Schmerzhafte Energiekrise

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Die Energiekrise in Europa beherrscht nun seit fast einem Jahr die Schlagzeilen, und viele befürchten, dass Engpässe zu einer Rezession führen werden. Laut Thomas Grüner, Gründer und Vice Chairman von Grüner Fisher Investments, ist es klar: „Der wirtschaftliche Schmerz für Haushalte und Unternehmen ist unverkennbar“. Doch welche Auswirkungen habe dies für Anleger?

Schon im September 2021 sei die Energienachfrage mit den Lockerungen der COVID-Beschränkungen weltweit sprunghaft angestiegen. Das Angebot habe aufgrund vielfältiger Faktoren nicht Schritt halten können. Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland hätten die Energiemärkte zusätzlich gestört und Versorgungswege hätten sich entsprechend verändert. Vor diesem Hintergrund habe sich der Preisdruck in diesem Jahr noch verstärkt.

Vielfältige Faktoren

„Die Diskussion über eine energiebedingte Rezession in Europa ist weiterhin allgegenwärtig und zeigt, wie trüb die Stimmung ist“, so Grüner. „Natürlich ist die Stimmung auch nicht grundlos derart schlecht. Die russischen Gasströme durch Nord-Stream-1 liegen seit Ende Juli bei etwa 20 Prozent der vertraglich vereinbarten Mengen, was die Fähigkeit Europas zur Stromerzeugung belastet, während gleichzeitig die Speicher für den Winter gefüllt werden müssen.“ Darüber hinaus habe sich die Sommerhitze auch auf andere Energiequellen ausgewirkt: „In Frankreich beeinträchtigen hohe Flusswassertemperaturen die Kühlung von Kernreaktoren“, erläutert Grüner. „In Großbritannien, wo die Energieregulierungsbehörde Ofgem halbjährlich eine Obergrenze für die Energiepreise festsetzt, werden Rekordwerte, eine Verdopplung bzw. im weiteren Verlauf sogar eine Verdreifachung erwartet, was die Belastung der britischen Haushalte noch weiter erhöht.“

Die Politik habe darauf zwar bereits auf vielfältige Weise reagiert. Von dem Appell zu freiwilligen Verbrauchssenkungen über Steuerreduzierungen bis hin zu Hilfspaketen zur Entlastung der Bürger. Doch die Sorgen bleiben.

Märkte blicken voraus

„Viele betrachten jede Entwicklung in der europäischen Energiewirtschaft als einen neuen negativen Faktor, der die Märkte in Aufruhr versetzt“, so Grüner. „Aber Aktien bewegen sich nicht danach, ob die Dinge im objektiven Sinne ‚gut‘ oder ‚schlecht‘ sind. Vielmehr gilt es zu prüfen, ob es ein negatives Überraschungspotenzial gibt.“

Die Märkte seien effiziente Verwerter von allgemein bekannten Informationen, und sie würden nichts von alledem übersehen. Man solle bedenken: Die Aktien der Eurozone seien im bisherigen Jahresverlauf zwischenzeitlich bereits um 20,0 Prozent gesunken und hätten damit zu ihrem Tiefpunkt am 05. Juli deutlich hinter den globalen Aktien (-11,1 Prozent) gelegen – ein Zeichen dafür, dass die Märkte ein schwächeres Wachstum für die Eurozone vorweggenommen hätten. Trotz einer anschließenden dynamischen Erholungsbewegung im Juli hätten Aktien der Eurozone mit -13,5 Prozent seit Jahresbeginn weiterhin deutlich hinter globalen Aktien gelegen (-2,4 Prozent).

Fazit

„Die omnipräsenten Energieängste tragen zum negativen Stimmungsbild unter Anlegern bei“, resümiert Grüner. „Entscheidend bleibt jedoch die Frage, ob die Realität wirklich so schlimm ist, wie viele glauben. Die aktuellen Befürchtungen zeigen, wie niedrig die Messlatte für die Realität liegt.“ Wenn die Erwartungen so gering seien, könnte schon die Vermeidung von Stromausfällen und Energierationierungen ausreichen, um die Anleger positiv zu überraschen.

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