So entwickeln sich Immobilienfonds im „Krisenjahr“ 2023

Foto: Swiss Life KVG
Klaus Speitmann, Swiss Life KVG: "Ein aktives Fondsmanagement mit Kompetenzen im Bereich Projektentwicklung ist wichtiger als je zuvor."

Weniger Neugeschäft, aber hohe Stabilität – das kennzeichnet derzeit das Segment der offenen Immobilienfonds. Allerdings sind nicht alle Immobilieninvestments in den kommenden Jahren Selbstläufer. Gastbeitrag von Klaus Speitmann, Leiter Vertrieb, Swiss Life Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH.



Wer die Entwicklung der deutschen Immobilienfonds analysiert, dem präsentiert sich zurzeit ein gemischtes Bild. Während das Nettovermögen aller deutschen offenen Immobilienfonds dem BVI zufolge mit insgesamt rund 132 Milliarden Euro zum Ende des ersten Quartals 2023 im Vorjahresvergleich gewachsen ist und sich auf einem Rekordniveau befindet, zeigt sich bei den Mittelaufkommen ein anderes Bild: Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum hat es sich im ersten Quartal deutlich verringert. Die Ratingagentur Scope kommt zum selben Ergebnis. Was bedeutet das für den Status quo und den Ausblick der deutschen Fondsbranche?

Zunächst einmal lässt sich feststellen, dass sich die Mittelabflüsse sehr in Grenzen halten. Darüber hinaus zeigt sich, dass die bisherigen Kündigungen gemessen am Fondsvolumen im Branchendurchschnitt als überschaubar bezeichnet werden können. Allerdings besteht durchaus die Herausforderung, dass zurzeit deutlich weniger Fondsanteile im Privatkundengeschäft abgesetzt werden. Das liegt unter anderem am aktuellen Zinsumfeld: Vor allem Tages- und Festgeldprodukte werden stark nachgefragt, bei denen – anders als bei Fonds – keine Ausgabeaufschläge anfallen.

Zudem scheint es so, dass auch einige Bankenvertriebe gezielt auf Tages-, Festgeld- und Sparbriefprodukte setzen, da die zugehörigen Häuser in der aktuellen Situation damit ihre eigene Kapitalbasis stärken können. Hierbei handelt es sich allerdings wahrscheinlich um ein kurzfristiges Phänomen: Sobald die Leitzinsen wieder sinken, werden auch Tages- und Festgeld weniger attraktiv und es entwickelt sich wieder ein Renditespread zu Sachwertefonds. Für Immobilienfonds gehen die meisten deutschen Anlegerinnen und Anleger hingegen nach wie vor von Haltedauern jenseits der zehn Jahre aus.

Bild der Kontinuität

Dennoch sind die zahlreichen marktbestimmenden Faktoren – neben den Zinsen auch die gestiegenen Energiepreise sowie die zunehmende Regulierung vor allem in Sachen ESG – eine Herausforderung für den Immobiliensektor. Deshalb muss sich die Fondsbranche die Frage nach der langfristigen Stabilität durchaus gefallen lassen. Hierbei zeigt die Scope-Studie „Offene Immobilienfonds, Marktstudie und Ratings 2023“, dass der Blick nach vorn keinesfalls besorgniserregend ist.

Einerseits hat sich das Marktumfeld gewandelt, und angesichts der Zinswende dürften sich die stetigen Immobilienaufwertungen der 2010er-Jahre in näherer Zukunft nicht in dieser Form fortsetzen. Andererseits unterstreichen die Studienautoren die hohe Stabilität bei der Vermietungssituation sowie die hohen Liquiditätspuffer der meisten Fondshäuser. Mit anderen Worten: Es besteht eine solide Grundlage für die Performance offener Immobilienfonds in den kommenden Jahren.

Dazu passt auch das Stimmungsbild aus der Branche selbst: Scope zufolge bewerten 87 Prozent der befragten Fondsgesellschaften ihre Lage als gut oder neutral. Darüber hinaus konnten 13 der 20 analysierten Fonds ihr Scope-Rating beibehalten.

