Hausratversicherung: „Ein Totalschaden ist häufig existenzgefärdend“

Andrea Mondry, Ergo: „Oft noch schlimmer als der materielle Schaden ist die emotionale Belastung. Die Privatsphäre wurde gewaltsam erschüttert.“

Bei der Absicherung des Hausrates geht es zwar nicht um die gleichen Werte wie bei einer Immobilie. Doch die finanziellen Schäden etwa durch einen Brand oder Diebstahl können erheblich sein. Cash. sprach mit Ergo-Privatkunden-Vorständin Andrea Mondry über die Notwendigkeiten einer Absicherung und die neuen Herausforderungen der Digitalisierung für die Sparte.

Rund 76 Prozent aller Haushalte besitzen eine Hausratversicherung. Bedeutet das im Umkehrschluss, dass Millionen Haushalte auf eine Absicherung verzichten? Unterschätzen viele den Wert von Hab und Gut? Oder ist das Produkt zu teuer?

Mondry: Jeder Haushalt sollte eine Hausratversicherung besitzen, um sein Inventar gegen die Gefahren Feuer, Einbruch-Diebstahl, Sturm und Leitungswasser abzusichern. Denn ein Totalschaden, etwa nach einem Brand, ist häufig existenzgefährdend. Nur wenige Menschen beschäftigen sich mit diesem Risiko und schnell wird der Wert des Inventars unterschätzt. Nicht vergessen werden sollte die zusätzliche Absicherung gegen Elementargefahren.

Wolken halten sich selten an Deiche. Und Fakt ist, dass die Naturgefahren in Deutschland zunehmen. Allerdings ist es so, dass bei vielen die Risiken von Elementargefahren in der Hausratversicherung gar nicht wahrgenommen werden. Mangelt es den Menschen an Sensibilität bei dem Thema? Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Elementarschadenabsicherung in der Hausratversicherung?

Mondry: Wer sein Inventar auch gegen Hochwasser, Starkregen, Schneedruck, Lawinen, Erdrutsch und Erdsenkung sowie Erdbeben absichern möchte, braucht den erweiterten Elementargefahrenschutz. Mit den möglichen Folgen eines der genannten Naturereignisse und dem Umfang des eigenen Versicherungsschutzes hat sich bisher aber offenbar die Mehrheit der Verbraucher nicht beschäftigt.

Nur so lässt sich erklären, dass 60 Prozent nicht entsprechend versichert sind. Versicherer bieten die Naturgefahrenversicherung als optionalen Zusatzbaustein zur Wohngebäude- oder Hausratversicherung an. Gemeinsam mit dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) versuchen wir, die Verbraucher über die Notwendigkeit einer Elementarschadenabsicherung aufzuklären.

„Starkregen kann jeden treffen“

In diesem Sommer gab es zum Beispiel wieder zahlreiche Starkregenereignisse, die belegen, dass es jeden in Deutschland treffen kann. Ein Starkregenereignis, das die Wohnung oder den Keller flutet, richtet häufig höhere Schäden an als ein lokal begrenzter Leitungswasserschaden. Daher ist es wichtig, den Versicherungsschutz zu überprüfen.

Nicht wenige Kunden dürften noch alte Verträge besitzen. Andererseits sehen wir eine enorme technische Entwicklung: E-Bikes, Scooter oder Smart-Home-Installationen. Die sind oftmals in den Altverträgen gar nicht versichert. Wie gehen Sie vor, um die bei Ihnen versicherten Kunden vor einer Unterversicherung im Schadenfall zu schützen?

Mondry: Generell raten wir unseren Kunden die Verträge regelmäßig zu überprüfen und mit ihren aktuellen Lebensumständen abzugleichen. Bei Veränderungen, dazu zählen auch teure Anschaffungen, sollte der Vertrag aktualisiert werden. Dabei unterstützen auch unsere Außendienstmitarbeiter gern mit einer qualifizierten Beratung.

