Carmignac: „Europas Komplexität bietet Chancen“

Foto: Caslot Jean-Charles
Fondsmanager des Carmignac Portfolio Patrimoine Europe: Keith Ney (links) und Mark Denham

Der Carmignac Portfolio Patrimoine Europe zählt zu den erfolgreichsten europäischen Mischfonds. Cash. befragte die Fondsmanager Keith Ney und Mark Denham zur Investmentstrategie, der Integration von ESG-Kriterien und zu den Herausforderungen in Bezug auf die aktuellen geopolitischen Entwicklungen.

Wie wirkt sich die derzeit hohe Inflation auf Ihre Tätigkeit aus?

Ney: Der Druck auf die Zentralbanken, die Leitzinsen anzuheben und ihre Anleihekaufprogramme schneller zu beenden, wächst. Diese Dynamik sorgt für steigende Zinsen und Marktvolatilität, da sich die Anleger auf eine künftig geringere Liquidität vorbereiten. Für Mischfonds wie den Carmignac Portfolio Patrimoine Europe hat dies mehrere Folgen. Zunächst bedeutet die höhere Volatilität, dass wir alle zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen, um das Abwärtsrisiko zu minimieren und so das langfristige Potenzial unserer Anlagen zu schützen. Wir verwalten daher aktiv das Aktienexposure – das bis auf null Prozent abgesenkt werden kann – sowie die modifizierte Duration, die sich in einer Spanne von minus 4 bis plus 10 bewegt. So können wir die Auswirkungen von steigenden Zinsen nicht nur neutralisieren, sondern auch davon profitieren. In der Aktienkomponente erfordern steigende Zinsen einen Schwerpunkt auf Unternehmen mit soliden Bilanzen, niedriger Verschuldung und der Fähigkeit, ihre Preise anzuheben, um die Margen aufrechtzuerhalten. Sie erfordern also einen Fokus auf hochwertige Unternehmen und die Vermeidung hoch bewerteter Titel.

Europa scheint für Anleger aktuell nicht sonderlich attraktiv zu sein. Welche Hauptargumente sprechen für Anlagen in Europa?

Denham: Europa ist unseres Erachtens eine komplexe Region. Mit dem richtigen Ansatz lässt sich diese Komplexität jedoch in eine Chance umwandeln. Denn auch wenn Europa gern als der alte Kontinent bezeichnet wird, befinden sich dort zahlreiche innovative Unternehmen. Die deutsche Softwarefirma SAP beispielsweise setzt auf Quantentechnologie und Blockchain, um neue Ideen, Geschäftsmodelle und richtungsweisende Technologien zu entwickeln. Der französische Weltmarktführer im Bereich Augenoptik Essilor erkundet Möglichkeiten, virtuelle Realität bei Optikern einzusetzen.

Welche Sektoren kommen für den Fonds üblicherweise in Betracht?

Denham: Unser Verfahren zur Auswahl von Aktien konzentriert sich auf die Ermittlung von Unternehmen, die bereits heute über die Merkmale verfügen, die unseres Erachtens für ein langfristig erfolgreiches Wachstum erforderlich sind. Angesichts der bei unserer Suche berücksichtigten Variablen sehen wir diese Unternehmen als Qualitätsunternehmen mit starken Geschäftsmodellen an, die bestimmte Kriterien im Hinblick auf die Fundamentaldaten erfüllen. Sie sind in der Regel weniger stark fremdfinanziert und haben hohe historische Margen, wodurch sie mehr liquide Mittel generieren. Dies wiederum ermöglicht ihnen Reinvestitionen ins eigene Unternehmen. Für uns ist dies ausschlaggebend, da wir nach Unternehmen suchen, die den größten Teil ihrer Gewinne reinvestieren, um auch künftig innovativ zu bleiben und so sicherzustellen, dass ihre Tätigkeiten langfristig von Bedeutung bleiben. Derzeit finden wir solche qualitativ überzeugenderen Anlagen verstärkt in den Sektoren Gesundheitswesen, Technologie, Konsumgüter und Industrie. Umgekehrt ist die Strategie im Energie- und Finanzsektor, wo die Unternehmen in der Regel einen hohen Verschuldungsgrad oder eine niedrige Rentabilität aufweisen, tendenziell untergewichtet. Dennoch hielten wir in den vergangenen Wochen eine taktische Position in einem Bankenindex, da die steigenden kurzfristigen Zinsen die Rentabilität des Sektors erhöhen.

