Wird künstliche Intelligenz (KI) die Versicherungs- und Finanzberatung durch Menschen eines Tages überflüssig machen? Die Antwort von verschiedenen Akteuren aus dem Vertrieb auf diese Frage ist – in unterschiedliche Worte gekleidet – im Kern stets die gleiche: „Nein“. KI kann unterstützen und dem Berater oder der Beraterin vorbereitende und organisatorische Arbeiten abnehmen, wird aber den menschlichen Kontakt nicht ersetzen – insbesondere nicht bei komplexen Versicherungsfragen oder der Altersvorsorge, so lautet fast immer der Tenor (siehe zuletzt Ausgabe Cash. 4/2025).
Doch bleibt es dabei? Noch sieht es danach aus, aber neuere Untersuchungen geben auch unterschiedliche Signale. Derzeit jedenfalls spielt KI im klassischen Finanz- und Versicherungsvertrieb in der Tat kaum eine Rolle. So setzen nach dem jüngsten „Vermittlerbarometer“ des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung nur 35 Prozent der Vermittlerinnen und Vermittler KI-Tools wie ChatGPT aktiv ein (siehe Grafik nächste Seite). Das ist zwar eine Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr (16 Prozent), aber noch immer verzichten demnach zwei Drittel der Finanzdienstleister komplett auf KI.
Nun klingen 35 Prozent nicht sooo wenig. Nach der Umfrage aus November 2024 mit über 1.100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, deren Ergebnisse der AfW im April veröffentlicht hat, nutzen jedoch nur 10,5 Prozent der Vermittelnden KI täglich, weitere 14 Prozent zumindest wöchentlich. Besonders häufig setzen Vermittelnde, die eine KI nutzen, diese demnach zur Texterstellung (88 Prozent), Ideenfindung (62 Prozent) oder Informationsbeschaffung ein, also für sich selbst und wahrscheinlich vielfach nicht strukturiert im täglichen Prozess, sondern Anlass bezogen. Die eine oder andere private Nutzung wird vielleicht auch darunter sein.
Geringe Rolle von KI im direkten Kundendialog
Der direkte Kundendialog mit KI spielt bisher eine sehr viel geringere Rolle: Nur 4,8 Prozent haben laut AfW-Vermittlerbarometer einen Chatbot für Kundenfragen im Einsatz. Auch davon ist wahrscheinlich wiederum nur ein kleiner Teil der KI-Beratung zuzurechnen.
Zum einen ist nicht jeder Chatbot überhaupt eine KI. Anwendungen, die nur vorgefertigte Antworten ausspucken, gehören streng genommen nicht dazu, jedenfalls nicht zur sogenannten „generativen KI“, die auf individuelle Fragen aus einem riesigen Datenpool beziehungsweise aus dem gesamten Web individuelle Antworten generiert und wiederum aus den Reaktionen darauf dazulernt. Zum anderen wird sich „Kundenfragen“ zum Teil auch auf Terminanfragen, andere organisatorische und Ablaufthemen oder allgemeine Fragen zur Funktionsweise oder dem Umfang spezieller Versicherungen beziehen, nicht aber auf die konkrete Finanzberatung.
Dort dürfte der KI-Anteil also noch weitaus geringer sein. „Trotz der zunehmenden Verbreitung gibt es weiterhin große Hürden für die Nutzung von KI in der Finanz- und Versicherungsvermittlung“, heißt es vom AfW. Die häufigsten Bedenken sind dem Vermittlerbarometer zufolge die Fehleranfälligkeit von KI (56 Prozent), der mögliche Kontrollverlust (41 Prozent) und Datenschutzbedenken (38 Prozent). Die Komplexität der Technologie stelle für 36 Prozent der Vermittelnden eine Herausforderung dar.