In den meisten Verträgen ist bei uns ein Unterversicherungsschutz vereinbart. Wenn pro Quadratmeter Wohnfläche mindestens 650 Euro versichert sind – also bei einer 100-Quadratmeter-Wohnung, die Versicherungssumme mindestens 65.000 Euro beträgt – rechnen wir grundsätzlich keine Unterversicherung an.

Die Zahl der Einbrüche ist laut GDV in den vergangenen vier Jahren kontinuierlich gesunken auf bundesweit 95.000. Gleichwohl steigt der Schadendurchschnitt. Die Schäden sind so hoch wie noch nie. Wie haben sich bei Ihnen, bei Ergo, die jährlichen Schäden durch Einbrüche entwickelt? Können Sie die Tendenz bestätigen?

Mondry: Ja, diesen Trend nehmen wir auch wahr.

Haben Sie den Eindruck, dass die Immobilieninhaber oder Mieter die Gefährdung unterschätzen? Inwieweit unterstützen Sie Kunden, um etwaige Schwachstellen im Haus oder in der Wohnung zu finden und zu beseitigen? Haben Sie Experten? Gibt es Anreize wie Rabatte in Verträgen?

Mondry: Den rückläufigen Trend bei der Schadenhäufigkeit führen wir auch darauf zurück, dass das Bewusstsein für einen wirksamen Einbruchschutz in der Bevölkerung gestiegen ist. Wir unterstützen über den GDV die Initiative „K-Einbruch“, um die Verbraucher für eine eigenverantwortliche Einbruchsvorsorge zu sensibilisieren.

„Mit wenig Aufwand Einbrechern das Leben schwer machen“

Denn mit vergleichsweise wenig Aufwand kann man es Einbrechern schwermachen, in die Wohnung bzw. das Haus einzudringen. Wir honorieren geeignete Sicherungsmaßnahmen in der Hausratversicherung mit einem Sicherheitsbonus von zehn Prozent. Hilfe bei der Einbruchsicherung von Haus und Wohnung erhalten Verbraucher kostenlos bei den polizeilichen Beratungsstellen vor Ort und im Internet unter www.k-einbruch.de.

Wie gehen eigentlich Einbrecher vor? Wie viel Zeit benötigt ein Einbrecher im Schnitt, um ins Haus zu gelangen? Und kann man eigentlich feststellen, ob man Mieter oder Immobilienbesitzer im Visier von Einbrechern ist?

Mondry: Einbrecher schlagen am liebsten zu, wenn sie gute Chancen haben, dass niemand zu Hause ist. Über die Hälfte aller Einbrüche erfolgen zwischen 10 und 18 Uhr (57,9 Prozent). Schaffen es Einbrecher nicht, innerhalb von fünf Minuten in ein Haus oder eine Wohnung zu gelangen, geben sie meist auf. Häufig versuchen sie es bei den größten Schwachstellen: an Haus-, Balkon- und Terrassentüren sowie an Fenstern.

Die Bewohner sollten es ihnen hier so schwer wie möglich machen. Selbst wer nur kurz zum Bäcker um die Ecke geht, sollte die Haustür abschließen und sie nicht einfach nur ins Schloss fallen lassen. Das gilt auch für die Fenster: Egal wie klein und in welchem Stockwerk, alle sollten geschlossen sein, wenn niemand zu Hause ist.

Gekippte Fenster, offene Dachluken oder Balkontüren laden Einbrecher regelrecht ein. Als zusätzlichen Schutz empfiehlt die Polizei eine stabile, mechanische Sicherung von Fenstern und Türen. Sicherungen an Türblatt oder -rahmen, -bändern, -schlössern, Beschlägen oder Schließblechen sollte ein Fachbetrieb anbringen, der die einzelnen Bauteile optimal aufeinander abstimmt.