Welchen Einfluss hat der Krieg in der Ukraine auf Ihre Arbeit?

Ney: Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine schürt Ängste und erhöht die Volatilität an den Märkten. Wir befinden uns eindeutig in einem risikoaversen Umfeld. Die Spannungen belasten die Zinsen – die Renditen für 10-jährige deutsche Anleihen sind wieder in den negativen Bereich gerutscht – und die Anleger wenden sich erneut defensiveren Titeln zu. Allerdings verschärft der Konflikt letztendlich nur bereits vorhandene Trends: Während die Inflation aufgrund höherer Energiepreise durch die Decke schießt, verlangsamt sich das Wachstum. Dennoch ist zu erwarten, dass die Unterstützungsmaßnahmen in den europäischen Ländern diese Abkühlung teilweise ausgleichen werden. Wir achten zudem genau auf mögliche Änderungen am Zeitplan der Zentralbanken. Daher sind wir von unserem vorsichtigen Ansatz, der sich durch ein niedriges Aktienexposure, eine geringe aber leicht positive modifizierte Duration und eine hohe Barmittelquote in Verbindung mit einem Goldexposure auszeichnet, weiterhin überzeugt.

Was sind derzeit die wichtigsten Anlageideen im Fonds?

Denham: Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat die bisherige Value-Rotation zum Erliegen gebracht. Eine Ausnahme bildet lediglich der Energiesektor, der von den sprunghaft steigenden Öl- und Gaspreisen profitiert. Interessanterweise stützt dies unsere langfristigen Überzeugungen im Bereich der erneuerbaren Energien, sodass wir unser Exposure in diesen Titeln erhöht haben. Wir schichten vor allem im Gesundheitswesen und im Basiskonsumgütersektor weiterhin zu defensiveren Titeln und Vermögenswerten mit niedrigem Beta um. 

Könnten Sie kurz den Anlageprozess erklären? Wie greifen die Fundamentalanalyse und das SRI/ESG-Research ineinander?

Ney: Der Carmignac Portfolio Patrimoine Europe ist ein sozial verantwortlicher Mischfonds, der bei begrenztem Währungsrisiko in Aktien sowie Unternehmens- und Staatsanleihen aus Europa investiert. Der Anlageprozess beruht auf einer Bottom-up-Auswahl von Aktien und Anleihen sowie einem dynamischen Makro-Overlay zur Minderung von Abwärtsrisiken. Er umfasst eine Bottom-up-Suche nach europäischen Unternehmen mit attraktiven langfristigen Aussichten sowie eine strenge Emittentenauswahl, um das Ausfallrisiko so gering wie möglich zu halten und von der Kreditspread-Duration zu profitieren. Mit einem Aktienexposure von null bis 50 Prozent und einer modifizierten Duration von minus 4 bis plus 10 ist der Fonds ist flexibel genug, um seine Vermögenswerte bei Marktkorrekturen zu schützen.

