Stress: Aus der Ohnmacht zurück in die Handlungsfähigkeit

Stressbedingte Erschöpfung – klingelt da was bei Ihnen? Dann lesen Sie unbedingt weiter! Die Fürstenberg-Kolumne mit Mareike Fell

Mareike Fell

Na? Wie geht es Ihnen? Wo erwische ich Sie gerade? Ich möchte Ihnen heute einen Fall aus meiner Beratung* vorstellen, wie er mir am Fürstenberg Institut immer wieder begegnet: stressbedingte Erschöpfung.

Herr S., 51 Jahre, ist verheiratet, hat drei Kinder und ist als Führungskraft im Controlling tätig. Er vereinbart bei mir einen Beratungstermin aufgrund stressbedingter Erschöpfung. Er ist bereits seit mehreren Wochen krankgeschrieben und erkennt sich selbst nicht wieder.

In der Auftragsklärung berichtet mir der Klient von seiner neuen beruflichen Position, die er erst vor wenigen Monaten angetreten hat: Diese bringt zahlreiche Neuerungen im Tagesgeschäft sowie große Verantwortung mit sich, die ihm (eigentlich) Freude bereiten und aufgrund seiner Fachkenntnisse auch nicht delegiert werden können.

Körperlich leidet Herr S. an neurodermitischen Schüben, Grübelzwang, Schlaflosigkeit, innerer Unruhe, Herzrasen, Vergesslichkeit und Konzentrationsschwierigkeiten. Gerade Stresserleben hat oft körperliche Ursachen bei gleichzeitigen seelischen Ursachen, die sich zudem wechselseitig bedingen können. Daher empfehle ich in unserem Erstgespräch zunächst einen Check-up beim Arzt, um körperliche Auslöser für sein Leiden auszuschließen.

Dann beleuchten wir das Thema Stress allgemein: Zunächst ist Stress eine gute Sache, er verleiht uns die Kraft, Berge zu versetzen! Über eine Weile ist Stress also kein Problem, sondern führt uns ins Wachstum. Aber egal, ob wir positivem Stress (Eustress) oder negativem Stress (Disstress) ausgesetzt sind: Ohne Ruhepausen macht sich chronischer Stress früher oder später bemerkbar.

Zudem ist auch der Auslöser egal, ob Stress nun selbstgemacht von innen her rührt oder von außen auf uns einwirkt. Zunächst zeige ich meinem Klienten ein paar einfache schnell umsetzbare Tricks auf körperlicher Ebene – das tut gut! Denn das sind die ersten Schritte raus aus dem lähmenden passiven Ohnmachtsgefühl, rein in das aktive Gefühl der Handlungskompetenz, ins „Ich kann etwas tun“:

1. Laufen verbrennt das Cortisol und das Adrenalin, das der Sympathikus (unser Gaspedal) ausgelöst hat. Danach kann uns der Parasympathikus (unsere Bremse) in die Ruhe führen. Könnte er mit seinen Schuhen gerade zum Bus rennen? Dann los!

2. Ruheatmung kann dem Urhirn über den Körper vermitteln, was der Kopf nicht schafft: „Alles gut, entspann dich“: Fünf Sekunden langsam einatmen, vier Sekunden Pause, sechs Sekunden ausatmen, fünf Sekunden Pause. Schon einige Atemzüge genügen.

3. Unsere Ernährung hat nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen einen zentralen Einfluss auf die Psyche. Die Studienergebnisse sind so deutlich, dass in der Fachliteratur mittlerweile unter anderem von Psychobiotika gesprochen wird, die über die Darm-Hirn-Achse das Neurotransmittersystem im Gehirn positiv beeinflussen können. Diese Nahrungsergänzungen und Ernährungsumstellungen soll Herr S. bestenfalls von Experten begleiten lassen: Unter ihrer Anleitung können nachgewiesene Mängel ausgeglichen werden.

In meiner Rolle als systemischer Coach und Beraterin betrachten wir das Erleben meines Klienten danach auf systemisch-ganzheitlicher Ebene. Dabei „refraimen“ wir seine körperliche Erschöpfung als Ampelsystem der Seele. Wir erforschen im Plauderton, was genau seine Seele denn möchte: Ruhe. Eine Pause. Entlastung. Dem gegenüber steht der Kopf: Er will Erfolg, Karriere, Anerkennung!

Zur zweiten Sitzung erscheint Herr S. ohne ärztlichen Befund. Seine Situation – der intrapsychische Konflikt zwischen Herz (Seele) und Kopf (Verstand), wird durch systemische Fragen und
Aufstellungsarbeit aufgelöst und versöhnt. Bereits nach dem zweiten Gespräch ist Herrn S. nun klar, dass er selbst der Experte seiner Probleme – und damit seiner Lösung ist. Herr S. erkennt, dass er selbst die Veränderungen schaffen muss, indem er entweder sein Bewertungssystem oder die Situation verändert. Im Weiteren erarbeiten wir individuell für ihn leicht umsetzbare Strategien zum
Umgang mit seiner Situation.

Nach dem dritten Gespräch im Fürstenberg Institut ist Herr S. so gefestigt, dass er seinen Job mit Mut und Vertrauen in sich selbst wiederaufnehmen kann.

*Der Fall wurde mit dem Einverständnis der Betroffenen anonymisiert.

Autorin Mareike Fell ist systemischer Coach und Heilpraktikerin für Psychotherapie und ist als Beraterin und Trainerin in der externen Mitarbeiterberatung für das Fürstenberg Institut tätig. Internet: www.fuerstenberg-institut.de 

Foto: Rike Schulz 

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