Stiftung Warentest Berufsunfähigkeitstest: Franke & Bornberg kritisiert Vorgehen

Die aktuellen Ergebnisse zur Stiftung Warentest Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) sind bei Versicherungsmaklern auf harsche Kritik gestoßen. Der BU-Analyst Michael Franke unterstellt den Prüfern „indiskutable fachliche Mängel“. Finanztest-Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen widerspricht.

Michael Franke, Franke & Bornberg

Das Analysehaus Franke & Bornberg hat den BU-Test in der „Finanztest“-Ausgabe 7/2013 untersucht und geht mit der Vorgehensweise der Prüfer hart ins Gericht.

So meint der geschäftsführende Gesellschafter, Michael Franke, „problematische Anreize in der Preisgestaltung, problematische Ratschläge und indiskutable fachliche Mängel“ erkannt zu haben. Der Stiftung Warentest Berufsunfähigkeitstest schaffe nicht die erforderliche Transparenz und verunsichere die Menschen, kritisiert Franke.

Seitens der Versicherungsmakler wurde unter anderem bemängelt, dass „Finanztest“ die Zahl der Prüfkriterien auf zehn begrenzt hat. Stattdessen seien mindestens 30 Kriterien erforderlich.

Finanztest-Chefedakteur Hermann-Josef Tenhagen zeigt sich dialogbereit.

„Finanztest“ tritt Kritik entgegen, ist aber offen für Anregungen

Finanztest-Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen trat den kritischen Äußerungen im Gespräch mit Cash.-Online entgegen: Das Untersuchungsdesign habe „Hand und Fuß“, betonte Tenhagen und verwies darauf, dass sich die Stiftung Warentest bereits seit 15 Jahren mit BU-Analysen beschäftige. Ein Fachbeirat, dem Verbraucherschützer, Makler, Unternehmensvertreter und Wissenschaftler angehörten, sei bestrebt, stets das „beste Ergebnis für den Verbraucher“ zu ermöglichen. Gleichwohl nehme man Anregungen von Versicherungsmaklern immer gerne auf und prüfe, ob diese umsetzbar seien. „Wir wollen zuhören und lernen“, so Tenhagen. (lk)

Was BU-Analyst Michael Franke am Testverfahren der Verbraucherschützer missfällt, ist hier im Wortlaut nachzulesen:

Bruttobeiträge nicht bewertet

Im Text wird zwar der Hinweis gegeben, dass die Nettobeiträge nicht garantiert sind; im Test wird dies aber nicht berücksichtigt. Die Spreizung zwischen Bruttobeitrag und Nettobeitrag beträgt je nach Anbieter zwischen zwölf und 122 Prozent. Eine Anpassung der Beiträge bis hin zum Bruttobeitrag kann der Versicherer bei schwindenden Überschüssen vornehmen.

Die Tester blenden dabei die Tatsache aus, dass schon heute manche Bestandskunden aufgrund eingebrochener Überschüsse nahezu Bruttobeiträge zahlen. Dabei handelt es sich zwar noch nicht um ein Massen-Phänomen, doch der aktuelle Preiskampf in der BU kann diese Entwicklung absehbar beschleunigen. In den getesteten Neugeschäftstarifen, die in anderen Gewinnverbänden geführt werden, merkt man davon nichts. Die Tester setzen daher Anreize für „Lockvogel-Angebote“ mit hohem Anpassungspotential.

Endalter/versicherbare Berufe

Das eigentliche Problem in der BU ist heute nicht mehr die Endalterbegrenzung, sondern der hohe Preis für den BU-Schutz. Zumindest für körperlich Tätige. Für viele Berufe ist es zwar möglich, einen Vertrag bis zum 67. Lebensjahr zu schließen, die Beiträge sind allerdings unerschwinglich. Daher macht es keinen Sinn, lediglich die Versicherbarkeit zu beurteilen.

