Schwellenländeranleihen: „Umfeld ist einzigartig und herausfordernd“

Foto: Blue Orchard
Laut Evariste Verchere, Blue Orchard, dürfte der Großteil der Rendite 2024 durch aktives Management aus relativen Bewertungsunterschieden zu holen sein.

Der Markt für Schwellenländeranleihen befindet sich nach Ansicht des Impact-Investment-Managers BlueOrchard aktuell in einem „einzigartigen und herausfordernden Umfeld“. 2022 sei von Inflationssorgen geprägt gewesen, 2023 vom Warten auf die geldpolitische Wende der US-Notenbank Fed.

„Das bevorstehende Jahr wird sich darum drehen, welche Art der wirtschaftlichen Landung auf uns zukommt“, schreibt Portfoliomanager Evariste Verchere in einem aktuellen Kommentar. Denn dies wirke sich nicht nur direkt auf die Ausfallraten von Anleihen aus, sondern auch auf die Bewertungen. Zudem sei 2024 von politischen Risiken geprägt, angesichts verschiedener Wahlen und anhaltender militärischer Konflikte. 

Der Markt preise momentan sechs Zinssenkungen der Fed ein, während die Notenbank selbst nur von drei solchen Schritten ausgehe. Verchere schreibt daher: „Wir erwarten, dass der Markt enttäuscht werden könnte“. Denn die Fed werde für den Fall einer möglichen Rezession Pulver trocken halten wollen, und zudem müsse sie ihre Bilanz auf ein normales Niveau zurück kürzen. „Daher könnten Marktteilnehmer weniger Zinssenkungen bekommen als ursprünglich erwartet.“

Unabhängig von der genauen globalen Entwicklung geht BlueOrchard davon aus, dass Schwellenländer sich 2024 besser entwickeln werden als Industriestaaten. „Das liegt vor allem an ihrer größeren Flexibilität bezüglich geld- und finanzpolitischer Unterstützung“, schreibt Verchere. Ein wichtiger Unterschied zwischen Schwellen- und Industrieländern sei die Zusammensetzung ihrer Verbraucherpreiskörbe, speziell hinsichtlich der Nahrungsmittelpreise. „Dies verschafft den Notenbanken der Emerging Markets mehr Spielraum, um ihre Geldpolitik bei Bedarf zu lockern.“ Fiskalpolitisch ergebe sich mehr Flexibilität aus den geringeren Verschuldungsquoten: Während der Internationale Währungsfonds für die G7-Industriestaaten Ende 2023 mit einer Verschuldungsquote von 128 Prozent des Bruttoinlandsproduktes rechne, seien es für die Schwellen- und Entwicklungsländer nur 67 Prozent. 

Die Risikoaufschläge von Schwellenländeranleihen wirkten historisch betrachtet womöglich recht eng. Dennoch seien die Papiere aus einer Risiko-Rendite-Perspektive heraus betrachtet attraktiv. So müsse beispielsweise die Rendite des J.P. Morgan ESG CEMBI Broad Diversified Constrained Index, der Dollar-Unternehmensanleihen aus Schwellenländern umfasst, um 160 Basispunkte steigen, um die Kuponerlöse zu nivellieren. Sollte die Fed die Zinsen um 75 Basispunkte senken, sei aber nur von einem Renditeanstieg um 75 Basispunkte auszugehen. 

Gleichzeitig unterstütze eine ebenso wie 2023 eher verhaltene Emissionstätigkeit den Markt, während die Nachfrage gesund sein dürfte. „Denn indexnahe Investoren werden Kuponzahlungen und auslaufende Papiere neu anlegen müssen, um nicht untergewichtet zu sein“, begründet Verchere. Der Experte erwartet 2024 vermehrt Emissionen in lokalen Währungen. Seine Begründung: „Weil die Dollar-Zinsen steigen, haben Unternehmen weniger Anreize, ihre Schulden am internationalen Markt zu erhöhen, und sie werden wahrscheinlich lokale Optionen bevorzugen.“ 

BlueOrchard setzt momentan vor allem auf Investmentgrade-Anleihen und eher kürzere Laufzeiten. „Angesichts der hohen Erwartungen an eine sanfte Landung der Weltwirtschaft gibt es Enttäuschungspotenzial. Daher sehen wir keine Notwendigkeit, unnötige Risiken einzugehen”, begründet Verchere. Der Großteil der Rendite dürfte 2024 durch aktives Management aus relativen Bewertungsunterschieden zu holen sein – im Unterschied zu den vergangenen beiden Jahren, als vor allem die breite Marktentwicklung ausschlaggebend gewesen sei.

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