Zinssenkungen – nichts Genaues weiß man nicht, oder doch?

Foto: Florian Sonntag
Frank O. Milewski, Cash.

Die EZB-Entscheidung am Donnerstag war eigentlich ein non-event. Alles blieb unverändert, was alle auch so erwartet hatten. Und dennoch schossen Spekulationen über mögliche Zinssenkungen ins Kraut. Ein Kommentar von Cash.-Chefredakteur Frank O. Milewski

Am Donnerstag war es wieder soweit. Märkte und Investoren hielten den Atem an. Der Grund, die monatliche Sitzung des EZB-Rates stand an. Allerdings verkündete EZB-Chefin Christine Lagarde nur, was ohnehin allgemein erwartet wurde. Die Leitzinsen im Euroraum bleiben unverändert. Soweit so gut und so wenig nachrichtlich und kurstreibend relevant war diese Entscheidung.

Spannender wurde es dann schon, was den Ausblick für das noch junge Jahr betraf. Frühere Notenbank-Präsidenten, allen voran der ehemalige FED-Chef Alan Greenspan – oft als Magier der Märkte bezeichnet – konnten in dieser Hinsicht mit scheinbar lapidaren Randbemerkungen ganze Märkte zum Beben bringen. Zumindest waren die Aussagen, wenn auch häufig nur zwischen den Zeilen zu lesen und zu erkennen, eindeutig und eine Orientierung für die Märkte.

Raum für Interpretationen

Am Donnerstag dagegen sagte Lagarde, es sei Konsens im EZB-Rat, „dass es verfrüht ist, über Zinssenkungen zu diskutieren“. Eigentlich eine klare Aussage, wenn es da nicht vor kurzem das Weltwirtschaftsforum in Davos gegeben hätte. Dort hatte die EZB-Chefin noch davon gesprochen, dass eine Zinssenkung in diesem Sommer durchaus wahrscheinlich sei.

Klare Kante zeigen ist irgendwie anders und die Märkte reagieren auf einen solchen Zickzack-Kurs normalerweise mit großer Verunsicherung. Die blieb am Donnerstag aus, der DAX erholte sich sogar leicht und mühte sich aus dem Minusbereich. Vermutlich aber nur, weil Lagarde die von vielen Marktteilnehmern herbeigesehnten Zinssenkungen für den weiteren Jahresverlauf nicht gänzlich ausgeschlossen hat.

Raum für Spekulationen

Und obwohl Lagarde betont hatte, dass es zu früh sei, um über Zinssenkungen zu sprechen, schossen im Nachgang zur EZB-Entscheidung die Spekulationen ins Kraut. Unser Nachrichten-Ticker lief heiß, quasi minütlich erreichten uns neue Pressemitteilungen, die die EZB-Entscheidung kommentierten. Auffallend dabei, es wurden immer wieder Zeitpunkte genannt, an denen eine Zinssenkung aller Voraussicht nach stattfinden wird – vermutlich wussten die Verfasser hier mehr als die EZB. Einigkeit herrschte aber auch dabei nicht. Die möglichen Zeitpunkte reichten von April über Juni bis hin zur zweiten Jahreshälfte 2024 – getreu dem Motto, nichts Genaues weiß man nicht.

Nur kurze Zeitfenster für Maßnahmen

Ohnehin stellt sich für mich die Frage, warum so viele Marktteilnehmer bereits wieder etwaigen Zinssenkungen der EZB, aber auch der US-amerikanischen FED entgegenfiebern. Nur weil jetzt nach den Zinserhöhungen der letzten Monate ein entsprechendes Plateau erreicht ist, heißt es nicht, dass es kurz- bis mittelfristig automatisch wieder abwärts gehen muss. Im Gegenteil, die Inflation dies- und jenseits des Atlantiks fällt zwar tendenziell, aber die Zielmarken sind längst noch nicht wieder erreicht. Es macht also wenig Sinn, jetzt vorschnell die Zinsen zu senken, nur um sie dann möglicherweise im Jahresverlauf wieder erhöhen zu müssen, weil die Teuerungsrate doch wieder anzieht. Zudem ist das Zeitfenster der FED für etwaige Maßnahmen bereits jetzt enorm kurz. Denn mit Beginn des zweiten Halbjahres startet Amerika in die heiße Phase der Präsidentenwahlen. Das ist gemeinhin eine Zeit, in der die US-Notenbank die Füße stillhält, um nicht dem einen oder anderen Kandidaten mit geldpolitischen Maßnahmen in die Karten zu spielen.

Keine Argumente für Zinssenkungen

Ich halte es da eher mit dem früheren Bundesbank-Präsidenten Axel Weber, der allenfalls eine Senkung der Leitzinsen um ein Prozent, denn auf ein Prozent für wahrscheinlich hält. Erst kürzlich hatte er während eines Vortrags darauf hingewiesen, dass Zinssenkungen nur dann sinnvoll seien, wenn zwei Ereignisse eintreten: eine Rezession und/oder eine Finanzkrise. Beides hält er derzeit für wenig wahrscheinlich.

Wieder mehr Anlagemöglichkeiten

Und seien wir doch mal ehrlich, nach einer so langen Phase mit Niedrig- oder sogar Negativzinsen tut es doch auch mal ganz gut, wenn neben Aktien auch Anleihen wieder ein Kauf sind. Gerade Multi-Asset-Fonds könnten davon massiv profitieren, die in den letzten Monaten eher in schwierigem Fahrwasser waren, weil das Anleihensegment als Performancetreiber ausgefallen war.

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