Wenn Konsolidierer Konsolidierer konsolidieren?

Foto: Anna Mutter
Michael Neuhalfen: "Monopolstellung werden andere Aspiranten nicht ohne Weiteres zulassen."

Man spricht in diesen Zeiten viel über sogenannte Konsolidierer. Gemeint sind in aller Regel diejenigen Makler-Unternehmen, die andere in der Regel kleinere Maklerunternehmen mehrheitlich oder ganz erwerben und damit der eigenen Organisation hinzufügen. Ein Zwischenruf von Michael Neuhalfen.

Fragt man den Duden bedeutet Konsolidieren „in seinem Bestand festigen, sichern“, man macht also etwas solider. Das klingt positiv und ist auch eine gute Sache für alle Beteiligten, denn diese Unternehmensverkäufe finden auf freiwilliger Basis statt. Es gibt Angebot und Nachfrage, man verhandelt und wird sich einig. Das sollte das Normalste der Welt sein. Aber es gibt Nebengeräusche und Stimmen, die einerseits fragen, ob denn diese Ballung von Marktanteilen und damit Marktmacht gut für den Wettbewerb ist.

Und was sagt der Kunde dazu, denn der Versicherungsnehmer ist letztlich derjenige, von dem alle in der Wertschöpfungskette leben. Zudem wird die Sorge formuliert, was passiert, wenn nur noch wenige ganz große Vermittlungs-Unternehmen den Markt dominieren und sie die verbleibenden kleinen Unternehmen vermeintlich in der Chancenlosigkeit zurücklassen. Dieses Gespenst der Oligopolisierung ist im Allgemeinen nichts Neues, nur in der Assekuranz und insbesondere in der Vermittlerlandschaft ist das tatsächlich ein neuer Aspekt.

Ein fragmentierter Markt

Stand Juli 2023 gibt es rund 183.000 Versicherungsvermittler (davon 46.000 Makler). Das ist eine große Zahl und wird an vielen Stellen als fragmentierter Markt und als noch völlig unkonsolidiert beschrieben. Es gibt allerdings auch 165.000 zugelassene Rechtsanwälte in Deutschland. Müsste es da nicht ähnliche Diskussionen geben?

Bezogen auf die Versicherungsvermittlung fällt Deutschland nicht durch völlige Überversorgung auf. Im europäischen Vergleich sind wir mit der Quote „Vermittler pro 100.000 Einwohner“ zwar im oberen Bereich, aber das ist historisch gewachsen. Auffällig ist, dass in anderen bevölkerungsreichen Staaten deutlich andere Quoten festgestellt werden: Wo Deutschland in 2021 noch etwa 240 Vermittler pro 100.000 Einwohner vermeldet, sehen wir in Polen nur noch 32 und in Großbritannien gar nur noch 15. Dieser eklatante Unterschied resultiert aus jahrelangen Entwicklungen in den Ländern und scheint sich mittlerweile auch im Versorgungsniveau der Bevölkerung zu zeigen, insbesondere in den Themen der privaten Altersvorsorge.

Unstrittig hat sich in den letzten Jahren erstaunlich viel in der deutschen Versicherungsvermittlerlandschaft getan. Zudem hat die bisherige Zinsschwäche diese Branche auch für ausländische Anleger und Investoren hochinteressant gemacht. In beeindruckender Geschwindigkeit haben sich große Gruppen und aggregierte Vermittler-Organisationen gebildet, die die Schwerkraftverhältnisse bereits verändern. Die Dynamik der Übernahmemeldungen scheint sich abzuschwächen, ist aber noch lange nicht vorbei.

Entsteht ein Supermakler?

Das führt zu der Frage, wann sich die Übernahmeblicke und -avancen nicht mehr nach unten zu den Kleineren richten, sondern eher zur Seite oder gar nach oben zu ähnlich großen Marktbegleitern. Sofern schiere Größe das Konsolidierungsmotiv sein sollte, läge das recht nahe. Denkt man dieses Szenario mutig weiter, könnte am Ende ein deutscher oder gar europäisch aufgestellter Supermakler stehen, der mit seinen vielfältigen Aktivitäten alle Spielfelder hoch qualifiziert besetzt und damit tatsächlich marktbeherrschend wird. Von dem Widerstand der Wettbewerbshüter abgesehen ist allerdings nicht sicher, ob das so kommen wird. Diese denkbare Monopolstellung werden andere Aspiranten nicht ohne Weiteres zulassen. Größe allein ist eben nicht alles und große, schnell gewachsene Unternehmensgruppen zerfallen manchmal auch wieder in neue Teilmengen. Beispiele aus anderen Industrien gibt es.

Die mittlerweile wieder existierenden Zinsen für andere Anlagemöglichkeiten schwächen tendenziell die Attraktivität und damit die Renditechancen für Investments in Versicherungsvermittlungs-Unternehmen. So ist es nicht ausgeschlossen, dass mancher der sogenannten Konsolidierer nicht seinerseits erworben wird, sondern sich anderen Wirtschaftsfeldern zuwendet und deswegen von der strategischen Landkarte der Assekuranz verschwindet.

Wir alle werden sehen, was passiert, wir sind mittendrin.

Michael Neuhalfen ist Abteilungsdirektor und Vertriebsleiter der Alte Leipziger Versicherung AG

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