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Oskar Hallier, Bridge: Das sind die Baustellen für Flexperto-Kunden

Oskar Hallier
Foto: Bridge ITS
Oskar Hallier, Bridge ITS: "Beratungstechnologie muss heute weit mehr leisten als einfache Videotelefonie."

Mit Flexperto hat ein wichtiger Anbieter von Beratungssoftware angekündigt, seine Plattform bis Ende 2026 einzustellen. Oskar Hallier, COO des konkurrierenden Softwarehauses Bridge ITS, erklärt, warum ein Anbieter-Wechsel nicht trivial ist. 

Die Kunden von Flexperto müssen sich für eine neue Beratungssoftware entscheiden. Sie haben das als Herausforderung für die Betroffenen bezeichnet. Warum? 

Hallier: Die betroffenen Vermittler und Makler stehen zur nächsten Hauptfälligkeit vor der Herausforderung, eine neue geeignete Lösung für digitale Beratungen zu implementieren. Zwar gibt es Alternativen für Onlineberatung, jedoch erfüllen allgemeine Videokonferenzlösungen wie GoogleMeet, Microsoft Teams oder Zoom nicht automatisch die spezifischen versicherungsfachlichen Anforderungen, etwa hinsichtlich integrierter Beratungsmodule, datenschutzkonformer Dokumentation und Schnittstellenanbindungen ans eigene CRM. Diese Anforderungen sind entscheidend, um bestmögliche digitale Beratungen und Dokumentationen gemäß regulatorischen und branchenspezifischen Standards sicherzustellen.


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Warum ist das so schwierig? Schließlich bietet Flexperto den Wechsel zu einem anderen Softwareanbieter an und hat angekündigt, in der Übergangsphase eng mit diesem zusammenzuarbeiten und die Migration bis Ende 2026 zu begleiten. Und können sich die Betroffenen ansonsten nicht einfach einen anderen IT-Dienstleister suchen?

Hallier: Genau das ergibt die Schwierigkeit. Durch den Wegfall von Flexperto muss jeder Kunde nun selbst entscheiden, welche Lösung seine Gewohnheiten und Ansprüche an eine digitale Beratungsplattform bestens abdeckt. Neben dem Vorschlag von Flexperto bietet der Markt so viele Alternativen mit variierender Tauglichkeit für die hohen Ansprüche im Finanz- und Versicherungsvertrieb. Beratungstechnologie muss heute weit mehr leisten als einfache Videotelefonie. Es geht um durchgängige Prozesse, Anbindung an CRM-Systeme, digitale Signaturen, Produktauswahlhilfen, Absprünge mit Kunden- und Vermittlerdaten in die Antragsstrecken der Versicherer – und im besten Fall sogar um KI-gestützte Gesprächsanalyse. Laut neustem AfW-Vermittlerbarometer nutzen 22 Prozent der befragten Makler die DIN77230 Basis-Finanzanalyse. Eine optimale Beratungssoftware beinhaltet Funktionen zur strukturierten und standardisierten Datenerhebung nach 77230. Wer nun also nur die Videokomponente ersetzt, verliert Funktionalität und Vertriebspotential. Hinzu käme, dass die Zusammenstellung mehrerer Tools für den Beratungsalltag Zeit, Know-how und die richtige strategische Entscheidung benötigt. 

Sie haben auch auf Herausforderungen in Bezug auf das Thema Zertifizierung hingewiesen. Worum geht es dabei? 

Hallier: Ein zentrales Thema in der Auswahl digitaler Beratungstechnologie ist die Konformität mit geltenden Regulierungen, sei es im Rahmen von IDD, DSGVO oder auch DORA für Versicherungsunternehmen. Wenn eine Beratungssoftware an die IT-Infrastruktur angebunden wird, muss diese im Rahmen des Drittanwenderrisikos die DORA-Anforderungen erfüllen. Dabei geht es nicht um formelle Zertifikate im klassischen Sinne, sondern um den faktischen Nachweis, dass eingesetzte Systeme die Anforderungen an Datenschutz, Informationssicherheit, technisch operative Maßnahmen (TOM) usw. erfüllen. Anbieter, die entsprechende Prüfprozesse (z. B. Penetrationstests, ISO-orientierte Sicherheitskonzepte, AVVs, Hosting-Nachweise) transparent vorlegen können, verschaffen den Vermittlern ein höheres Maß an Rechtssicherheit. Die Zertifizierung ist also weniger ein einzelnes Siegel, sondern das Ergebnis sauberer technischer, rechtlicher und organisatorischer Grundlagen – und genau das trennt im Markt die Spreu vom Weizen. Flexperto hatte all das. Der Versicherungsvermittler soll nun diese Dinge neu bewerten und sich womöglich schnell entscheiden, um im digitalen Vertrieb kein Potential liegen zu lassen.

Inwieweit ist die EU-Verordnung DORA über die digitale Resilienz im Finanzsektor (Digital Operational Resilience Act) in diesem Zusammenhang auch für den 34f-/34d-Vertrieb relevant?

Hallier: Rein formal sind Vermittler nach Paragraf 34f oder 34d GewO nicht direkt von der DORA-Verordnung betroffen – diese adressiert beaufsichtigte Institute wie Versicherer oder große Finanzinfrastrukturanbieter. Dennoch sollten sich auch Vermittler mit dem Thema befassen: Wenn Pools oder Versicherer künftig bestimmte Tools aufgrund von DORA-Anforderungen nicht mehr einsetzen dürfen, wirkt sich das indirekt auf den Vermittler aus. Zudem bleibt die Verantwortung für Datenschutz, Dokumentation und rechtssichere Kommunikation stets beim Vermittler selbst – etwa wenn personenbezogene Daten verarbeitet oder digitale Signaturen eingeholt werden.

Müssen auch Finanzdienstleister aktiv werden, die über ihre Pools oder die Versicherungsgesellschaften mit Flexperto-Software versorgt werden? 

Hallier: Wenn sie weiterhin bestmöglich digital beraten wollen, ja. Da betroffene Enterprisekunden von Flexperto nicht zwangsläufig das Leistungsspektrum in der gewohnten Form weiter führen werden, suchen sich deren Vermittler, insbesondere Handelsvertreter und Makler, neue Beratungslösungen. Wir verspüren seit Monaten eine enorme Nachfrage betroffener Vermittler, die nach einer Alternative mit allen geschätzten Funktionen suchen. Selbst wenn ein Ersatz für Flexperto vom Pool oder Versicherer angeboten werden sollte, ist nicht klar, in welchem Umfang dieser aufwartet.

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