„Gerade bei Gesellschafter-Geschäftsführern gibt es große Unsicherheit, wenn es um die Einrichtung einer betrieblichen Altersversorgung für ihre Person geht“, erläutert Michael Gerhard, Aktuar (DAV) bei Longial. Er berät mittelständische Unternehmen in Fragen der betrieblichen Altersversorgung und weiß aus Erfahrung, dass das vor allem steuerliche Gründe hat: „Denn bei den Anforderungen, welche die Finanzverwaltung an die steuerliche Anerkennung von Versorgungszusagen von Gesellschafter-Geschäftsführern stellt, kann ein Laie rasch den Überblick verlieren.“
So sind etwa Themen wie Erdienbarkeit, Angemessenheit und Ernsthaftigkeit zu beachten. „Aber auch die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine bAV erstmals eingerichtet werden kann, begegnet uns häufig“, so Gerhard weiter.
Probezeit bedeutet Nachteile
Die Finanzverwaltung vertrete seit geraumer Zeit die Auffassung, dass für Gesellschafter-Geschäftsführer nicht unmittelbar nach Firmengründung bzw. Diensteintritt eine Versorgungszusage mit steuerlicher Wirkung erteilt werden kann (vergleiche BMF-Schreiben vom 14. Dezember 2012, IV C 2 – S 2742/10/10001). Regelmäßig soll eine firmenbezogene Probezeit von fünf Jahren beziehungsweise eine personenbezogene Probezeit von drei Jahren eingehalten werden. „Die Einhaltung solcher Probezeiten ist aus verschiedenen Gründen von Nachteil“, betont Gerhard.“
So mindert sich dadurch nicht nur die mögliche Dauer der Finanzierung der bAV. „Auch wird der Beginn der Versorgungszusage auf einen Zeitpunkt verschoben, in dem womöglich weniger vorteilhafte Rechnungsgrundlagen gelten“, erklärt Gerhard. Dazu komme, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine etwaig erforderliche Gesundheitsprüfung womöglich nicht mehr ganz so positiv ausfalle. „Und für ältere Gesellschafter-Geschäftsführer stellt sich ferner die Frage, ob die Versorgungszusage bei einer späteren Erteilung überhaupt noch erdient werden kann“, erklärt Gerhard.
Ein Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf hat nach Aussage des bAV-Experten hier allerdings Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet (Urteil vom 16. Dezember 2021 – 6 K 2196/17): Ursprünglich hatte die Finanzverwaltung die Auffassung vertreten, dass entsprechende Probezeiten bei jeder Form der bAV zu beachten sind. Insbesondere sollte es keinen Unterschied machen, ob die Versorgungszusage arbeitgeber- oder arbeitnehmerfinanziert wird (vgl. Verfügung der Oberfinanzdirektion Niedersachsen vom 15. August 2014 (S 2742-259-St 241).
„Doch diese Ansicht hatte vor Gericht keinen Bestand: Das Finanzgericht Düsseldorf entschied 2021, dass die Einhaltung von Probezeiten für die steuerliche Anerkennung einer Versorgungzusage im Falle einer Entgeltumwandlung nicht erforderlich ist. Dies gelte zumindest bei einer „echten“ Entgeltumwandlung: Kommt es im Zusammenhang mit der Versorgungszusage zu unüblichen, sprunghaften Gehaltsveränderungen, könne in Ausnahmefällen eine nur zum Schein vereinbarte Entgeltumwandlung vermutet werden“, warnt Gerhard (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 07. März 2018 – IR 89/15).
Neue Rechtsprechung eröffnet Chancen
Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Auffassung des Finanzgericht Düsseldorf im Rahmen der Revision vom Bundesfinanzhof im Wesentlichen bestätigt werden dürfte. „Die weniger strenge Sicht bei einer auf Entgeltumwandlung beruhenden bAV eröffnet für Gesellschafter-Geschäftsführer neue Chancen für eine frühzeitige Zusageerteilung“, erläutert Gerhard weiter. „Dabei können sich nicht nur für die Entgeltumwandlung, sondern auch für eine beabsichtigte Arbeitgeberleistung positive Effekte ergeben. Denn beide Finanzierungsformen lassen sich miteinander kombinieren.“
Umsetzungs-Tipp
Ein entsprechendes Konzept könnte wie folgt aussehen: Soll grundsätzlich eine arbeitgeberfinanzierte Versorgungszusage eingerichtet werden, die aber aufgrund der steuerlichen Probezeit-Regelungen noch nicht möglich ist, lässt sich diese übergangsweise mit einer Entgeltumwandlung einleiten. Eine – ohne Probezeiten eingerichtete – Entgeltumwandlung kann beispielsweise nach drei Jahren auch wieder beendet werden.
Werde dann im Anschluss eine arbeitgeberfinanzierte Versorgungszusage erteilt, sei das hierfür erforderliche Finanzierungsmittel – die Direktversicherung beziehungsweise im Falle einer unmittelbaren Versorgungszusage oder Unterstützungskassen-Versorgung – Rückdeckungsversicherung – schon vorhanden. „Das für die Entgeltumwandlung eingerichtete Finanzierungsmittel kann für die Arbeitgeberleistung weiterverwendet werden. Es ist also weder ein Produkt mit neuen Rechnungsgrundlagen erforderlich, noch fallen erneute Abschlusskosten an. Zudem entfällt die Notwendigkeit einer neuen Gesundheitsprüfung“, so der Longial-Experte
„Dabei kommt es selbstverständlich darauf an, dass die bAV mit einem Finanzierungsprodukt unterlegt wird, in dem sowohl arbeitgeber- als auch arbeitnehmerfinanzierte Beitragsanteile gemeinsam verwaltet werden können“, betont Gerhard. Das sei in der Vergangenheit, zum Beispiel bei klassischen Lebensversicherungen, oft nicht der Fall gewesen.
Mischfinanzierung als ein Ausweg?
Bei Rückdeckungsversicherungen bestand nach Ansicht des Experten das Problem unter anderem darin, dass dort besondere Anforderungen für die – fiktive – Trennung der Finanzierungsbausteine für Zwecke der gesetzlichen Insolvenzsicherung gelten. Heute gibt es immer mehr Anbieter, die Produkte mit entsprechend zugelassener Mischfinanzierung zur Verfügung stellen, so Gerhard. Der Experte rät, hierauf ein besonderes Augenmerk zu legen, wenn ein entsprechendes Konzept installiert werden soll.
Entscheidungen zur Geschäftsführer-Versorgung müssten damit also nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden. Mithilfe kundiger Beratung und den Möglichkeiten der aktuellen Rechtsprechung lasse sich dem Ziel einer frühzeitigen Zusageerteilung mit der von den Beteiligten gewünschten Finanzierungsform in aller Regel sehr nahekommen.