EXKLUSIV

USA und China im Handelskrieg – was Seltene Erden damit zu tun haben

Foto: Philipp Plum Fotografie
Die Autoren des Buches: Andreas Kroll und Andreas Pietsch (rechts)

Das Thema Seltene Erden und Technologiemetalle wird aus Industriesicht aufgrund monopolistischer Gemengelage bei der Förderung existenziell wichtig. Ein neues Buch beleuchtet die Herausforderungen für Europa und vor allem Deutschland. Cash. bringt Auszüge des Buchs

Andreas Kroll, seit 2006 als Finanzmarktanalyst mit Fokus auf Rohstoffe, und Andreas Pietsch, seit 2004 Sachwertspezialist mit Fokus auf Edelmetalle und Rohstoffe, gründeten 2014 die Firma Noble Elements; das engagierte Unternehmen ist inzwischen bei Technologiemetallen und Seltenen Erden einer der führenden europäischen Rohstoffhändler. Sie beschreiben in ihrem Buch: „Seltene Erden & Co.: Das Kokain der Industrie“, warum diese Metalle so wichtig für uns sind und wie groß die Herausforderungen der Industrie sind, an diese Metalle heranzukommen. Cash. veröffentlicht exklusiv Auszüge aus dem Buch.

„Am 9. August 2023 rief Joseph R. Biden den nationalen Notstand aus. Dabei war gar nichts geschehen – noch nicht. Aber das Szenario, das der US-Präsident offenbar vor Augen hatte, erschien ihm schon so real, dass er an diesem Tag ein Dekret unterzeichnete, das ihm geeignet zu sein schien, einer offenbar erheblichen Bedrohung standzuhalten. Was ihn alarmiert hatte, waren Chinas wachsende ökonomische Macht und technologische Entwicklung. Der Finanzminister darf seit jenem Mittwoch US-Unternehmen untersagen, in China zu investieren, und zwar in den Bereichen Chips, künstliche Intelligenzsysteme und Quantentechnologie. Felix Lee kommentierte in der taz: „Donald Trump hatte als US-Präsident den Handelskrieg mit China angezettelt. Sein Nachfolger Joe Biden setzt ihn nun mit aller Härte fort.“ Ziel sei es, die chinesische Technologieindustrie zu schwächen, die in immer mehr Bereichen dabei ist, den Hightechsektor der USA einzuholen. Ausgerechnet in der dem Freihandel und der Globalisierung gegenüber traditionell eher reservierten taz war nun zu lesen:

„Für den Welthandel verheißt Bidens Dekret nichts Gutes.“ Biden hatte jedoch eine ganz andere Begründung gegeben: US-Geheimdienste hätten Hinweise darauf, dass moderne chinesische Waffensysteme amerikanisches Know-how enthielten. Es ginge ihm um die nationale Sicherheit.

Tatsächlich, da hatte Lee recht, war es Donald Trump gewesen, der schon 2018 versucht hatte, die eigene Industrie mit Importzöllen auf chinesische Waren zu schützen, worauf China mit eigenen Schutzzöllen konterte. Und dann kam die Zeit von Krieg und Sanktionen, als die Lieferketten rissen und man sich erzählte, dass Russland Waschmaschinen gekauft habe, um daraus die Chips für seine Raketen zu entnehmen. Egal ob wahr oder Fake News – möglich wäre das schon. In Deutschland konnten Autos während der Coronakrise nicht ausgeliefert werden, weil es nicht genügend Chips gab.28 Damals stellte die Welt fest: Computerchips sind eine Währung für sich. Die Welt braucht Chips der neuesten Generation für alles, was zukunftsgetrieben ist. Chips aus Gallium und Hafnium oder Germanium.

Der Erste, der konstruktiv reagierte, war Joe Biden. Mit dem CHIPS and Science Act, den der Präsident am 9. August 2022 unterzeichnete, stellten die USA 280 Milliarden US-Dollar, mehr als 250 Milliarden Euro, aus staatlichen und privaten Investitionen zur Förderung von Forschung, Entwicklung, Fertigung und Personalentwicklung bereit, davon ein erklecklicher Anteil in der Halbleiterindustrie. Offenkundig sollte die heimische Halbleiterindustrie gegen internationale Konkurrenz gestärkt werden. Es geht immerhin um einen unersetzlichen Baustein aller wichtigen Technologien − von der digitalen und der ökologischen Transformation über Automobilindustrie, Datenverarbeitung und Kommunikation bis hin zu Medizin, Militär und Raumfahrt − und darum, China auf Abstand zu halten. Da Taiwan der größte Chipproduzent der Welt ist, gefolgt von Südkorea, besteht die größte Sorge der Automobilindustrie inzwischen darin, dass China sich entschließt, Taiwan anzugreifen. Das hätte zur Folge, dass die westliche Welt mit Sanktionen reagiert und China als Antwort die Metalle nicht mehr schickt, die auch Europa benötigt. Es ging also darum, diese nicht nur für die Wirtschaft, sondern den Wohlstand des ganzen Staates entscheidende Ressource aus dieser gefährdeten Region weg und nach Hause zu bringen – durch „hilfreiche Anreize für die Halbleiterproduktion“.

Die USA investieren in erheblichem Maß in ihre Unabhängigkeit: Seit 2020 hat die Regierung, jede Regierung, für das Ziel einer nachhaltigen Lieferkette von der Mine bis zum Magneten 439 Millionen Dollar ausgegeben. Dazu gehört auch, in den USA geförderte SEE im Land zu trennen und zu raffinieren. Das US-Verteidigungsministerium finanziert seither inländische Lieferketten, „um einen kontinuierlichen Zugang zu den Seltenerdmaterialien sicherzustellen, die für die Herstellung der Permanentmagnete benötigt werden, die in wichtigen US-Militärwaffensystemen verwendet werden“. Bei der Entwicklung ihres Verteidigungssystems „könnten es sich die USA nicht mehr leisten, sich bei kritischen Komponenten an zentralen Stellen (O-Ton: nodes, Single-Points-of-Failure) der nationalen Sicherheit aufs Ausland zu verlassen“.29 Mit ihrem eigenen, im Juli 2023 beschlossenen Chips-Act geht die Europäische Union (EU) einen ähnlichen, wenn auch bescheideneren Weg als die USA. Mehr als 43 Milliarden Euro aus öffentlichen und privaten Kassen sollen die Produktion von Halbleitern in der EU fördern. Ziel ist es, den Anteil der EU an der Produktion von unter 10 auf 20 Prozent zu erhöhen. Auch China zog nach, im Mai 2024 standen Fonds mit rund 65 Milliarden Euro für eigene Produktionsstätten in der Chipindustrie zur Verfügung. […]“

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