Über die richtige Ansprache – mit kleinen Happen statt großen Versprechungen

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Celine Nadolny

Wie weckt man – speziell bei jungen Menschen – das Interesse an Finanzthemen? Das ist wohl die Frage aller Fragen für all die Menschen, die die finanzielle Bildung in Deutschland voranbringen wollen. Gastbeitrag von Celine Nadolny, Finanzbloggerin

Es gibt eine Vielzahl von Wegen, Interesse an Finanzthemen zu wecken, Aufmerksamkeit zu bekommen und Auseinandersetzungen mit vielschichtigen Themen im Finanzbereich zu beflügeln.

Nicht alle Wege würde ich dabei als moralisch „einwandfrei“ bezeichnen und ganz viele auch selbst niemals beschreiten, obgleich mir immer wieder präsent wird, dass sie sowohl von der breiten Masse aus Medien, Autoren und Bloggern liebend gerne gewählt werden und sich dazu noch als höchst lukrativ erwiesen haben.

Mir persönlich sind meine ethischen Prinzipien allerdings unglaublich wichtig, genauso wie das originäre Ziel, anderen zu helfen und sie zu befähigen, ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen zu können.

Das schließt für mich geheime Börsen- und heiße Aktientipps kategorisch aus und auch das Lied der perfekten Anlagestrategie lasse ich dann doch lieber andere in Dauerschleife singen. Nur wird man so selbstverständlich eine große Gruppe von Menschen niemals erreichen: eben solche, die stetig auf der Suche nach dem nächsten großen Ding und dem schnellen Reichtum sind. Zumindest so lange, wie sie an dem Glauben festhalten, mit Stock-Picking und der Strategie vom passenden Finanz-Guru im Handumdrehen vermögend zu werden.

Man könnte in diesem Zusammenhang auch die Grundsatzfrage stellen: Aus welchem Grund möchte man Interesse an Finanzthemen wecken? Wenn es stumpf darum geht, eigene Finanzprodukte an den Mann oder Frau zu bringen, dann ist das selbstverständlich eine komplett andere Intention als finanzielle Aufklärung zu betreiben, Bildung und Wissen zu bewerben und damit die Eigenverantwortung zu fördern. Entsprechend ergeben sich daraus auch andere Strategien und Ansprachen.

Wer Finanzprodukte vertreibt, tut gut daran, die Ängste und Nöte der Menschen in seinen Botschaften herauszuarbeiten und zu adressieren. Mit ihm oder ihr könnte demnach ein Haken an ein Thema gemacht werden, um das sich die Personen eigentlich gar nicht kümmern wollen und auch noch nicht oder nur unzureichend gekümmert haben. Dabei hoffe und appelliere ich sehr gerne an das Gute im Menschen und gehe natürlich davon aus, dass nur zielgerichtet und ehrlich beraten und vermittelt wird.

Eine wirkliche Vermittlung von Wissen findet in einer solchen Beziehung aber im Grunde eigentlich nicht statt. „Interesse wecken, nicht informieren“, wie es manch ein Finanzdienstleister gerne zum Ausdruck bringt. Das dieser Weg allerdings niemals der günstigste und leider in den allermeisten Fällen auch nicht wirklich ertragreichste sein kann liegt auf der Hand. Denn je mehr Intermediäre dazwischengeschaltet werden und mitverdienen, desto weniger bleibt beim Konsumenten übrig. Aber das ist in der Ansprache eben auch zumeist nicht der „Pain Point“. Vielmehr liegt eines im Fokus: Finanzen als Thema abschließen, es in hoffentlich verlässliche und kompetente Hände geben und zurücklehnen.

Allzu gerne werden Erfolgsstorys erzählt

Die zweite Gruppe der Finanz-„Experten“ wählt häufig einen anderen Weg, um Aufmerksamkeit zu wecken und Interesse aufkeimen zu lassen. Allzu gerne werden hier Erfolgsstorys erzählt. Die materialistisch ausgeschmückten Geschichten der Selfmade-Millionäre, die ihr Wissen in Coaching, Seminaren, digitalen und physischen Produkten weitergeben. Interesse wird dabei mit teurer Kleidung, exklusiven Reisen, hochmotorisierten Autos, seltenen Uhren und allerlei Praxisbeispielen für den eigenen Erfolg geweckt.

Leider kann man vor allem in unserer Social-Media-Welt nur selten nachvollziehen, was davon wirklich der Realität entspricht und was inszeniert oder zumindest überspitzt wurde. Gerade unter den Praxisbeispielen haben sich viele Depotauszüge, vermeintlich selbstgetätigte Trades und historisch skizzierte Strategien als Fake herausgestellt. Das tut dem Reiz des vermeintlich greifbaren Erfolgs für jedermann aber kaum einen Abbruch. Zu tief sitzt in vielen der Wunsch nach schnellem Reichtum und Zweifel und Rationalität drängen in den Hintergrund.

Da es sich hierbei in der Regel um sehr hochpreisige Produkte handelt, stellt sich die ganz einfache Frage nach dem Mehrwert. Weshalb sollte man diese Produkte erwerben? Die Antwort der „Experten“: Weil die Chancen überdurchschnittlich sind und sie über den Proof und die Erfahrung verfügen.

