ESG-Pflichten: Schulterschluss von AfW und Votum

Interview AfW Frank Rottenbacher
Foto: Ratingwissen/Jürgen Braatz
AfW-Vorstand Frank Rottenbacher (links) im Interview mit Stefan Löwer (Cash.).

Bei den Fragezeichen bezüglich der Pflichten von 34f-Finanzdienstleistern zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden vertreten die Vertriebsverbände AfW und Votum die gleiche Position und gehen gemeinsam vor.

Das sagte AfW-Vorstand Frank Rottenbacher in der vergangenen Woche auf dem 18. Assetmanagement-Tag (vormals Ratingwissen-Tag) des Veranstalters Jürgen Braatz. Wie zuvor schon Votum-Vorstand Martin Klein betonte auch Rottenbacher im Interview mit dem Autor dieser Zeilen, dass nach wie vor offen ist, ob die EU-Vorschriften zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitspräfenzen der Kunden schon ab 2. August 2022 auch für Finanzdienstleister mit Erlaubnis nach Paragraf 34f Gewerbeordnung (GewO) gelten.

Hintergrund: An dem Tag tritt eine Änderung der „Level-2-Verordnung“ zur EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II in Kraft. Demnach müssen Wertpapierfirmen bei der Anlageberatung abfragen, ob und welche Nachhaltigkeitsfaktoren den Kunden wichtig sind und dann entsprechende Produkte anbieten. Nach den englischen Begriffen Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) wird das Thema auch als ESG-Pflichten abgekürzt.

Fragezeichen hatte vor allem ein Bericht des Branchendienstes Kapitalmarkt-intern (kmi) aufgeworfen. Demnach hatte die Finanzaufsicht BaFin dem Blatt gegenüber bestätigt, dass 34f-Vermittler keine „Wertpapierfirmen“ im Sinne der MiFID-Verordnung sind und diese demnach nicht beachten müssen.

AfW- und Votum-Anfrage beim Wirtschaftsministerium

Martin Klein hatte jedoch schon vor zwei Wochen darauf hingewiesen, dass die MiFID-Vorschrift zwar nicht direkt für den 34f-Vertrieb gilt, die für ihn relevante Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) aber einen Verweis auf den betreffenden Passus der MiFID-Verordnung und eine entsprechende Verpflichtung enthält. Offen sei aber, ob der Verweis sich auf die ursprüngliche Fassung bezieht, oder ob es sich um einen „dynamischen Verweis“ auf die jeweils aktuelle Fassung der MiFID-Verordnung handelt. Im letzten Fall müssten auch die 34f-Vermittler die ESG-Pflichten schon ab 2. August beachten. Für die Klärung dieser Frage sei nicht die BaFin zuständig, sondern das Wirtschaftsministerium, so Klein.

Rottenbacher bestätigte diese Sichtweise nun. Demnach haben AfW und Votum eine entsprechende gemeinsame Anfrage an das Wirtschaftsministerium gestellt. Er kritisierte, dass so kurz vor dem Stichtag noch keine Klärung erfolgt sei. Zudem sei ohnehin unverständlich, dass die Verordnung in Kraft treten soll, obwohl wichtige Detailvorschriften noch immer nicht fertig sind, sagte Rottenbacher.

Rottenbacher: So oder so ab 2. August anwenden

Dabei geht es vor allem um die technischen Regulierungsstandards (RTS) zur EU-Offenlegungsverordnung. Diese wurden bereits mehrfach verschoben und sollen nun erst Anfang 2023 in Kraft treten, also zeitlich nach der MiFID-Verordnung, für deren Umsetzung die RTS aber unter anderem relevant sind. Zudem liegt die Taxonomie erst für zwei der sechs Umweltziele der EU vor.

Gleichwohl empfiehlt Rottenbacher den 34f-Dienstleistern, die ESG-Pflichten unabhängig von der Antwort des Wirtschaftsministeriums ab 2. August so gut es geht anzuwenden. Sie würden ohnehin bald einbezogen werden und außerdem verfügen nach dem jüngsten „AfW-Vermittlerbarometer“, das Rottenbacher auf der Veranstaltung vorstellte, 94 Prozent der 34f-Vermittler auch über eine Zulassung nach Paragraf 34d für Versicherungen. Diese Vermittler müssen die Nachhaltigkeitspräferenzen im Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten ab 2. August abfragen, was nicht in Zweifel steht. Eine unterschiedliche Handhabung der beiden Bereiche sei in der praktischen Umsetzung nur schwer vorstellbar, so Rottenbacher.

