Finanzmärkte unterschätzen die Gefahr von Handelskriegen

Für Anleger gibt es in dem eskalierenden Handelskrieg wenig zu gewinnen, ist Léon Cornelissen überzeugt. Mehr noch: Der Chefökonom von Robeco Investment Solutions sieht politische Gründe, weshalb Donald Trump die Spannungen auch zukünftig hoch halten wird. Doch die bisherige Reaktion der Finanzmärkte überrascht.

Trumps Mantra, Handelskriege seien gut und leicht zu gewinnen, teilen die wenigsten Anleger.

US-Präsident Donald Trump hat seine Äußerungen über eine Verhängung von Strafzöllen auf chinesische Importe im Wert von vielen Milliarden US-Dollar verschärft – und China hat entsprechend darauf geantwortet. Die Anleger zeigen bisher eine verhaltene Reaktion. Nach Ansicht von Cornelissen unterschätzen sie damit das tatsächliche Risiko: Der globale Handelskrieg könnte deutlich weiter eskalieren und lange andauern.

„In jüngsten Umfragen haben Anleger beständig – man könnte sagen routinemäßig – Handelskriege als das größte Risiko für die Finanzmärkte bezeichnet“, so Cornelissen. „Anscheinend teilen die Anleger nicht die Auffassung des US-Präsidenten, dass ‚Handelskriege gut und leicht zu gewinnen sind’. Doch jetzt, da Trump die Hälfte von Chinas Exporten in die USA mit höheren Zöllen ins Visier genommen hat, scheinen sich die Märkte nicht sonderlich daran zu stören. Wie lässt sich das erklären?“

Handelskriege schaden tatsächlich

„Die vorsichtige Haltung der Anleger ist verständlich. Die Welt hat die Lehren aus der Großen Depression nicht vergessen. Damals war der allmählich zunehmende Protektionismus eine wesentliche Ursache für die lange Dauer und Heftigkeit des Konjunktureinbruchs. Das ist der Grund, warum sich die G20-Staaten nach der Lehman-Pleite darauf geeinigt haben, auf protektionistische Maßnahmen zu verzichten – wie sich gezeigt hat mit Erfolg.“

„Vor kurzem von der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Modellen durchgeführte Simulationen weisen darauf hin, dass Handelskriege tatsächlich schaden. Die EZB betrachtete dabei ein hypothetisches Szenario, in dem die USA die Zölle auf sämtliche Einfuhren um zehn Prozentpunkte erhöhen und die Handelspartner mit einer Zollerhöhung im selben Umfang auf ihre Importe aus den USA reagieren. Die EZB versucht, indirekte Vertrauenseffekte zu erfassen: Bei den Anleihekursen wird ein Anstieg um 50 Basispunkte und an den Aktienmärkten ein Rückgang um zwei Standardabweichungen in allen Ländern angenommen. Für die USA ergibt dies einen Rückgang der Aktienkurse um 16 Prozent.

Wirtschaftsleistung der USA sinkt

„Für die USA und China sind die Konfidenzeffekte geringer als die direkten Handelseffekte, was eine Unterschätzung sein könnte. Das Ergebnis ist, dass die reale Wirtschaftsleistung der USA bereits im ersten Jahr um zwei Prozent niedriger ausfällt als im Basisszenario. Dagegen verbessert China seine Position etwas, weil geringere Exporte in die USA durch eine Umlenkung von Handelsströmen in andere Länder kompensiert werden, in denen chinesische Exporteure auf Kosten der USA Marktanteile hinzugewinnen können.“

Seite zwei: Der Welthandel wird nachweislich beeinträchtigt

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