Um die eigene Autorität zu unterstreichen, wird in diesem Zusammenhang häufig mit Büchern, Abschlüssen, Gastbeiträgen, Testimonials und vor allem einer überspitzten Komplexität gearbeitet. Denn viele liefern Content-Schnipsel aus ihren Strategien umsonst, um damit Aufmerksamkeit zu wecken, was kostenpflichtig noch alles warten könnte. Getreu dem Motto: „Wenn dir das bereits gefällt, was du hier kostenlos erhältst, dann warte erst ab, was dich bezahlt erwarten würde.“

Die Anzahl der Finanzexperten ist erschreckend hoch

Eine Strategie, die sich auszuzahlen scheint, denn die Anzahl der Finanzexperten ist erschreckend hoch. Bereits wenige Jahre Aktionärserfahrung scheinen häufig auszureichen. Grundsätzlich ist daran auch nichts verwerflich, denn um anderen effektiv helfen zu können, muss man nicht erst auf dem Finanzolymp angekommen sein. Es reicht bekanntlich aus, nur von der Erfahrung her eine Stufe über den Kunden zu stehen.

In der Außenwahrnehmung ist den meisten Menschen ohne Hintergrundwissen aber eben nicht bewusst, wer Experte ist und wer nur so tut als ob. Umso kritischer sehe ich diesen Weg des Interesse-Weckens.

Liebend gerne werden mittlerweile Podcasts und andere Video- und Audio-Formate von den Experten genutzt, um die Menschen zu erreichen. Social-Media eröffnet hier ganz neue Mittel und Wege auch Personen außerhalb der Finanzbubble zu erreichen. Video- und Audio-Formate lassen sich in der Regel deutlich schneller erstellen als ausführliche schriftliche Analysen und sind zudem leichter verdaulich für die Kunden. So treffen sich die Experten regelmäßig gegenseitig in ihren Formaten und philosophieren über Aktien, Märkte, Trends und das große Geld. Wer dabei noch aus seinem Apartment mit Blick auf den Central Park streamen kann oder zumindest der Finca auf Mallorca oder dem Penthouse in Frankfurt, weckt nochmal mehr Aufmerksamkeit.

Denn genau das ist es, was viele Menschen intuitiv mit Finanzthemen assoziieren: Gut gekleidete, stilsichere Personen, die weltmännisch über komplexe Themen referieren. Auch, wenn man im ersten Moment nicht viel versteht, kann das häufig ein guter Türöffner sein. Die immer jünger werdenden Formate renommierter Finanzmedien verbessern diesen Zugriff auf neue Zielgruppen sukzessive.

Kleine Happen, leichte Sprache und anschauliche Grafiken

Es gibt aber auch noch einen weiteren Weg, der – nicht nur von mir – immer häufiger eingeschlagen wird: Die einfache und ansprechende Vermittlung von Finanzwissen über Social-Media und den eigenen Blog. Dazu werden diese vermeintlich allzu komplexen Finanzthemen einer breiten Leserschaft von zumeist Einsteigern in kleinen Happen, leichter Sprache und anschaulichen Grafiken nähergebracht.

So einfach, dass am Ende selbst absolute Grünschnäbel eine Ahnung davon bekommen, wie sie sich am besten verhalten sollten. Mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Pro- und Contra-Listen und dutzenden Vergleichen wird so der Weg durch die Komplexität der „Experten“ gebahnt. Wer tiefer in die Thematik einsteigen möchte bekommt noch die passende Literatur zur Hand oder gleich eine ganze Reihe an Videos und Tutorials zu einem spezifischen Thema.

Das Interesse entsteht hierbei vor allem über das leichte Verständnis und das breite kostenlose Angebot. Neulinge können reinschnuppern, ohne sich finanziell allzu tief zu verpflichten und so entspannt die ersten Schritte wagen. Besonders viele neue Menschen werden aber dadurch gewonnen, dass die vermittelnden Personen jünger und lockerer sind als das Klischee der Branche es vermuten lassen würde. Eine steife Branchenanalyse wird auf Instagram und TikTok nur schwer eine größere Reichweite erzielen. Aber eine mit Humor, Charme und Originalität geschmücktes kleines Video oder ein liebevoll gestalteter Post eben schon.

Man kann von Instagram und Co. halten, was man möchte. Nur sollte man nicht negieren, dass diese Kanäle in den letzten Jahren mehr Menschen für die Finanzbranche erreicht haben als gestandene Medien und Finanzdienstleister zusammen. Allein ich erreiche mit jedem meine Beiträge mittlerweile über alle Kanäle sechsstellige Reichweiten und meine Community ist gerade einmal in drei Jahre gewachsen und ich bespiele sie auch noch mit einem nochmals trockeneren Thema: finanzieller Bildung mithilfe von Sachbüchern. Lesen und Finanzen, gleich zwei Themen, die immer noch einen Großteil der Bevölkerung in unserem Land abschrecken. Aber wie man sehen kann, ist es auch hier möglich, mit der richtigen Ansprache die Menschen zu erreichen, sie zu begeistern und dazu zu animieren, sich mit Finanzthemen zu beschäftigen.

Autorin Celine Nadolny ist Finanzbloggerin (https://bookoffinance.de).

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