BDAE-CEO Philip Belau: „Die Entscheidung war eine der besten, die wir getroffen hatten“

Foto: BDAE
Philip Belau: „Mittlerweile ist der Expat-Kundenkreis auch dank unserer Konzernmutter deutlich weiter gefächert.“

Wer beruflich ins Ausland geht, tut dies üblicherweise für mehrere Jahre. Und benötigt hier ganz spezielle Expertise. Cash. sprach mit dem CEO des Hamburger Auslands-Spezialisten BDAE über die Herausforderungen in der Corona-Pandemie, Zielgruppen und die Partnerschaft mit MSH International.

Sind Sie Versicherer mit BaFin-Lizenz oder Makler?
Belau: Wir sind weder Versicherer mit BaFin-Lizenz noch Makler. Wir sind ein MGU – also ein Managing General Underwriting. Das ist grob vereinfacht vergleichbar mit einem Assekuradeur. Und wir verstehen uns in erster Linie als Lösungsanbieter. Wir entwickeln Produkte exklusiv. Wir machen die Schadenabwicklung für dieses Produkt exklusiv. Wir kümmern uns exklusiv um alle Leistungen rund um das Produkt. Es gibt nichts, was an dieser Stelle an Versicherer outgesourct ist, mit Ausnahme der Risikodeckung. In der Wahrnehmung fungieren wir daher schon als Auslandskrankenversicherung. Selbst die Makler nehmen uns als Versicherung wahr. Es ist aber ein Sonderkonstrukt. Bei uns sind die Versicherten in einer bestehenden Gruppenversicherung verortet. Wer bei uns versichert werden möchte, muss den Versicherungsabschluss für das Gros unserer Produkte nicht in Deutschland tätigen. Es ist in der Regel keine deutsche Wohnadresse oder ein Bankkonto erforderlich. Das ist tatsächlich ein wichtiger Part für viele Kunden. Denn oftmals befinden diese sich bei Versicherungsabschluss bereits im Ausland.

Wo liegen die Wurzeln von BDAE?
Belau: Wir sind örtlich betrachtet ein Hamburger Unternehmen. Gegründet wurde die Firma vor rund 27 Jahren von Andreas Opitz. Er war Ideengeber und selbst als Kind eines Expats viel in der Welt unterwegs. Als Unternehmensberater hatte Opitz seinerzeit viele Unternehmen im südostasiatischen Raum beraten. Und hier kam immer wieder die Frage der Absicherung von Mitarbeitern auf. Es gab damals keine adäquate Lösung für Einzelpersonen oder kleinere Gruppen. Und hier liegen die Anfänge. Um eine relevante Größe bei potenziellen Risikoträgern zu erreichen, haben wir die Expats über einen Verein – den BDAE e.V. – gepoolt.

Wie hat die Corona-Pandemie das Expat-Geschäft beeinflusst?
Belau: Für uns glücklicherweise tendenziell zum Positiven. Die bei uns versicherten Expats hatten vor dem Hintergrund der Pandemie besondere Herausforderungen. So kam ein Teil nicht zurück nach Deutschland, um Familie oder Verwandte zu besuchen. Andersherum hatten wir aber auch ausländische Fachkräfte, die nicht in ihre Einsatz- bzw. Aufenthaltsländer zurückkonnten. Wir hatten diverse Fälle, in denen wir in Rücksprache mit dem Versicherer die Heimatlanddeckung erweitern mussten. Zudem kam eine Besonderheit in den Verträgen zum Tragen: Bei uns sind grundsätzlich Leistungen auch bei Pandemie bedingten Erkrankungen in unseren Auslandskrankenversicherungen eingeschlossen. Wir hatten schon immer die Notwendigkeit gesehen, die Versicherten in ihrer Lebenssituation entsprechend abzusichern. Das hat uns von Anbeginn von vielen Marktbegleitern abgehoben und war bei Ausbruch der Pandemie ein klarer Vorteil für unsere Zielgruppen und uns. Da waren andere Marktteilnehmer deutlich weniger risiko- und kundenfreundlich.

Das heißt?
Belau: Sie haben sie – weil in den Bedingungen Pandemie ausgeschlossen wurde – einfach rausgeschmissen. Das muss man so klar sagen.

Wer gehört zur Zielgruppe?
Belau: Expat ist bei uns jeder, der sein Heimatland – Deutschland, Spanien, Frankreich – verlässt und umzieht. Egal ob beruflich oder privat. Letztlich muss man, wenn man ins Ausland geht, auch Geld verdienen. Es gibt sicherlich auch Privatiers. Aber die meisten gehen aus beruflichen Gründen ins Ausland. Unsere Kunden sind all jene, die ins Ausland gehen, die ihren Lebensmittelpunkt genau dort sehen. Wir arbeiten aus Deutschland heraus, wir kennen das deutsche System, wir kennen die Bedürfnisse der deutschen Expats.