Belohnt werden auf diese Weise erneut Versicherer, die Prämien immer weiter differenzieren und damit bei den von der Stiftung untersuchten Musterkunden günstig liegen. Mit dieser immer kleinteiligeren Berufsgruppen-Differenzierung wird der Versicherungsgedanke zunehmend ad absurdum geführt. Verbraucher, die den Schutz am wenigsten brauchen, erhalten ihn immer günstiger, für die anderen wird er nahezu unbezahlbar.

Im Text wird zwar darauf hingewiesen, dass der BU-Schutz für Viele immer teurer wird, die bewertungsrelevanten Musterfälle stellen aber auf Berufe mit vergleichsweise niedrigem BU-Risiko ab. Passend dazu wird eine Tabelle mit einer Einteilung von Berufen in vier Berufsgruppen gezeigt. In der Praxis ist das längst der Ausnahmefall; Berufen werden inzwischen in bis zu 24 Berufsgruppen beziehungsweise Beitragsklassen eingeteilt.

Grob fahrlässige Beitragsanalyse

Geradezu grob fahrlässig ist der Umgang der Tester mit den ausgewählten Musterkunden. Verträge anhand von nur drei Musterberufen zu bewerten, entbehrt heute jeglicher fachlichen Grundlage. Aufgrund der Vielzahl an Berufsgruppen sind aus einzelnen Berufsbeispielen keine Ableitungen auf das Prämiengefüge eines Anbieters möglich. Zudem ist bekannt, dass Versicherer heute einzelne Berufe sehr schnell „umgruppieren“, also beispielsweise in eine günstigere Beitragsklasse einstufen können.

Auffällig ist hierbei die mit einem Jahresbeitrag in Höhe von 471 Euro sehr niedrige Prämie eines Anbieters im Musterfall „Industriemechaniker“. Rechnet man beim selben Anbieter das sehr ähnliche Berufsbild „Mechatroniker“, so ergibt sich ein Jahresbeitrag in Höhe von 1.033 Euro. Bei vielen anderen getesteten Anbietern liegen diese beiden Berufe preislich deutlich näher beieinander. Hätten die Tester den Mechatroniker herangezogen, so läge dieser mehrfach im Text positiv herausgestellte Anbieter weit hinten im Feld und nicht einmal annähernd im Bereich der günstigen Angebote. Die ungewöhnlich niedrige Prämie für den Industriemechaniker bei diesem Anbieter, resultiert übrigens aus der keineswegs üblichen, preislich identischen Einstufung mit dem Industriekaufmann.

Ratschläge für günstige Beiträge problematisch

Kaum nachvollziehbar sind die Ratschläge für die Musterkunden, die versicherte Rente abzusenken oder die Laufzeit der Verträge zu verringern, um Beiträge einzusparen „wenn das Gehalt noch niedrig ist“. Der bessere Rat ist die Nutzung von Einsteigertarifen oder Tarifen mit technisch einjähriger Beitragskalkulation inklusive Umstellungsrecht auf konstante Beiträge. Das Angebot an solchen Tarifen ist für die 25-jährigen Musterkunden noch erreichbar und inzwischen vielfältig. Solche Lösungen stellen den Verbraucher deutlich besser als die Ratschläge der Stiftung.

Wenn die Laufzeit auf 60 Jahre verringert wird und der BU-Fall in jungen Jahren eintritt, besteht faktisch keine Möglichkeit mehr, eine zusätzliche Altersversorgung aufzubauen. Wenn die Tester den Rat geben, Solo-BU-Verträge abzuschließen und die Laufzeit zu verringern, dann fehlt hier der Hinweis, wie man die später unweigerlich auftretende Finanzierungslücke zwischen dem Ende der BU-Leistung und dem Beginn der Altersrente schließen soll. Als Kompromiss, den die Tester nicht erwähnen, kann hier eine Versicherungsschutzdauer bis zum Alter 60 mit einer Leistungsdauer bis zum 67 Lebensjahr genannt werden.

Seite zwei: Mangelhafter Hinweis auf das Risiko der Anzeigepflichtverletzung

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