Schroders-Expertenpanel: Was tun, wenn die Zinsen fallen?

Prozentzeichen auf einem Pfeil, der nach unten zeigt
Foto: PantherMedia/SWEviL
Alle warten auf Zinssenkungen, doch wie sollten sich Anleger positionieren, wenn es so kommt?

Experten von Schroders diskutieren, wie sich verschiedene Anlageklassen entwickeln könnten, wenn die Zinsen wieder sinken. Zudem beleuchten sie die Risiken, die sich ergeben, wenn man in Bargeld an der Seitenlinie bleibt.

Die Inflation lässt nach und die Märkte erwarten zunehmend, dass die US-Notenbank (Fed), die Europäische Zentralbank und die Bank of England allesamt im Juni die Zinsen senken werden. Sollten die Einlagensätze fallen, werden Barmittel weniger attraktiv. Gleichzeitig ist ein Umfeld sinkender Zinsen normalerweise sowohl für Aktien als auch Anleihen günstig. Remi Olu-Pitan, Leiterin Multi-Asset Growth and Income, Roberta Barr, Leiterin Value ESG und Fondsmanagerin, Equity Value, und Duncan Lamont, Leiter Strategic Research, diskutieren, wie Anleger auf das sich verändernde Anlageumfeld reagieren sollten.

Wie haben sich Anleihen und Aktien in früheren Zinssenkungszyklen entwickelt?

Duncan Lamont: „Im Durchschnitt entwickelt sich der Aktienmarkt sehr gut, wenn die Fed mit den Zinssenkungen beginnt. Die durchschnittliche Rendite über den Inflationsraten liegt zwölf Monate nach Beginn der Zinssenkungen bei 11 %. Staatsanleihen erreichen eine Outperformance von 5 % und Unternehmensanleihen von 6 %, während Barmittel reale (inflationsbereinigte) Renditen von 2 % erwirtschaften. Eine Anlage in Aktien und Anleihen brachte also recht gute reale Renditen, die weit über denen von Bargeld lagen.“

Remi Olu-Pitan: „Viele Anleger befürchten, dass der Markt die erwarteten Zinssenkungen bereits eingepreist hat. Der S&P 500 hat seit Oktober um 23 % zugelegt*. Während sich der Markt von einem sehr schwierigen Jahr 2022 erholt hat, ist die Tatsache, dass sich Aktien auch nach Zinssenkungen sehr gut entwickeln, wichtig. Wenn die Zinssenkungen stattfinden, treten die Opportunitätskosten in den Vordergrund.“


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Spielte es eine Rolle, ob die Wirtschaft eine harte oder sanfte Landung hinlegte, wenn die Zinsen gesenkt wurden?

Remi Olu-Pitan: „Weil wir mit einem nicht-rezessionären Zinssenkungszyklus rechnen, ist dies eine gute Gelegenheit für Anleihen. Einerseits stützen fallende Zinsen den Kapitalwert von Anleihen und andererseits sind die Risiken rund um Kreditspreads niedriger. Der Grund dafür? Wenn wir einer Rezession entgehen, können viele Unternehmen ihre Schulden zurückzahlen. Für Unternehmensanleihen ist das ein sehr günstiges Umfeld.“

Duncan Lamont: „Aktien haben sich in der Vergangenheit gut entwickelt, wenn eine Rezession vermieden wurde. Aber selbst wenn das nicht der Fall war, haben sie sich in einem Zinssenkungszyklus recht gut behauptet. Das sollte die Anleger etwas beruhigen. Sie fragen sich vielleicht: Aber was, wenn ich falsch liege? Nun, wenn sich das wirtschaftliche Umfeld eintrübt, entwickeln sich Aktien im Durchschnitt trotzdem relativ gut.“

Wie schätzen Sie den US-Aktienmarkt gegenüber anderen Aktienmärkten ein?

