US-Handelspolitik trifft auch Schwellenmärkte

Während sich die bisherigen Maßnahmen auf China konzentrieren, müssen wir berücksichtigen, dass sich der protektionistische Kurs der USA zu einer grundsätzlichen Herausforderung für die Schwellenländer ausweiten könnte. Wird der freie Handel beschränkt, schadet das prinzipiell auch dem Wachstum in den Schwellenländern, da das globale Wachstum insgesamt belastet wird.

Handelsbeschränkungen belasten auch Binnenmärkte

Wir erwarten aber, dass die Unternehmensgewinne nicht allzu stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Zwar betreten mehr und mehr Schwellenländerunternehmen und -marken das globale Parkett, doch insgesamt sind die Schwellenländer weiterhin größtenteils binnenorientiert.

Viele Länder, wie beispielsweise Indien, sind bis zu einem gewissen Grad vor einem Handelskonflikt geschützt. Auf die USA entfallen insgesamt nur acht Prozent der Gesamtumsätze der Schwellenländerunternehmen.

Selbst bei einigen der Länder, von denen Anleger annehmen, dass sie am stärksten von den USA abhängen, ist dieser Prozentanteil relativ niedrig. Der mexikanische Aktienmarkt beispielsweise erzielt derzeit weniger als 15 Prozent seiner Gesamtumsätze in den USA und der chinesische Markt weniger als 2,5 Prozent.

Diese Rechnung ist zugegeben etwas vereinfacht, denn Zölle wirken sich negativ auf die Exporterlöse und somit auf das inländische Wachstum aus. Das wiederum belastet auch binnenmarktorientierte Unternehmen. Doch unserer Ansicht nach zeigen diese Zahlen, dass die direkten Auswirkungen auf die Fundamentaldaten der Unternehmen möglicherweise weniger stark sein werden, als allgemein vermutet.

Wachstumunterschiede weiten sich aus

Das fundamentale Bild für Schwellenländeraktien bleibt also robust. Nach dem Taper Tantrum von 2013 wurden in vielen Schwellenländern Anpassungen vorgenommen, was zu gesünderen Leistungsbilanzen, historisch niedrigen Inflationsunterschieden gegenüber den Industrieländern und einer erneuten Wachstumsbeschleunigung führte.

Die synchrone Wachstumserholung seit dem Jahr 2016 hat das Wachstumsgefälle zwischen den Schwellen- und Industrieländern ausgeweitet. Solche Entwicklungen korrelierten in der Vergangenheit immer stark mit der relativen Aktienmarktperformance.

Derzeit deuten Wirtschaftsprognosen darauf hin, dass diese Ausweitung der Wachstumsunterschiede noch bis mindestens 2022 weitergehen könnte. Wichtig ist, dass sich die Konjunkturdynamik auch in der Stimmung der Unternehmen niederschlägt. Zum ersten Mal seit mehreren Jahren scheinen die Investitionsausgaben deutlich zu steigen.

Aus Bottom-up-Perspektive sollte man sich stets bewusst sein, wie die beschriebenen Entwicklungen unternehmensspezifische Dynamiken und insbesondere die Unternehmen, in die man investiert ist, beeinflussen können.

Einzelne Unternehmen leiden

Die Wirkung der Zolltarife ist für das BIP-Wachstum und die Unternehmensgewinne insgesamt begrenzt. Einzelne Unternehmen könnten aber durchaus darunter leiden. In China erkennen wir in den kapitalintensiven Marktsegmenten weniger Investmentmöglichkeiten.  In einem umfassenden Handelskrieg zwischen den USA und China würden exportorientierte Branchen wie Elektronik und Maschinenbau mehr Schaden nehmen.

Anleger sollten stattdessen das chinesische Small- und Mid-Cap-Segment im Auge behalten. Diese Unternehmen sind häufig stärker auf den Binnenmarkt ausgerichtet als ihre Mega-Cap-Pendants. Sie profitieren eher von inländischen Reform- und Wachstumsentwicklungen und sind weniger dem internationalen Handel ausgesetzt.

Interessant ist auch die Entwicklung der chinesischen „New Economy“. Gemeinsam mit den aufkommenden neuen Industriezweigen wie künstliche Intelligenz und Elektrofahrzeuge sowie dem sich ausweitenden E-Commerce entstehen hier zahlreiche spannende Investmentopportunitäten.

Luke Barrs ist Head of Fundamental Equity Client Portfolio Management bei Goldman Sachs Asset Management (GSAM)

Foto: GSAM

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