitgehend unstrittg, dass KI das Potenzial hat die Medikamentenentwicklung zu revolutionieren. Für Investoren stellt sich bei der Auswahl geeigneter Anlagen die Frage, wie es Unternehmen schaffen, die neue Technologie dauerhaft als Wettbewerbsvorteile für sich zu nutzen. Die reine Anwendung reicht dafür nicht, denn spätestens, wenn sich KI branchenweit durchgesetzt hat, werden die Wettbewerbsvorteile der Frühanwender verpuffen. Unternehmen, die KI bis dahin noch nicht hinreichend in ihre Prozesse integriert haben, werden spätestens dann mit einem höheren Preisdruck zu kämpfen haben. Unternehmen hingegen, die sich dieser Risiken bewusst sind und ihre Geschäftsmodelle auf KI ausgerichtet haben, werden die Nase vorne haben – und bieten langfristig Chancen für Investoren.

Wie das konkret in der Praxis aussehen kann, zeigt Icon. Das Unternehmen bietet ausgelagerte Entwicklungs- und Vermarktungsdienstleistungen für Pharma-, Biotech- und Medizintechnikunternehmen sowie Behörden und Organisationen des öffentlichen Gesundheitswesens, dazu gehört etwa das Rekrutieren von Probanden. Die größte Herausforderung dabei: Ausreichend geeignete Patienten für die Studien zu gewinnen. Gelingt es nicht, hat das erhebliche Auswirkungen auf Budget und Zeitplan der Studie. Die Lösung von Icon: Das Unternehmen identifiziert mithilfe von KI geeignete Standorte, die die besten Voraussetzungen für den Erfolg derartiger Studien liefern.

Algorithmen für die Identifikation von Kundensegmenten 

Auch Veeva Systems hat sein Geschäftsmodell auf KI ausgerichtet. Das Unternehmen unterstützt Pharmaunternehmen beim Management klinischer Studien und sorgt etwa dafür, dass gesetzliche Vorschriften eingehalten werden. Zudem organisiert Veeva das Qualitätsmanagement und die spätere Vermarktung. Hierbei setzt Veeva mittlerweile gezielt auf Algorithmen, um Kundendaten zu analysieren und Muster zu erkennen, die zur Verbesserung der Vertriebs- und Marketingstrategien beitragen. Mittels Software kann Veeva beispielsweise ermitteln, welche Botschaften und Kanäle für die unterschiedlichen Kundensegmente am wirksamsten sind. Die Vorteile liegen auf der Hand: Pharmaunternehmen sind ist in der Lage, fundierte Entscheidungen zu treffen, um die Kundenbindung zu optimieren und nicht zuletzt Umsatz und Ertrag zu verbessern. 

Zwei Beispiele, die zeigen, dass KI bereits heute die Effizienz von Gesundheitssystemen steigern und damit zu Kosteneinsparungen für die ganze Branche beitragen kann. Auf lange Sicht kann die KI die Tür zu einer wirksameren und zugänglicheren personalisierten Medizin öffnen. Dazu sind nicht nur Investitionen in diesen Bereich nötig, sondern auch ein neues interdisziplinäres Denken von Experten aus den Bereichen KI, Chemie, Pharma und Biotech. Eine Entwicklung, die wir in den kommenden Jahren sehen werden. 

Vinay Thapar ist Portfolio Manager bei AllianceBernstein. In seiner Kolumne Vinay’s Vision wagt er regelmäßig einen Blick in die Zukunft von Medizin und Forschung und zeigt auf, wo sich für Investoren Chancen ergeben. Heute Teil 2: KI und die Medikamentenentwicklung.

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