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Steigende Renditen, wachsende Zweifel: Wie sicher sind Staatsanleihen noch?

Anleihen
Foto: PantherMedia/timbrk
Wohin die Reise bei Bonds geht

Steigende Renditen signalisieren wachsende Risiken an den Anleihemärkten. Anleger stellen die Sicherheit selbst der stärksten Emittenten infrage. Welche Kräfte die Märkte bewegen – und warum der „sichere Hafen“ wankt.

Anleihen galten lange als Inbegriff sicherer Geldanlagen. Doch die jüngste Marktentwicklung stellt diese Gewissheit infrage. Im September stiegen die Renditen langfristiger Staatsanleihen in nahezu allen Industrieländern deutlich an – vielerorts auf Niveaus, die zuletzt vor über zwei Jahrzehnten verzeichnet wurden. Der Grund: Die Schuldenlast vieler Staaten wächst weiter, und das Vertrauen der Anleger in die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen schwindet.

Besonders in Europa sorgte die politische Lage in Frankreich für Unruhe. Die Rendite französischer Staatsanleihen mit 30-jähriger Laufzeit kletterte auf 4,5 Prozent – ein Wert, der zuletzt während der Schuldenkrise im Jahr 2009 erreicht wurde. Auch deutsche Bundesanleihen blieben nicht verschont: Dreißigjährige Papiere rentierten Anfang September mit 3,42 Prozent, dem höchsten Stand seit 2011.


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Renditen spiegeln stets das Verhältnis von Angebot und Nachfrage wider. Steigen sie, bedeutet das, dass Anleger geringere Preise für Anleihen akzeptieren – ein Indiz sinkenden Vertrauens. „Aktien pfui, Anleihen hui gilt schon lange nicht mehr. In Druckphasen verlieren beide Anlageklassen gleichermaßen“, sagt Maik Bolsmann, Geschäftsführer bei der B&K Vermögen in Köln. Für Rainer Kienzle, Vorstand der SVA Vermögensverwaltung Stuttgart, sind Inflation und Realrenditen die entscheidenden Risiken: „Spätestens bei übermäßiger Geldschöpfung wird ein steigender Inflationsdruck unvermeidlich.“

Auch Roland Schmack von Meine Werte GmbH in Münster beschreibt die Lage als ambivalent. „Einerseits gelten Anleihen weiterhin als sicherer Hafen, andererseits wirken steigende Defizite, politische Risiken und inflationsgetriebene Zinsanstiege zunehmend belastend.“ Dennoch beobachtet er, dass gerade in Krisenzeiten Anleihen westlicher Industrieländer oft eine stabilisierende Rolle spielen.

Diese Stabilitätsfunktion hat Grenzen. Staatsanleihen gelten zwar weiterhin als nominal sichere Anlageform, insbesondere wenn sie von Ländern mit eigener Notenbank stammen. Stefan Böhmerle, Geschäftsführer von e/r/w-Vermögensmanagement in Stuttgart, hält Staatsanleihen aus den USA, Japan und der Schweiz für vergleichsweise solide. Doch selbst hier bleibt das Risiko, dass hohe Renditen künftige Kursverluste vorwegnehmen.

Der Blick auf die Euro-Peripherie zeigt ein anderes Bild: Italien, Griechenland und Portugal profitieren von einer wieder gestiegenen Nachfrage, ihre Risikoprämien gegenüber deutschen Bundesanleihen fielen zeitweise auf den niedrigsten Stand seit 15 Jahren. Doch die Märkte bleiben sensibel – und reagieren auf politische und fiskalische Unsicherheiten empfindlicher denn je.

Autor Christian Euler ist Buchautor und Wirtschaftsjournalist.

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