Eine Frage der doppelten Diversifikation

Allerdings sind nicht alle Immobilieninvestments in den kommenden Jahren Selbstläufer. Daher lohnt sich sowohl für Anleger als auch für Intermediäre ein genauer Blick in die jeweiligen Portfolios. Angesichts der äußerst komplexen makroökonomischen Situation ist eine doppelte Diversifikation nach Standort und Assetklassen wichtiger denn je. Eine breite Streuung nach Standorten kann dabei verhindern, dass Rezessionen einzelner Volkswirtschaften oder auch die wirtschaftlichen Folgen von lokalem demografischem Wandel zu stark auf die Performance des gesamten Portfolios drückt. Darüber hinaus hat die Corona-Pandemie gezeigt, dass einzelne Assetklassen wie bestimmte Einzelhandels- oder Büroobjekte standortübergreifend von vorübergehenden Schocks betroffen sein können.

Es wäre jedoch ein völlig falscher Weg, die entsprechenden Assetklassen zu meiden. Ganz im Gegenteil: Viele der Assetklassen, die während der Pandemie stärker betroffen waren, sind inzwischen wieder stark nachgefragt. Dazu gehören neben Hotelimmobilien vor allem Bürogebäude. Eine von Swiss Life Asset Managers durchgeführte Studie zeigt, dass 75 Prozent aller Bürobeschäftigten ihren jeweiligen Büroarbeitsplatz und die dazugehörige Fläche als starken Einfluss auf ihr Arbeitsleben sehen – das Büro hat also auch in Zukunft seinen festen Platz in der Arbeits- und Lebenswelt der Menschen.

Darüber hinaus spielen Büros auch unter Investmentgesichtspunkten für Privatanleger eine große Rolle: In der Studie wurden Büroimmobilien als ebenso attraktiv wie Wohnimmobilien beurteilt. Ein nach Assetklassen übergreifendes Portfolio sollte zudem durch Nahversorgungsimmobilien sowie durch Gesundheitsimmobilien abgerundet werden – denn in diesen Segmenten steigt die Nachfrage nach hochwertigen Angeboten in den kommenden Jahren voraussichtlich stark an.

Das Baujahr spielt eine wichtige Rolle

Aber nicht nur die Zusammensetzung der Fondsportfolios nach Nutzungsart ist ein wichtiger Indikator für die Stabilität. Genauso relevant ist die Frage nach den Baualtern der jeweiligen Objekte. Neuwertige Immobilien bieten hierbei drei zentrale Vorteile: Erstens entsprechen die Flächenkonzepte den Ansprüchen der heutigen Lebenswelt besser, weshalb auf eine langfristige mieterseitige Nachfrage geschlossen werden kann. Zweitens – und vermutlich noch wichtiger – weisen Neubauimmobilien eine deutlich positivere Klimabilanz auf als ältere Bestände.

Dementsprechend werden selbst bei verschärfter politischer Regulierung in Sachen Energiebilanz und CO2-Ausstöße keine umfangreichen Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten nötig. Darüber hinaus besteht kaum Gefahr, dass neue Objekte zu Stranded Assets werden, also zu Immobilien, deren Wiederverkaufswert aufgrund mangelnder ESG-Konformität sinkt. Drittens sorgen die stark rückläufigen Baufertigstellungen dafür, dass das Angebot neuwertiger Flächen in den kommenden Jahren stark limitiert sein dürfte.

Fondsanteile oder Direktinvestment?

Gerade die Herausforderungen seitens der Politik sorgen derzeit für einige Unwägbarkeiten. Wird die angekündigte Sanierungspflicht kommen? Wie entwickelt sich die Fachdebatte zum Thema Wärmepumpen weiter? Fragen wie diese erfordern schnelle und richtige Reaktionen.

Deshalb ist ein aktives Fondsmanagement mit Kompetenzen im Bereich Projektentwicklung wichtiger als je zuvor. Das stellt einen entscheidenden Vorteil für Fondsbeteiligungen verglichen mit einem Direktinvestment dar. Neben den möglicherweise nötigen Kapitalausgaben muss der Anleger oftmals viel Zeit und Aufwand investieren, um seine direkt gehaltenen Immobilien auf den geforderten Stand zu bringen. Das kann freilich auch ein Fondsmanager mit der entsprechenden Expertise erledigen.

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