BDAE ist seit sechs Jahren Teil des französischen Konzerns MSH International. Welche Veränderungen haben sich hieraus ergeben?
Belau: Die Entscheidung war eine der besten, die wir getroffen hatten. Und es bedeutet keinen Inhaberwechsel. Wir sind Partner mit der entsprechenden Autonomie. Denn das bestimmende Konzept der MSH-Gruppe ist „Think global, act local“. In den vergangenen Jahren sind wir Stück für Stück zusammengewachsen. Wir haben hier unsere eigene IT, unsere eigene Software. Unsere Versicherten profitieren von unserer eigenen App und von digitalen Services wie die von unserem Versicherungspartner Allianz entwickelte digitale Gesundheitsassistenz „Emma“. Zudem haben wir synergetische Möglichkeiten und Wege der digitalen Zusammenarbeit gefunden. MSH hat rund 500.000 Versicherte und ist sehr stark im Firmenkundenbereich, fokussiert auf Großunternehmen. Hinzu kommt ein entsprechendes weltweites Servicelevel mit Töchtergesellschaften in Calgary, Schanghai, Toronto oder China. Da gibt es eine direkte 24/7-Helpline über ein einziges Servicesystem. Und das ist genau das, was Expats eines international agierenden Großunternehmens benötigen. Über den Zusammenschluss haben wir nun aber auch Großkonzerne wie BASF oder Airbus erreichen können. Was uns sehr geholfen hat, ist neben der finanziellen Power eines weltumspannenden Konzerns, der Bereich des Firmenkundengeschäfts. Früher waren überwiegend KMU in unserem Fokus. Mittlerweile ist der Kundenkreis im Expat-Segment auch dank unserer Konzernmutter deutlich weiter gefächert.

Wie viele deutsche Arbeitnehmer gehen im Schnitt ins Ausland?
Belau: Es gibt hierzu leider keine validen Daten. Das macht das Geschäft herausfordernder. Die reine Abmeldung bei den Einwohnermeldeämtern liegt im sechsstelligen Bereich und schwankt zwischen 130.000 bis 150.000. Damit hat man aber nicht zwangsläufig die klassischen beruflichen Expats erfasst, die für drei bis fünf Jahre ins Ausland entsandt werden. Viele, die beruflich ins Ausland gehen, melden sich aus Deutschland ab. Von den Vereinten Nationen gibt es aus dem Jahr 2010 die Zahl, dass rund drei Millionen Deutsche sich im Ausland aufhalten würden. Ich halte die Zahl zumindest damals für realistisch.

Wie viele Kunden betreut der BDAE?
Belau: Wir sprechen da von einem Portfolio von mehreren zehntausend Versicherten. Und wenn wir von Firmenkunden wie Airbus sprechen, haben wir eine ganz andere Art der Betreuung und Anzahl als etwa bei Privatkunden. Und hier wirkt sich gerade der Schulterschluss mit MSH positiv aus. Was vielen nicht klar ist: Wenn man bei einem deutschen Krankenversicherer ist, bleibt man dort in der Regel ein Leben lang. Bei Expats sprechen wir über begrenzte Zeiträume. Eine klassische Auslandsentsendung war früher auf drei bis fünf Jahre ausgelegt. Der Trend geht jetzt eher in Richtung einer kürzeren Dauer von zwei bis drei Jahren. Dafür erhöht sich aber die Frequenz der Entsendungen. Über die vergangenen Jahrzehnte haben wir unfassbar viele Personen versichert. Gleichzeitig sprechen wir über kurz Zeiträume. Die durchschnittliche Versicherungsdauer liegt bei knapp über einem Jahr. Gleichwohl haben wir auch eine Menge Kunden, die mehr als 20 Jahre bei uns versichert sind. Da besteht ein persönlicher Draht zu diesen Kunden. Dieses Geschäft unterscheidet sich allerdings deutlich von dem Großkundengeschäft.

Sie bieten Auslandskrankenversicherungen, Rechtsschutz für das Ausland oder auch eine Arbeitslosenversicherung. Wer ist Risikoträger für die Produkte?
Belau: Wir suchen stets nach der bestmöglichen Lösung für den Kunden. Im Bereich Krankenversicherung ist die Allianz unser Partner. Ein solider, großer und auch international anerkannter Name, der für uns wichtig ist. Weil wir damit die bestmöglichen Leistungsversprechen an die Kunden geben können. Wir arbeiten auch mit anderen Partnern zusammen, etwa mit der Würzburger, mit der wir eine Arbeitslosenversicherung entwickelt haben, oder mit der Arag im weltweiten Rechtsschutz. Unser Kerngeschäft, in dem wir auch selbst in der Entwicklung, Abrechnung, im Service und in der Schadenregulierung tätig sind, ist und bleibt die Krankenversicherung. Alle anderen Bereiche bieten wir „on top“ mit an. Dazu gehören etwa das Krankentagegeld oder die Arbeitslosenversicherung.

Wenn ich als Geschäftskunde ins Ausland entsandt werde – welche Versicherungen benötige ich und was kosten sie?
Belau: Tatsächlich ist es immer vom individuellen Fall abhängig. Und aufgrund der jeweiligen Herausforderungen kommen verschiedene Aspekte zum Tragen. Denn neben dem Versicherungsaspekt spielen fast immer vier verschiedene Rechtsbereiche eine Rolle: Arbeits-, Aufenthalts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht. Eine Auslandskrankenversicherung ist eigentlich immer ein Muss. Bei Aufenthalten in kostspieligen Ländern wie Singapur, Vereinigte Staaten, Dubai, können wir mit den fünf bis zehnfachen Kosten rechnen. Im Privatkunden-Segment nutzen wir bereits Zonenmodelle, um die Kosten fair über die Versicherten zu verteilen. Ganz einfach formuliert: Wer etwa einen Auslandsaufenthalt in Singapur plant, zahlt auch einen höheren Versicherungsbeitrag. Im Geschäftskunden-Segment hängt es vom Versicherungsschutz ab, den man haben möchte. Letztlich reden wir hier von Jahresprämien zwischen 1.500 bis 2.000 Euro pro Kopf und Mitarbeiter. Dazu kommen die Angehörigen, die von der Firma je nach Konstellation aus Gründen der Fürsorgepflicht ebenfalls mitversichert werden. Hinzu kommen die Arbeitsverträge, die lokal geprüft werden müssen. Und der Umzug. Kurzum: Eine Entsendung kostet Geld. Bei dem hohen Aufwand wird kein Unternehmen einen Mitarbeitenden nur für drei Monate entsenden.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments