Schwellenländer am Scheideweg

Die Währungen vieler Schwellenländer werten massiv ab, die Inflation steigt rasant. Neben länderspezifischen Problemen belasten auch übergeordnete Themen wie die US-Dollar-Stärke. Eine gefährliche Mischung. Ein Kommentar von Dr. Mauricio Vargas, Union Investment

Mauricio Vargas, Union Investment, sieht derzeit keine breit angelegte Emerging-Markets-Krise.

Eigentlich sah es zu Beginn des Jahres gut aus für die Schwellenländer. Neben der robusten weltwirtschaftlichen Lage sprachen auch eine relativ günstige Bewertung und steigende Rohstoffpreise für die aufstrebenden Volkswirtschaften. Getrübt wurde das Bild dagegen von der restriktiveren Geldpolitik der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und der „America first“-Politik des US-Präsidenten Donald Trump. In Summe überwogen aber zum Jahresstart die Chancen für die Schwellenländer.

Hohe Wellen an den Finanzmärkten

Ein Dreivierteljahr später zeigt sich eine andere Situation: Besonders hart traf es die Währungen, allen voran den Argentinischen Peso und die Türkische Lira. Im bisherigen Jahresverlauf büßte die Lira gegenüber dem US-Dollar rund 40 Prozent ein. Der Peso hat trotz Notfallmaßnahmen der Notenbank alleine im August knapp 40 Prozent auf die US-Valuta verloren. Auch der Brasilianische Real, der Südafrikanische Rand und der Russische Rubel haben zweistellig eingebüßt. Daneben stehen die Währungen von Indien und Indonesien unter erheblichem Druck. An den Kapitalmärkten mehren sich die Fragezeichen hinsichtlich der Stabilität der Schwellenländer.

Geldpolitik, Protektionismus, Steuerreform – ein toxisches Gemisch

Es sind zum einen übergeordnete, strukturelle Themen, die den Emerging Markets in der Breite zusetzen: Nach einer Phase der Liquiditätsschwemme führt die US-Notenbank Fed ihr Wertpapierportfolio zurück und erhöht kontinuierlich die Zinsen. Damit nimmt die relative Attraktivität des US-Rentenmarkts zu, was wiederum Schwellenländer-Anleihen unter Druck setzt. Die höheren Renditen in den USA erhöhen die Zinsausgaben und der infolge der US-Leitzinserhöhungen zumeist teurere US-Dollar erhöht die in US-Dollar gehaltene Auslandsverschuldung aus Lokalwährungssicht. Nun ist die Straffung der Geldpolitik in der USA eigentlich nichts Neues, die Zinsen steigen schon länger. Allerdings wurde mittlerweile ein Niveau erreicht, – die Zinsen auf das Tagesgeld gehen in den USA Richtung 2,5 Prozent – bei dem es für internationale Anleger immer attraktiver wird, ihr Geld in den USA anzulegen. Hinzu kommt, dass die amerikanische Notenbank ihr Wertpapierportfolio seit Juli 2018 mit maximaler Geschwindigkeit, konkret um 50 Milliarden US-Dollar pro Monat reduziert und damit die globalen Refinanzierungsbedingungen zusätzlich verschärft. Daher sinkt die Bereitschaft der Investoren, in riskantere Anlagen zu investieren.

Seite zwei: Trumps Steuerreform verleiht Rückenwind

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