Remi Olu-Pitan: „Die USA waren bisher die einzige interessante Option. Das ist aber nicht länger der Fall. Die Tatsache, dass die Bank of Japan an negativen Realrenditen festhält, obwohl sie die Zinsen erhöht, macht dies deutlich. Das Wachstum sieht gut aus, die Inflation entwickelt sich gut, die Unternehmensführung verbessert sich: Die Zeit für japanische Aktien ist gekommen. Ich weiß, dass sie sich gut entwickelt haben. Unseres Erachtens sind die gesamtwirtschaftlichen Bedingungen aber jetzt für japanische Aktien ideal. Es ist an der Zeit, solide Unternehmen außerhalb der USA in Betracht zu ziehen.“

Duncan Lamont: „Ich habe mir die Konzentration in den USA angesehen. Sicher haben alle schon von den ‚Glorreichen Sieben‘ gehört. Diese Gruppe macht inzwischen einen größeren Anteil des globalen Aktienmarkts aus als die Gewichtung der nächsten fünf größten Länder (also ohne die USA) zusammen! Die USA machen einen sehr teuren Eindruck, weil diese sieben Unternehmen eben recht teuer sind. Wenn Sie sich stattdessen die Bewertungen der gleichgewichteten Version des Markts ansehen, dann sind diese gar nicht so teuer. Es gibt viele Gelegenheiten, um billigere Unternehmen zu erwerben, wenn Sie bereit sind, sich ein bisschen umzusehen.“

Wie sind diese Märkte einzuschätzen?

Roberta Barr: „Die massive Outperformance des S&P 500 überdeckt viele Unternehmen, die normale zyklische Tiefstände zu enormen Bewertungsabschlägen durchlaufen. Man sagt ja, dass es gerade kurz vor dem Sonnenaufgang am dunkelsten ist. Und tatsächlich sehen wir als Substanzanleger inzwischen einige hochinteressante Gelegenheiten. Es gibt hochwertige, ziemlich robuste Unternehmen, die einen Cashflow generieren und nicht zur Gruppe der Glorreichen Sieben gehören, die jetzt zu einem echten Abschlag erworben werden können.“ 

Remi Olu-Pitan: „Es gibt einige eindeutige gesamtwirtschaftliche und langfristige Trends, die für die Outperformance der USA im Vergleich zu anderen Märkten verantwortlich sind. Dazu zählen vor allem die überproportionale Vertretung von Technologieaktien und das Auftreten von KI, was die Performance auch in Zukunft stützen wird. In diesem Jahr entwickeln sich jedoch die Märkte in Taiwan und Südkorea genauso gut, weil auch hier Technologie- und Halbleiterunternehmen gut vertreten sind, sodass sie vom Thema KI profitieren. Das ist wichtig und darf von Anlegern nicht übersehen werden. Langsam werden die Bewertungen teuer, aber dieser Trend ist relevant.“

Remi Olu-Pitan: „Außerhalb der USA ist die Untergrenze für Inflation wahrscheinlich viel höher als das, woran wir gewöhnt sind. Das ist für Industrieunternehmen oft gut, also Unternehmen, die sich auf Aktivität und Handel konzentrieren. Das ist für Europa förderlich und einer der Gründe, warum Europa trotz des Pessimismus rund um das europäische Wachstum ein Comeback verzeichnet. Außerdem unterstützt dieser Trend zu einem gewissen Grad auch Japan. Deshalb glaube ich, dass wir uns auf die langfristigen Trends konzentrieren und die Unternehmen identifizieren müssen, die von ihnen profitieren.“

Die Märkte haben ein Allzeithoch erreicht – ist das ein Warnsignal?

