Über 30 Prozent der Einzelhändler erwarten sinkende Umsätze

Paar mit Einkaufstüten
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Die Kauflaune in Deutschland ist gedämpft.

Während im vergangenen Jahr die Pandemie als eine der größten Herausforderungen für den Einzelhandel eingestuft wurde, sind es nun die Inflationsentwicklung und die gedämpfte Konsumstimmung. Für Investoren steht ein anderer Punkt an erster Stelle.

Von den Einzelhändlern nehmen 68 Prozent die Inflationsentwicklung und 53 Prozent die gedämpfte Konsumstimmung als zunehmende Herausforderung wahr. Als ebenfalls problematisch werden gestörte Lieferketten und die Produktbeschaffung (40 Prozent) angesehen. Das geht aus einem aktuellen Marktreport der Hahn Gruppe in Kooperation mit CBRE, Bulwiengesa und dem EHI Retail Institute hervor.

Der Anteil der Händler, die zu hohe Immobilienkosten und -mieten anführen ist demnach von 76 Prozent im Vorjahr auf 42 Prozent in diesem Jahr gesunken. Dagegen werden insbesondere wegen steigender Energiepreise die hohen Neben- und Bewirtschaftungskosten von 39 Prozent der Händler als gegenwärtig herausfordernd bewertet. Die Konkurrenz durch den Onlinehandel (acht Prozent; Vorjahr 41 Prozent) spielt in diesem Jahr nur eine untergeordnete Rolle bei den befragten Unternehmen.

Umsatzerwartungen eingetrübt

Die Umsatzerwartungen der Einzelhändler werden in diesem Jahr durch das insgesamt schwierige Marktumfeld sowie die gedämpfte Konsumstimmung der Verbraucher eingetrübt. So rechnen 21 Prozent mit sinkenden Umsätzen (Vorjahr: neun Prozent) respektive zehn Prozent sogar mit deutlich sinkenden Umsätzen (Vorjahr: ein Prozent) in der zweiten Jahreshälfte 2022 gegenüber der Vorjahresperiode.

Ebenfalls knapp ein Drittel der Vertriebslinien (32 Prozent) erwartet bis zum Jahresende stabile Umsätze (Vorjahr: 30 Prozent). Der Anteil an Experten, die zusammengefasst steigende beziehungsweise deutlich steigende Umsätze prognostizieren, ist im Vorjahresvergleich von 59 Prozent auf 38 Prozent gesunken.

Expansionsplanungen unverändert

Trotz der aktuell erschwerten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bleibt der Anteil der expansiven Filialisten auf einem ähnlich hohen Niveau wie im Vorjahr. Über die Hälfte der befragten Expansionsverantwortlichen (51 Prozent; Vorjahr: 52 Prozent) gibt an, die Standortanzahl bis zum Jahresende 2022 gegenüber dem Vorjahr erhöhen zu wollen.

In der differenzierten Branchenbetrachtung zeigen insbesondere die befragten Experten aus Gesundheit & Beauty (75 Prozent), Bekleidung (50 Prozent), Möbel (83 Prozent) sowie aus Hobby & Freizeit (71 Prozent) eine hohe Expansionsbereitschaft. Unverändert im Vergleich zum Vorjahr möchte ein Viertel das bestehende Filialnetz halten (Vorjahr: 25 Prozent) und 24 Prozent rechnen zum Jahresende mit weniger Filialstandorten (Vorjahr: 23 Prozent).

Zinsentwicklung bremst Investoren

Eng verbunden mit der aktuell schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage sind die vielfältigen Risikofaktoren beziehungsweise Herausforderungen für Immobilieninvestments, die von den Befragungsteilnehmern genannt werden. Die Mehrheit der Experten (93 Prozent) sieht insbesondere die Zinsentwicklung im europäischen Raum in den kommenden Monaten als potenziellen Belastungsfaktor für die Investitionsaktivitäten. Im Vorjahr waren lediglich 19 Prozent dieser Auffassung.

In diesem Kontext werden von den Experten ergänzend die Inflationsentwicklung (68 Prozent) sowie die generelle Eintrübung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (64 Prozent; Vorjahr: 28 Prozent) als Hemmnisse angeführt. Stetig zunehmende Nachhaltigkeitsanforderungen an die Immobilien und Immobilienfondsprodukte werden von über der Hälfte der Befragungsteilnehmer (55 Prozent; Vorjahr: 49 Prozent) als zunehmend komplexer wahrgenommen.

Objektverfügbarkeit deutlich verbessert

Die in der Vorjahresbefragung noch als größter Risikofaktor eingestufte Konkurrenz im Einzelhandel durch den E-Commerce ist angesichts der neu hinzugekommenen Herausforderungen etwas in den Hintergrund getreten und von 81 Prozent der Nennungen auf 48 Prozent zurückgegangen. Die Schwierigkeit der mangelnden Objektverfügbarkeit wird nach 49 Prozent im Vorjahr nur noch von einer kleinen Minderheit von neun Prozent als gegenwärtig relevante Herausforderung angesehen. Als neuen negativen Einflussfaktor schätzen 43 Prozent der Befragungsteilnehmer die noch nicht gänzlich greifbaren Folgen der Kriegshandlungen in der Ukraine für den Immobilien-Investmentmarkt ein.