Bewohner eines Mehrfamilienhauses sollten Fremde nicht ohne Rückfragen über die Gegensprechanlage in ihr Haus lassen. Klingt simpel, aber tatsächlich kommen viele Diebe ins Haus, indem sie bei einem größeren Mehrfamilienhaus einfach überall klingeln – einer macht schon auf.

Neben finanziellen Schäden hinterlässt ein Einbruch auch psychische Folgen. Wie unterstützen Sie Einbruchsopfer? Welche Assistanceleistungen oder Services bieten Sie?

Mondry: Oft noch schlimmer als der materielle Schaden ist die emotionale Belastung. Die Privatsphäre wurde gewaltsam erschüttert, das Urvertrauen in den Schutz der eigenen vier Wände nachhaltig gestört. Fast die Hälfte aller Einbruchsopfer fühlt sich noch zwölf Monate nach der Tat in den eigenen Wänden nicht sicher. Daher bieten wir unseren Kunden – und allen mit im Haushalt lebenden Personen – in unserem Haus- und Wohnungsschutzbrief die schnelle Vermittlung eines betreuenden Psychologen an.

„Emotionale Belastung ist oft schlimmer“

Stichwort Einbruchsschutz: Bislang gibt es bei Neubauten keine Verpflichtung, einbruchshemmende Fenster oder Türen einzubauen. Warum nicht? Was müsste sich hier ändern?

Mondry: Bisher setzt der Gesetzgeber hier auf Freiwilligkeit. Im Rahmen der „K-Einbruch“-Initiative wird dieses Thema sensibilisiert. Als Hausratversicherer stellen wir jedoch ab einem bestimmten Wert des zu versichernden Inventars erhöhte Anforderungen an die Sicherungsmaßnahmen.

Die Digitalisierung nimmt auch in den eigenen vier Wänden an Fahrt auf. Stichwort Smart Home. Es soll das Haus komfortabler und sicherer machen. Doch Smart Home birgt auch neue Risiken. Etwa die Möglichkeit von Cyberangriffen auf ein Smart-Lock. Welche Herausforderungen bringt das für Sie als Versicherer? Müssten in dem Zusammenhang Kundenschutz und Bedingungen nicht neu gedacht beziehungsweise verändert werden?

Mondry: Kunden müssen im Fall eines Einbruch-Diebstahls in ihre Wohnung bzw. ihr Haus glaubhaft nachweisen, dass in die Wohnung eingebrochen wurde. Dieser Nachweis ist bei der Manipulation von elektronischen und mechatronischen Schlössern teilweise schwierig. Daher haben wir diesen Trend frühzeitig aufgegriffen und mit unseren Kunden eine Vereinbarung getroffen: Wir verzichten auf den Nachweis der Schlossmanipulation, wenn das Spurenbild mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Einbruch-Diebstahl schließen lässt.

Wo liegen für den Vertrieb in der Hausratversicherung die großen Herausforderungen? Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der Tatsache, dass im Zuge der Veränderungen neue Anbieter auf den Markt kommen (Insurtechs oder Digitalversicherer wie etwa Neodigital). Hinzu kommt, dass die Corona-Pandemie für einen weiteren Digitalisierungsschub in den Vertriebs- und Absatzkanälen sorgt.

Mondry: Die heutigen Kunden sind „hybrid“ und haben hohe Erwartungen. Sie wollen online und offline exzellent bedient werden. Kunden lernen aus anderen Branchen, was guter Kundenservice ist und passen ihr Informations- und Konsumverhalten entsprechend an. Versicherer müssen sich mit diesen veränderten Erwartungen auseinandersetzen und diese erfüllen.

Gefragt sind schnelle und einfache Lösungen, die sich an den Lebensgewohnheiten der Kunden orientieren. Wir sehen im Bereich der Hausratversicherung, dass sich viele Kunden online informieren und meist offline nach einer fundierten, persönlichen Beratung abschließen.

Das Interview führte Jörg Droste (dr), Cash.

Foto: Ergo

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