Duncan Lamont: „Natürlich fühlt man sich als Anleger etwas unwohl, wenn der S&P 500 Allzeithochs erreicht. Das Bauchgefühl sagt einem, dass die Renditen höher sind, wenn die Märkte billiger sind. Diese Annahme wird aber von meiner Analyse historischer Daten widerlegt. Auf lange Sicht steigt der Markt, was bedeutet, dass er ziemlich oft ein neues Allzeithoch erreicht. Auch wenn Ihnen das nicht leichtfällt, wären Sie besser beraten, wenn Sie bei einem starken Markt investiert bleiben.“

Duncan Lamont: „Wer immer dann, wenn der US-Aktienmarkt ein Allzeithoch erreichte, in Bargeld umgeschichtet hat, hätte 90 % seines Vermögens verloren, wenn er mit der Anlage gewartet hätte, bis der Markt wieder fiel (über den gesamten untersuchten Zeitraum von fast 100 Jahren ab 1926). Über 10 Jahre hätte eine solche Strategie etwa ein Viertel des Vermögens zerstört, über 20 Jahre etwa ein Drittel und über 30 Jahre etwa die Hälfte.“

Roberta Barr: „Ein Allzeithoch bedeutet für Substanzinvestoren einmalige Chancen, wenn man auch alle anderen Entwicklungen am Markt berücksichtigt. Generell ist die Anlage in die Märkte natürlich eine gute Idee. Auf ausgewogene und diversifizierte Weise zu investieren, ist noch besser.“

Ein breiter Ansatz ist also am besten?

Roberta Barr: „Denken Sie einmal an die Tech-Blase: Es ist nicht so, dass das Internet die Welt nicht verändert hat und dass es keine tollen Unternehmen in dieser Blase gab. Es ist nur einfach so, dass die Bewertungen zu hoch waren. Kein Baum kann bis in den Himmel wachsen. Irgendwann ist die Obergrenze einfach erreicht. Diesen Zeitpunkt im Voraus zu bestimmen ist nicht möglich. Ich sage also nicht, dass Sie nicht in diese tollen Unternehmen investieren sollten. Ich meine einfach: Berücksichtigen Sie Substanz, diversifizieren Sie.“

Remi Olu-Pitan: „Wir glauben, dass eine sanfte Landung, nicht-rezessionäre Zinssenkungen und eine potenzielle Reflation inflationssensitive Vermögenswerte stützen werden. Rohstoffe sollten sich daher gut entwickeln. Diversifikation ist der Schlüssel, wenn Märkte auf ein Allzeithoch klettern. Ein diversifizierter Ansatz ist absolut unerlässlich. Es geht nicht darum, sich aus dem Markt zurückzuziehen, sondern darum, ein breiteres Chancenspektrum zu nutzen. Viele Kunden denken jetzt wieder an die Technologieblase. Substanzwerte sind wichtig.“

Zusammenfassung:

Remi Olu-Pitan: „In den nächsten Monaten werden die Zinssätze für Einlagen sinken, weshalb man Barmittel sinnvoll einsetzen muss, um eine höhere Rendite zu erzielen. Auch wenn Aktien angesichts des aktuellen Niveaus etwas Angst einflößen: Sehen Sie sich einmal außerhalb der USA um oder blicken Sie über Ihren Tellerrand hinaus und investieren Sie in andere Anlageklassen, wie Unternehmensanleihen, Rohstoffe und Sachanlagen.“

Roberta Barr: „Manchmal fühlt es sich an, als seien Barmittel die sichere und vernünftige Wahl. Tatsächlich aber sind sie wertvernichtend. Wenn Sie einen langen Anlagehorizont haben, zeigt die Vergangenheit, dass eine Anlage in die Märkte eine gute Idee sind. Denken Sie dann noch daran, zu diversifizieren und einige Substanztitel aufzunehmen.“

Duncan Lamont: „Wenn Sie auf Ihren Barmitteln sitzen und den perfekten Moment abwarten, um zu investieren, werden Sie für immer warten. Es wird sich nie gut anfühlen. Eine reflexartige Reaktion, alles zu investieren oder aus dem Markt ganz auszusteigen, ist immer riskant. Niemand kann den Zeitpunkt von Höchst- und Tiefstständen vorhersagen. Systematischere Investitionen führen auf lange Sicht zu höheren langfristigen Renditen.“

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