Das Öl-Paradoxon: steigender Verbrauch inmitten der Energiewende

Foto: PantherMedia/urzine
Der Erdöl-Verbrauch steigt trotz Energiewende.

Auch wenn erneuerbare Energien und effizientere Verkehrs- und Transportmittel einen Rückgang des Verbrauchs erwarten lassen würden, steigt der Ölbedarf.

„Öl ist nach wie vor tief in der Weltwirtschaft verankert und die derzeitigen Bemühungen – etwa die Zunahme der Kapazitäten bei erneuerbaren Energien und Elektrofahrzeugen – haben das Verbrauchswachstum noch nicht umgekehrt“, so Alessandro Valentino, Produktmanager bei VanEck Europe. So überschritt 2023 die weltweite Ölnachfrage zum ersten Mal die Marke von 100 Millionen Barrel pro Tag.

„Für die tiefe Einbettung des Öls in die Weltwirtschaft gibt es drei wichtige Gründe: Zum einen treibt Öl die Wirtschaft an, gerade in der verarbeitenden Industrie und dem Transportwesen. Mehr als 90 Prozent des weltweiten Verkehrs dürften auf erdölbasierte Kraftstoffe angewiesen sein.“ 

Zweitens würden die bestehende Energieinfrastruktur mit über 800 Raffinerien, 485.000 Kilometern an Pipelines sowie die weltweiten Schiffsflotten die Umstellung auf erneuerbare Alternativen sowohl kostspielig als auch zeitintensiv und zu einer jahrzehntelangen Herausforderung machen. Drittens haben große öl- und gasproduzierende Staaten ein ureigenes Interesse an der Beibehaltung des Status quo.

„Auch wenn es nicht überrascht, wie tief Öl in die Weltwirtschaft eingebettet ist, so verwundert doch der Effekt, den die gesteigerte Effizienz in der Produktion hat“, schreibt Valentino. „Denn paradoxerweise ist Effizienz nicht immer gleichbedeutend mit einem geringeren Verbrauch – sie kann sogar zu einem höheren Verbrauch anregen.“ Man spricht hier vom sogenannten Jevons-Paradoxon: Eine Situation, in der technologischer Fortschritt oder eine Politik, die darauf abzielt, die Effizienz der Ressourcennutzung zu erhöhen, unbeabsichtigt zu einem Anstieg des Verbrauchs führt, da niedrigere Kosten und erweiterter Zugang die Nachfrage ankurbeln.

Vor allem die Öldienstleistungsunternehmen sind der Schlüssel zum Fortschritt bei der effizienteren Energiegewinnung und können mit modernen Techniken die Gewinnung von Öl und Gas aus neuen und bestehenden Feldern maximieren, was zu einem höheren Ölverbrauch führen kann. 

Zudem haben Wirtschaftswissenschaftler festgestellt, dass Menschen mehr reisen, wenn ihre Autos sparsamer sind. Bei einer elastischen Nachfrage kann beispielsweise eine 20-prozentige Steigerung der Effizienz durch niedrigere Preise zu einem 40-prozentigen Anstieg der Reisen führen – der Kraftstoffverbrauch steigt und das Jevons-Paradoxon tritt auf. „Die USA sind ein sehr gutes Beispiel für dieses Phänomen: Im letzten Jahrzehnt hat Fracking einen Ölboom ausgelöst, was zusammen mit Effizienzsteigerungen in der Förderung die USA zum größten Ölproduzenten der Welt gemacht hat“, so Valentino. „Gleichzeitig bleiben die USA mit etwa 20Millionen Barrel pro Tag und etwa 20 Prozent des weltweiten Verbrauchs der größte Ölverbraucher der Welt.“

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