Was die neue Pflegereform wirklich bringt

Foto: Institut Generationenberatung
Margit Winkler

Die neue Pflegereform verspricht eine Erhöhung von Leistungen und Entlastung der Pflegebedürftigen. Welche Änderungen uns bevorstehen, erklärt Margit Winkler vom Institut Generationenberatung.

Mit jeder Reform erwartet man eine Verbesserung. Diese Reform verspricht eine Erhöhung von Leistungen und Entlastung der Pflegebedürftigen. Doch bei genauer Betrachtung handelt es sich um eine Verteuerung des tatsächlichen Eigenanteils im Pflegeheim und zuhause erhalten die pflegenden Angehörigen – meist Frauen – auch diesmal nichts. Zudem bringt die Erhöhung der Pflegesachleistungen, die letztmals 2017 angepasst wurde, noch nicht einmal den Inflationsausgleich.

Die andere Seite der Medaille teilen sich die drei Dimensionen:

– Singularisierung der zukünftigen Pflegebedürftigen
– Abnahme von Mitbürgerinnen und Mitbürger im erwerbsfähigen Alter
– Genereller Wandel des familiären Settings (Stichwort Emanzipation und Mobilität)

Diese Änderungen stehen uns bevor:

Erhöhung um 5 Prozent bei Pflegesachleistungen

Paragraf 36 Sozialgesetzbuch/SGB XI: (1) 1Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 haben bei häuslicher Pflege Anspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haushaltsführung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe).

Das bedeutet, dass etwas mehr Geld insbesondere für den ambulanten Pflegedienst zur Verfügung steht.

Allerdings für Pflegepersonen, die die häusliche Pflege übernehmen, gibt es keine verbesserte Leistung. Für ihre vielfältigen Leistungen häufig rund um die Uhr erhalten Sie beispielsweise in Pflegegrad 2 nach wie vor monatlich 316 Euro. Diese sind lediglich steuerfrei, weil der Gesetzgeber darin die „sittliche Pflicht“ sieht.

Finanzielle Entlastung der Pflegebedürftigen

Hierbei geht es um die stationären Kosten in einem Pflegeheim ab Pflegegrad 2. Die Kosten für den Pflegebedürftigen setzen sich aus Investitionskosten, Unterkunft und Verpflegung und aus einem Eigenanteil für pflegebedingte Aufwendungen zusammen.

Beispielsweise bei Pflegegrad 4 sieht dies im Durchschnitt wie folgt aus:

Investitionskosten: 458 Euro
Unterkunft und Verpflegung: 779 Euro
Eigenanteil für pflegebedingte Aufwendungen: 831 Euro

Gesamteigenanteil: 2.068 Euro
Kassenanteil: 1.775 Euro

Gesamtheimentgelt: 3.843 Euro

Die Reform besagt, dass es eine Entlastung auf den Eigenanteil der pflegebedingten Aufwendungen gibt und nicht etwa auf den zu zahlenden Eigenanteil. Im obigen Beispiel bei 831 Euro sieht dies wie folgt aus:

  1. Monat 5 Prozent (41,55 Euro)
  2. Monat 25 Prozent (207,75 Euro)
  3. Monat 45 Prozent (373,95 Euro)
  4. Monat 70 Prozent (5814,70 Euro)

Hierzu sollte erwähnt sein, dass die durchschnittliche Verweildauer im Pflegeheim aktuell sinkt: So waren es 2015 noch 840 Tage und 2018 nur noch 702 Tage, also weniger als 24 Monate.

Im Durchschnitt erleben die Bewohner der Pflegeheime nur die ersten zwei Entlastungsstufen

Tariflöhne ab dem 1. September 2022 für Pflegekräfte und mehr Verantwortung

Nur noch Einrichtungen, die sich an Tariflöhne halten, können mit der gesetzlichen Pflegeversicherung abrechnen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erwartet dadurch einen Anstieg der monatlichen Pflegekosten von 300 Euro. Dir gut ausgebildeten Pflegekräfte sollen künftig Hilfsmittel verordnen und eigenständige Entscheidungen in der häuslichen Pflege treffen dürfen.

Die Forderung nach Tariflöhnen und mehr Verantwortung für die Pflegekräfte ist wichtig, dass überhaupt noch genügend Arbeitnehmer/innen diesen Beruf dauerhaft ausüben. Diese erhöhten Kosten werden mit der Erhöhung der Entlastung der Pflegebedürftigen teilweise kompensiert. Pflegebedürftige können sich darauf einstellen, dass nach dieser Reform im September 2022 die Zuzahlungen im Pflegeheim steigen.

Bundeseinheitlicher Personalschlüssel

Damit soll erreicht werden, dass überall gleich viel Pflegekräfte im Verhältnis zu den Pflegebedürftigen eingesetzt werden. Seither war dies je nach Bundesland unterschiedlich geregelt. Dadurch könnte es nach Einschätzung der Regierung zum Abbau von Personal kommen. Deshalb sieht die Reform Regelungen zum Schutz vor Fachkräftabbau vor.

Was sich zunächst positiv anhört, könnte in einigen Ländern und Heimen zu einem Abbau von Mitarbeitern führen und damit zu weniger Zeit für die Pflegebedürftigen.

Finanzierung

Ab Januar zahlen Kinderlose weitere 0,1 Prozentpunkte, also insgesamt 0,35 Prozent Beitrag in die Pflegeversicherung. Der Staat zahlt einen pauschalen Bundeszuschuss in Höhe von jährlich 1 Milliarde Euro an die Pflegeversicherung. Experten sind der Meinung, dass die entstehenden Kosten bei Jährlich 2,5 bis 3 Milliarden Euro liegen. Dem gegenüber stehen aus der Gegenfinanzierung lediglich 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung.

Eine solide Finanzierung fehlt von Anfang an.

Fazit

Tatsache ist, dass es schon jetzt zu wenige AltenpflegerInnen gibt und die Anzahl der Personen, die pflegebedürftig sind, immer weiter zunimmt. Diese Tatsche ist längst bekannt und auf die große Bevölkerungsgruppe der Babyboomer zurückzuführen, die jetzt in Rente geht, den Fachkräftemangel verschärft und für die es auch nach dieser Reform nicht klar ist, ob sie adäquate Pflege erhalten kann.

Verbraucher suchen Sicherheit für diese schwierige Lebensphase. Berater können zumindest finanzielle Sicherheit geben und rechtliche Vorsorgeinstrumente vermitteln. Verbraucher benötigen ein Konzept (GenerationenBeratung), das allen Erfordernissen des letzten Lebensabschnitts gerecht wird.

Autorin Margit Winkler ist Geschäftsführerin des Instituts Generationenberatung.

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