Denham: Anleger sind sich zwar darin einig, dass der langfristige Erfolg eines Unternehmens von der Qualität seiner Fundamentaldaten abhängt, sie übersehen jedoch tendenziell die Risiken und Chancen, die sich aus der Art und Weise ergeben, wie Unternehmen mit sozialen und ökologischen Herausforderungen umgehen. Denn Unternehmen können nicht nur enttäuschende Gewinnzahlen vorlegen, sondern auch von verschiedenen Skandalen betroffen sein, die ihren Ruf schädigen und die Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen möglicherweise belasten. Um die Unternehmen mit den besten langfristigen Aussichten zu ermitteln, ergänzen wir die Fundamentalanalyse daher um ein SRI-Research. Unser Ansatz nutzt ein systematisches Finanz- und ESG-Screening, mit dem ein nachhaltiges und in Bezug auf die Fundamentaldaten solides Anlageuniversum festgelegt wird. Anschließend konzentrieren wir uns auf einzelne Anlagethesen. Dabei nutzen wir die Einblicke unserer Analysten, die wir durch externe und interne Ratings, wie unser unternehmenseigenes ESG-Rating, ergänzen. Über diesen Ansatz können wir aus jedem Blickwinkel heraus bewerten, wie nachhaltig ein Geschäftsmodell wirklich ist.

Die Verwaltung eines Mischfonds mit SRI/ESG-Schwerpunkt dürfte herausfordernd sein. Wie ermitteln Sie attraktive Vermögenswerte?

Ney: Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien wird für Aktienfonds zwar immer wichtiger, bei Mischfonds wurde dieser Aspekt jedoch lange Zeit vernachlässigt. Der Fonds strebt danach, einen positiven Gesellschaftsbeitrag zu leisten und seine negativen Umweltauswirkungen über einen reduzierten CO2-Fußabdruck zu minimieren. Um dies zu erreichen,  wenden wir bei allen Anlageklassen, in die wir investieren – Aktien, Unternehmensanleihen und Staatsanleihen – einen sozial verantwortlichen Anlageansatz (SRI) an. Wir sind überzeugt, dass SRI unserem Ziel entspricht, Gelegenheiten mit attraktiven langfristigen Aussichten zu ergreifen, und integrieren es daher vollständig in unseren Anlageprozess. Zur Anerkennung unserer soliden Methodik im Bereich des sozial verantwortlichen Investierens erhielt der Fonds 2021 das SRI-Label und das Label „Towards Sustainability“.

Greenwashing dürfte in der kommenden Zeit zu einem immer größeren Problem werden. Inwiefern erschwert dies Ihre Arbeit?

Denham: Uns ist die Einhaltung der neuen Vorschriften zum Schutz der Anleger vor Greenwashing (SFDR, MiFID 2 usw.) sehr wichtig. Wir arbeiten nicht einfach irgendwelche Checklisten mit ESG-Schlagwörtern ab, die unseren Kunden langfristig gesehen womöglich keine Vorteile bieten. Wir möchten unsere Glaubwürdigkeit im Bereich verantwortliches Investieren weiter steigern und lassen daher den SRI-Ansatz von 19 unserer Fonds durch externe Audits prüfen. Dank unseres regelbasierten Ansatzes zur Einbindung der Anforderungen von Artikel 9 der SFDR berücksichtigen die Portfolios lediglich jene Unternehmen, die mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes mit Waren und Dienstleistungen erzielen, die zur Erreichung bestimmter nachhaltiger Entwicklungsziele (SDGs) beitragen. Auch dies belegt unser Engagement in Bezug auf Nachhaltigkeitsgrenzen und -erwägungen im Rahmen unserer Anlageentscheidungen. Schließlich können Vermögensverwalter, die weder durch interne noch durch externe Bewertungen über ESG-Ratings verfügen, schlecht behaupten, sie würden ESG-Faktoren vollständig einbinden und bei ihren Anlageentscheidu ngen berücksichtigen. Wir verfügen hingegen über unser eigenes ESG-Bewertungssystem – und zwar sowohl für Aktien als auch für Unternehmens- und Staatsanleihen. Ratings stellen dabei nur einen ersten Schritt dar, denn entscheidend ist ihre gewinnbringende Nutzung im Anlageprozess.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments