„Wir wollen, dass der Siegeszug dieser digitalen Erfolgsgeschichte weitergeht“

Wir hatten vor einigen Monaten ein Interview mit Christian Wiens von Getsafe. Er sagte unter anderem, dass diese Pandemie zum Stresstest für Insurtechs würde. Sehen Sie das genauso?

Voss: Ja. Denn nicht alle Insurtechs sind so breit aufgestellt wie wir. Viele Insurtechs haben sich auf Nischen spezialisiert. Und wenn der Kunde am Markt eine Leistung nicht nachfragt und Sie einen Teil Ihres Business-Cases darauf ausgelegt haben, genau diese Nische zu treffen, kann die Wette gegen Sie losgehen. Maschmeyer: Hinzu kommt, dass einige Insurtechs so tun, als wären sie komplett digital. Was sie aber gar nicht sind.

Diese Unternehmen leiden jetzt, weil sie überhaupt nicht die Geschwindigkeit haben. Der Unterschied, weswegen wir in Neodigital investiert haben, liegt darin, dass es der erste voll digitale Vertrieb mit BaFin-Lizenz ist. Winfried Kretschmann wurde erster grüner Ministerpräsident, weil die Partei stets die Atomkraft abgelehnt hat. Und dann ist in Japan ein Atomkraftwerk hochgegangen.

Und genauso ist es, wenn du Digitalversicherer bist und es kommt Corona und alles geht nur noch digital, dann ist man mit „Alles auf ein Karte setzen“ Strategie der Sieger. Ich bin mir sicher, dass der Aufstieg von Neodigital weiterhin so erfolgreich sein wird wie der Sieg der Grünen. Wir führen aktuell viele Gespräche mit Versicherern.

Und wir können eine Plattformlösung darstellen. Cosmos Direkt und die VPV Versicherung nutzen die Dienstleistungen oder Produktpalette. Während Neodigital im letzten Jahr noch auf die Gesprächstermine warten musste, melden sich jetzt die Versicherer von selbst.

Die Coronapandemie sei ein Brandbeschleuniger, sagte Herr Wiens. Würden Sie das Statement unterschreiben?

Voss: Den Begriff halte ich für schwierig. Aber die Pandemie beschleunigt gerade die Transformation. Weniger in den Unternehmen, sondern viel mehr in den Köpfen. Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, dass der analoge Vertrieb einbricht und die Unternehmensführungen hier händeringend nach digitalen Lösungen suchen. Hinzu kommt, dass die IT solcher Unternehmen eigentlich jetzt vertriebliche Lösungen liefern müsste, dies aber erst in einigen Jahren kann. Weil sie nicht entsprechend aufgestellt ist.

Ihr Geschäftspartner Dirk Wittling sagte in einem Roundtable-Gespräch in unserer Redaktion, dass die Umsetzungsgeschwindigkeit beim Thema Digitalisierung massiver wird, als wir sie bislang gesehen haben. Worauf müssen wir uns einstellen?

Voss: Wir hatten in den letzten 20, 30 Jahren mehrere Transformationsphasen. In den 90ern die großen Vertriebe, wie AWD, MLP. Dann kamen in den 2000er und 2010er Jahren die großen Vergleicher wie Check 24, Verivox und Co.

Und jetzt kommt die nächste Phase: nämlich das Auslesen der Kundendaten, über zum Beispiel PSD2-Schnittstellen oder digitalen Daten im Zusammenhang mit so genannten Robo Advisor. Das heißt, der Kunde bekommt durch die Technik ein optimiertes Versicherungsportfolio zusammengestellt.

Das, was vor 20, 30 Jahren noch der Berater gemacht hat, übernimmt heute zu einem großen Teil schon die Maschine. Und das führt natürlich zu großen Umwälzungen im Markt, auch weil der Kunde mittlerweile gerne bereit ist, Daten preiszugeben, wenn er einen direkten Vorteil davon hat. Bei allen Diskussionen über Privatsphäre: Sobald ein Kunde durch die Herausgabe von Daten 200, 300, 400 Euro pro Jahr sparen kann, gibt er sie frei.

Inwieweit setzen Sie KI ein?

Voss: Es gibt mehrere Punkte, an denen wir eine Art künstliche Intelligenz einsetzen. Einmal in der Antragsannahme, im so genannten Underwriting. Der Prozess läuft komplett automatisiert über eine künstliche Intelligenz. Sie schaut sich regelbasiert die Angaben des Kunden an, verifiziert diese, löst selbständig den Antrag aus und liefert die Police an den Kunden aus.

„Bestenfalls in 15 Sekunden wird eine Police ausgeliefert“

Und das bestenfalls in 15 Sekunden im Antragsbereich. Dann gibt es das Thema Vertragsänderungen, Wechsel der Postleitzahl oder der Bankverbindung, Einfügen einer zusätzlich versicherten Person. Es gibt keinen einzigen Betriebsvorgang, der nicht digitalisiert ist und deswegen funktioniert das bei uns sogar in Echtzeit.

Nehmen wir eine Adressänderung. In dem Fall errechnet die Maschine im Hintergrund die neuen Policendaten, weil mit einer Adressänderung auch immer eine Risikoveränderung einhergeht in Echtzeit. Theoretisch könnte der Kunden 20-mal am Tag seine Adresse wechseln, wir hätten keinen Aufwand.

In einem Interview sagte Dr. Marco Adelt von Clark, dass rund 20 bis 30 Prozent der Versicherungsunternehmen digitale Verweigerer seien. Halten Sie das für realistisch.

Maschmeyer: Es gab Versicherungsführungskräfte, die dachten, der digitale Umbau sei eine vorübergehende Erscheinung. Auch Anfang März 2020 noch. Aber jetzt merken sie, dass der normale Vertrieb nicht mehr funktioniert. Klassische Versicherer registrieren, dass Digitalversicherer wie Neodigital, als White-Label-Lieferant schnelle, schlanke, effiziente Prozesse abbilden.

Wir sehen die Digitalisierung in den Medien, in der Filmindustrie, wir sehen das Filialsterben durch den Online-Handel. Und jetzt ist der Umbruch in der Versicherungsbranche angekommen. Die Pandemie hat das forciert. Verbraucher denken heute anders. Und auch die Einstellung in den Führungsetagen hat sich geändert.

Mitarbeiter, die jetzt zu 85 oder 90 Prozent im Homeoffice arbeiten, tun dies natürlich digital. Und sind offener für digitale Lösungen. Und die Führungskräfte sehen die Wettbewerber. Sie kennen die Corona-Sieger und die Corona-Verlierer. Und hoffen, dass ihre Versicherung überlebt. Aber dauerhaft wird sich keiner dieser Versicherer halten. Die werden aufgeben müssen.

Seite 2: „Einige Unternehmen überleben das nicht“

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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