Warum Vertriebsorganisationen heute klare Regeln brauchen

Effizient und reibungslos, so muss Vertrieb heute funktionieren, um im härter werdenden Wettbewerb bestehen zu können. Die Limbeck-Kolumne

Martin Limbeck

Eigentlich sollte die Sache klar sein: Um sich in der heutigen Zeit gegen Mitbewerber zu behaupten, muss Ihre Vertriebsmannschaft absolut auf Zack sein. Anträge, die irgendwo verschwunden sind, ständige Verzögerungen und bürokratischer Papierkrieg? Was Kunden früher vielleicht noch stillschweigend hingenommen haben, ist heute längst ein k.o.-Kriterium. Denn wenn schon der Weg zum Versicherungsabschluss so holprig ist – wie wird dann erst die Abwicklung im Schadensfall aussehen? Kunden erwarten heute professionelle Arbeit ohne Nachfragen und Verzögerungen. Sie wünschen sie sich einen umfassenden Service von freundlichen und qualifizierten Mitarbeitern, die sie kompetent und fair beraten. Kein Rumeiern, keine Diskussionen und idealerweise keine Fehler. Klare Sache, oder?

Vertrieb nach Bauchgefühl reicht nicht mehr

Trotzdem herrscht in vielen Vertriebsabteilungen immer noch kopfloses Treiben und Schulterzucken, wenn es um Entscheidungsbefugnisse oder klar definierte Prozesse geht. Vielleicht werden Sie sich als Führungskraft jetzt fragen, was das bitte mit Ihnen zu tun hat – schließlich fallen diese Themen in das Gebiet des Vertriebsmanagements. Das stimmt. Zumindest auf den ersten Blick und vordergründig. Schauen Sie jedoch genauer hin, werden Sie merken, dass es an Ihnen liegt, gemeinsam mit Ihren Leuten klare Strukturen zu definieren, an die sich alle halten. Früher hieß es von der Geschäftsführung oft: „Die Verkäufer müssen wir machen lassen. Die sind wie Künstler und lassen sich nicht gerne etwas vorschreiben.“ Die Zeiten sind vorbei. Kunden wollen heute einen Partner auf Augenhöhe und einen Versicherer, bei dem sie – im wahrsten Sinne des Wortes – sicher sein können. Wenn sie merken, dass eine Hand im Vertrieb nicht weiß, was die andere tut, sind sie schnell über alle Berge.

Die Folgen können Sie sich sicher selbst ausmalen: sinkende Umsätze, die Motivation Ihrer Leute lässt nach, Spitzenverkäufer verlassen Ihr Team – und der Vorstand sägt an Ihrem Stuhl. Keine schönen Aussichten. Umso wichtiger daher, vorzusorgen und Ihre Vertriebsmannschaft systematisch aufzustellen. Ein Fußballtrainer schickt seine Leute doch schließlich auch nicht ohne Strategie auf den Platz!

Verbindliche Prozesse definieren

Gerade in der Kundenakquise ist es essenziell, klare Entscheidungen zu treffen. Hier sollten Sie genau festlegen, wer was wann und wie tut – und wie die Entscheidungsbefugnisse aussehen. Dann haben Ihre Leute einen Rahmen, innerhalb dessen sie sich selbstbestimmt bewegen können. Aus meiner Sicht eine echte Win-win-Situation: Ihre Leute trauen sich mehr zu, da sie wissen, welche Befugnisse sie haben. Und Sie müssen nicht mehr ständig als Rückversicherung fungieren und sind nicht länger der Bremsklotz, weil alles erst über Ihren Tisch gehen muss. Folgende Punkte sollten Sie klären:

  • Wer darf was selbst entscheiden? Wann müssen Sie als Chef ins Boot geholt oder zumindest informiert und gefragt werden – bei einer bestimmten Umsatzhöhe oder einem bestimmten Kunden?
  • Wer hat welche Verantwortung? Wer ist wem gegenüber zu welchen Themen / in welchen Fällen berichtspflichtig?
  • Wer spricht potenzielle Kunden wie an? Und wer muss im Prozess der Kundenbetreuung was wann tun?
  • Wie ist die Bestandskundenpflege organisiert – wer hat den Hut auf, zu welchen Gelegenheiten werden diese Kunden angesprochen und mit welchen Angeboten?

Wie Sie diese Entscheidungsbefugnisse und kundenbezogenen Prozesse in Ihrem Vertrieb ausgestalten, ist natürlich von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich und hängt auch davon ab, in welcher Branche Sie tätig sind, welche Kunden Sie haben und wie sich Ihre Zielgruppe zusammensetzt. Eins ist jedoch überall gleich wichtig: ein klar definierter Akquiseprozess, der auf den Abschluss abzielt und für Ihre Mitarbeiter keine Fragen offenlässt. Wo jeder Schritt genau definiert ist, so dass Ihre Leute auch notfalls nachts um drei im Halbschlaf eine Versicherung an den Kunden bringen können. Folgende Schritte gilt es dabei zu berücksichtigen:

Wie werden potenzielle Kunden identifiziert?

  • Wie wird der Erstkontakt zu diesen potenziellen Kunden hergestellt – und welche Informationen erhalten sie an diesem Punkt?
  • Wann wird ein Angebot erstellt? Wie gut ist es aufbereitet und in welcher Form bekommt es der Kunde zur Verfügung gestellt?
  • Wann und wie wird beim potenziellen Kunden wegen des Angebots nachgehakt?
  • Wie wird mit dem Kunden weiterverfahren, wenn er das Angebot ablehnt?
  • Welche Schritte folgen auf einen erfolgreichen Abschluss?

Glauben Sie mir: Ohne Regeln wird die Kundenakquise früher oder später zum reinen Glücksspiel. Auch wenn Ihre Spitzenverkäufer mit „Vertrieb nach Bauchgefühl“ noch für gute Zahlen sorgen: Sie erhöhen die Schlagkraft Ihrer gesamten Mannschaft um ein Vielfaches, wenn es für alle klare Strukturen und Prozesse gibt. Gerade das „Mittelfeld“ in Ihrem Team wird aufblühen, denn oft ist es lediglich der Mangel an Sicherheit und Orientierung, der sie bisher ausgebremst hat. Wer heute in der Lage ist, zu jeder Zeit und durch jeden Mitarbeiter eine professionelle Kundenbetreuung zu bieten, hat im Wettbewerb die Nase vorn!

Autor Martin Limbeck ist Inhaber der Limbeck® Group, einer der führenden Experten zum Thema Blended Learning und Entwicklung von Lernkonzepten für Unternehmen, sowie einer der meistgefragten und renommiertesten Business-Speaker und Verkaufsspezialisten auf internationaler Ebene. Für seine innovativen und nachhaltigen Angebote wie den LOOP-Prozess® und die Martin Limbeck® Online Academy wurde Martin Limbeck unter anderem mit dem Großen Preis des Mittelstandes der Oskar-Patzelt-Stiftung und dem Siegel „Wirtschaftsmagnet“ ausgezeichnet. Darüber hinaus erhielt die Limbeck® Group die Auszeichnung „Beste Arbeitgeber in NRW 2019“ von Great Place to Work®. Mehr Informationen auf www.martinlimbeck.de und www.limbeckgroup.com.

Foto: Philipp Reichwein

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