Votum-Disclaimer wegen unvollständiger Regulierung

Martin Klein, der auf dem Assetmanagement-Tag ebenfalls zu den Referenten zählte, betonte, dass die ESG-Pflichten nicht nur aufsichtsrechtlich relevant sind. Bei Verstößen könnten neben Sanktionen der Behörden zum einen Abmahnungen von Wettbewerbern drohen, zum anderen seien auch Schadenersatzklagen von Anlegern nicht völlig ausgeschlossen.

Klein stellte unter anderem den Entwurf eines Ablaufbaums für die Nachfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen des DIN-Normenausschusses vor, der allerdings eher die Anmutung eines Labyrinths hat. Zudem verwies er auf Leitlinien der europäischen Aufsichtsbehörden ESMA (Wertpapiere) und EIOPA (Versicherungen), die jedoch ebenfalls erst im Entwurf vorliegen. Votum hat daher einen Disclaimer mit einem Risikohinweis entworfen, mit dem Finanzdienstleister ihre Kunden über die noch unvollständige Regulierung informieren können.

Zwei Möglichkeiten, den ESG-Pflichten aus dem Weg zu gehen

Klein betonte erneut, dass die ESG-Pflichten nur im Fall der Anlageberatung bestehen, nicht aber bei der reinen Vermittlung. Wer sich für Vermittlung entscheide, dürfe keine Empfehlungen abgeben und müsse dies konsequent umsetzen und – auch in der Korrespondenz mit dem Kunden – sorgfältig dokumentieren, betonte Klein.

Er wies zudem auf die Eingangsfrage in dem komplizierten Ablauf-Schema der ESG-Pflichten hin. Sofern der Kunde die erste Frage, ob Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden sollen oder nicht, mit „Nein“ beantwortet, seien alle weiteren Pflichten hinfällig. Das schließe natürlich nicht aus, dass – ohne entsprechende Formalien – auch nachhaltige Produkte in der weiteren Beratung berücksichtigt werden.

Bit-Vorstand Sommer entspannt

Überraschend entspannt gab sich in der Abschlussdiskussion Sascha Sommer, Vorstand des Vertriebspools Bit-Treuhand, zu dem Thema. Bit und die angeschlossenen Vertriebspartner würden sich die Vorschriften ansehen, wenn sie endgültig feststehen und dann entsprechend reagieren. „Der 34f-Vertrieb ist bei der Umsetzung neuer Vorschriften erfahrungsgemäß sehr flexibel“, so Sommer nicht ganz unzweideutig.

Ein anderes Regulierungsthema ist derzeit das Blindpool-Verbot bei Vermögensanlagen, das den betroffenen Anbietern einige Schwierigkeiten bereitet. Die BaFin hatte unlängst den Entwurf für eine Neufassung ihres restriktiven Merkblattes zu dem Thema veröffentlicht, der aber keine Entlastung für die relevanten Anbieter enthält. Dieses Thema steht Rottenbacher zufolge beim AfW derzeit jedoch nicht auf der Agenda. Vom Tisch ist hingegen zunächst das Thema der BaFin-Aufsicht über die 34f-Finanzdienstleister, so Rottenbacher.

Zum 18. Assetmanagent-Tag haben sich am vergangenen Dienstag etwa 60 Teilnehmer in Hamburg getroffen. Auf der Agenda standen Themen rund um Sachwertanlagen und deren Vertrieb sowie Produktvorstellungen von Andeas Heibrock (Patrizia Grundinvest), André Wreth (Solvium), Thomas Heidelberger und Rauno Gierig (beide Verifort Capital), Robert List (Asuco), Benjamin von Hochberg (neuerdings One Group) sowie online zugeschaltet Christian Kunz (TSO). Cash. war Medienpartner.

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