Trotz der Herausforderungen und Risikofaktoren, die gegenwärtig sowohl das deutsche Investmentmarktumfeld flankieren als auch weltweit wirtschaftliche Verwerfungen hervorrufen, zeichnet sich hinsichtlich der Kaufneigung der befragten Investoren, wie in der Vorjahresbefragung, ein weiterhin positives Bild ab. So verfolgen weit über die Hälfte der Befragten (64 Prozent) in den kommenden sechs Monaten die Investmentstrategie des moderaten Zukaufs von Handelsimmobilien für ihre Portfolios. Im Vorjahr waren es mit 72 Prozent kaum mehr, die moderat beziehungsweise stark zukaufen wollten. Ein Viertel (Vorjahr: 19 Prozent) gibt an, dass sie ihr bestehendes Niveau von Handelsimmobilien in ihrem Portfolio bis zum Jahresende halten wollen. Ein Anteil von acht Prozent (Vorjahr: drei Prozent) möchte den Immobilienbestand in den kommenden sechs Monaten moderat verkleinern, wobei – wie im Vorjahr – kein Unternehmen stark verkaufen möchte.

Fachmarktzentren weiter im Fokus

Der Investment- beziehungsweise Finanzierungsfokus richtet sich mit 78 beziehungsweise 100 Prozent Anteil an den Nennungen sowohl bei den befragten Handelsimmobilien-Investoren als auch den Banken und Finanzinstituten unverändert zum Vorjahr auf Fachmarktzentren, gefolgt von Supermärkten/Lebensmittel-Discountern. Im Objekttyp-Ranking der Handelsimmobilien-Investoren liegen SB-Warenhäuser und Verbrauchermärkte auf Platz drei.

Auf den Plätzen vier bis sechs folgen Mixed-Use Immobilien, Geschäftshäuser in 1A-Lagen und Bau- und Heimwerkermärkte. Bei einem geringen Anteil von neun Prozent der Befragten besteht nach zwei Jahren wieder die Bereitschaft, in Shopping-Center zu investieren, nachdem diese in den beiden Vorjahren als Investitionsziel noch gar keine Erwähnung fanden.

80 Prozent akzeptieren Preisaufschläge für ESG-Konformität

Die Betrachtung von Nachhaltigkeitsaspekten (ESG) ist mittlerweile für die überwiegende Mehrheit der Handelsimmobilien-Investoren ein fester Bestandteil der Investitionsentscheidungen geworden. 55 Prozent der Befragten sehen darin einen sehr relevanten Faktor, weitere 39 Prozent halten ESG zumindest für relevant. Mittelfristig planen 78 Prozent der Anleger, in anerkannte Nachhaltigkeitsinvestments zu investieren.

Das Angebot der bereits als ESG-konform (Environment, Social, Governance) klassifizierten Immobilien ist allerdings noch begrenzt, sodass gut die Hälfte der Investoren (51 Prozent) derzeit bereit ist, für solche Immobilien einen Aufschlag von bis zu fünf Prozent zu zahlen beziehungsweise 29 Prozent sogar einen Aufschlag von bis zu zehn Prozent akzeptieren würden.

Im Bestand „Manage-to-Green“ im Vordergrund

Im Immobilienbestand liegt die Herausforderung nicht im Einkauf, sondern im „Manage-to-Green“: Die Maßnahmen zur Steigerung der ESG-Performance einer Immobilie sind vielfältig. Im Fokus stehen Initiativen zur CO2-Reduzierung und zur Minimierung des Ressourcenverbrauchs. Die Förderung der E-Mobilität, Photovoltaik, Smart Metering (digitale Verbrauchsmessung), grüne Mietverträge und Gebäudezertifizierungen, wie etwa DGNB spielen ebenfalls eine große Rolle. Ganz wichtig ist dabei ein guter Zugang zu den Mietern. Denn es bedarf bei vielen ESG-Themen einer Einbindung des Immobilienbetreibers, um den größtmöglichen nachhaltigen Nutzen zu erzielen.

Der von der Hahn Gruppe herausgegebene „Hahn Retail Real Estate Report 2022/2023“ ist erneut in Kooperation mit CBRE, Bulwiengesa und dem EHI Retail Institute entstanden. Bulwiengesa befasst sich dabei mit den wirtschaftlichen Rahmenbe­dingungen für den Einzelhandel sowie der Entwicklung der einzelnen Akteure. CBRE beschäftigt sich insbe­sondere mit dem Investmentmarkt für Handelsimmobilien. Ein weiterer Baustein sind die Expertenbe­fragungen, welche die Hahn Gruppe im Sommer 2022 bei Expansionsverant­wortlichen des Einzelhandels sowie Entscheidungsträgern von institutionellen Immo­bilien­investoren und Banken/Finanzinstituten durchgeführt hat. Die von der Hahn Gruppe in Zusammenarbeit mit dem EHI Retail Institute befragten Handelsunternehmen sind führende Akteure des Einzelhandels in Deutschland. Bei den befragten Investoren handelt es sich beispielsweise um Asset Manager, Versicherungen, Immobilien-AGs, Pensionskassen und Stiftungen.

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